Geschichte der
Privilegierten Schützengesellschaft
von 1533
Neustadt bei Coburg
Daniel Zuber
Geschichte der
Privilegierten Schützengesellschaft
von 1533
Neustadt bei Coburg
Daniel Zuber
Geschichte der Privilegierten Schützengesellschaft
von 1533 Neustadt bei Coburg
Daniel Zuber
Neustadt bei Coburg
2008
Zuber, Daniel:
Geschichte der Privilegierten Schützengesellschaft von 1533
Neustadt bei Coburg
Herstellung: Resch-Druck&Verlag e.K., von-Mayer-Str. 4, 96450 Coburg
Zweigniederlassung: Meilschnitzer Straße 36, 96465 Neustadt
© 2008 Privilegierte Schützengesellschaft
© 2008 Daniel Zuber
Inhalt
VOrWOLE 250 ua mm sr nnasrnumgarıınamııummen: 7
Der Beginn. …… 2 ccn cum een nenneenrnen nen 11
Schützenscheiben ……c.ss .se.e.n 22er2ne2nncen 18
Bürgertum und Geselligkeit …… 2… 2222222 seen: 22
Die Revolution. ….. 2.2222 22ueeeeeeee een 27
Die Schützengesellschaft und die Nation. ……… 22222222. 43
„lediglich .. unvorsichtiges Benehmen ..“. ….. 22222222 seen: 50
Die „Stiftung der Jubilare von 1914° …2..22 .ece.eee.ene.een n: 52
Die Schützengesellschaft in der Krise. …….. 222222222 seeeeeen: 55
Die Rettung. …..:2 2222222 Bl a En mern ER mens ua 69
Die Pächter… 2.2 ccceoceeeeeeeeeeeeer ernennen ern enn 77
Die Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung . ……..2..222220.. 83
Im Krieg……22 Coon neeeneeen nennenee n 85
WEL EEE TT TREE TTEERETTEITENTTERTETTTE 90
Von der Gesellschaft zum Verein… ::: sw ss 1 sus ass nam mm 108
„zumal gerade die Neustadter…..::: ana 0 ss 0nw0 0 ammn am 131
Neustadt und Thüringen …. 2… 222220 eceenerreeneneen 144
Die Schützengesellschaft als wirtschaftliches Unternehmen ………. 149
Das Lichtspieltheater im Schützenhaus ……..22.222.2 .cn.ee.en 153
|D EICENTE 1111021 0Cr ER 156
Das neue Schützenhaus in der Halskestraße ………: 2222222200. 173
Gesellschaft oder Verein?. ; : = au 0 0: www s 0: umnn sn ss nun ı sum 185
Die Zukunft der Privilegierten Schützengesellschaft. …………… 188
Was bleibt? . . „au. common nommen ee mn nn nn nn rin id 190
Besondere Schützenscheiben in Farbe …2…. 2.2. 22.2e.r: 193
Anhang… 22.22 oueeeenennnnneeen eeereeereeneere n 219
Scheibe von 1866
Zur Erinnerung an die Feier des fünfzigjährigen Schützen-Jubiläums des
activen Schützen Herrn Anton Braunschmidt am 15. Mai 1866. Gegeben von
der Schützen-Gesellschaft. Gewonnen von Friedrich Sembach. Gemalt von
Carl Reißmann.
Diese Jubiläumsscheibe zeigt einen Ausschnitt aus dem Neustadter Marktplatz.
Man sieht die alte „Farb“, Neustadts einst bekanntestes Wirtshaus, heute
HypoVereinsbank. Man sieht noch die alte Staffel, den großen Brunnen davor,
an dem einst vor Jahrhunderten die Gerichtssitzungen der großen alten Zent
Neustadt abgehalten wurden.
Auch das alte Epplershaus (später Heinrich Schreiner) zeigt noch seinen im
Stiel des Biedermeier gehaltene äußere.
Die Uniformen der paradierenden Schützen, vor denen neben den
Schützenmeister (wohl A. Florschütz) der typische Herr im schwarzen Bart
steht, zeigen nur noch zwei verschiedene Formen, auch einen reitenden
Schützen und weiter zwei Fahnen, von denen eine wohl die der
Schützenkompanie oder der mittlerweile in der Schützengesellschaft
aufgegangenen Bürgerwehr von 1848 ist.
(Chronik Herbert Pilz)
Vorwort
Das 475-jährige Gründungsjubiläum unserer Privilegierten Schützengesellschaft
von 1533 Neustadt bei Coburg im Jahre 2008 war für uns Anlass
sich mit dem Wandel unserer Gesellschaft in sozialer und gesellschaftlicher
Hinsicht auseinander zu setzen und zu dokumentieren. Viele in der Tradition
verwurzelte Geschehnisse lassen sich heute nur noch schwer durchsetzen.
Neue Ideen in gesellschaftlicher und sport-licher Hinsicht müssen daher weiter
entwickelt werden.
Wie hat sich unsere Schützengesellschaft im Laufe seiner Geschichte behauptet?
Emil Herold hat in seiner Festschrift: „Die Neustadter Schützen und ihre Geschichte“
aus dem Jahre 1925 die bis dahin bekannten Ereignisse beschrieben.
Für die Beschreibung der Ereignisse und dem Wandel der Schützengesellschaft
speziell im zwanzigsten Jahrhundert konnte als neutraler Beobachter
Herr Daniel Zuber gewonnen werden, der das vorliegende Buch verfasst hat.
Dank gilt auch Herbert Pilz, der mit der Sichtung und Archivierung der Unterlagen
zur Gesellschaftsgeschichte einen wichtigen Beitrag dazu leistete.
Möge dieses vorliegende Buch beim Lesen viel Freude bereiten und vor Allem
aus der gelebten Geschichte unserer Schützengesellschaft die richtigen Schlüsse
ziehen für eine weitere erfolgreiche Zukunft.
Klaus Gossler
- Schützenmeister
Der Vorstand im Jahr 2008. V.L.: 1. Schützenmeister Klaus Goßler, Schatzmeister
Lutz Wachsmuth, Schriftführerin Ute Erhard, 2. Schützenmeister
Olaf Schönheit und Sportleiter Peter Wittig.
Vorwort
Die Privilegierte Schützengesellschaft von 1533 in Neustadt bei Coburg hat
über vier Jahrhunderte lang Generationen von Männern, inzwischen auch
Frauen, gesellschaftlich und sportlich begeistert und an sich gebunden. Was
macht die Stärke dieser Gesellschaft aus? Und wie hat sie alle Wechselfälle ihrer
Geschichte überstanden?
Emil Herold hat in seiner ersten Geschichte der Privilegierten Schützengesellschaft
im Jahr 1925 bereits die älteren Hinweise, Akten und Überlieferungen
vorgestellt. Seine Darstellung endet mit einem positiven Ausblick auf das weitere
Schicksal der Schützen in Neustadt. Zwar ist der Erste Weltkrieg verloren,
doch mit dem Umbau des Schützenhauses, der 1925 feierlich eingeweiht wird,
scheint das Schützenwesen wieder auf einem sicheren Fundament zu stehen.
Nur wenige Jahre später jedoch gerät die Schützengesellschaft in größte politische
und wirtschaftliche Schwierigkeiten, aus der sie nur unter großen Mühen
herausfindet. Aber kaum sind diese Probleme überwunden, beginnen gesellschaftliche
Entwicklungen, die auch die Privilegierte Schützengesellschaft tief
berühren.
Nachdem die ältere Geschichte der Schützen von Emil Herold bereits vorgestellt
wurde, soll in diesem Buch der Schwerpunkt im Zwanzigsten Jahrhundert
liegen, einer Zeit, in der sich das Wesen der Schützengesellschaft grundlegend
wandelt.
Ich danke allen Beteiligten, die dieses Buch ermöglicht haben, den Interviewpartnern,
die über ihre Erfahrungen gesprochen haben, dem Vorstand unter
Klaus Goßler, der die Arbeit in Auftrag gegeben und uneingeschränkt unter- .
stützt hat, vor allem aber Herbert Pilz, der als Archivar der Schützengesellschaft
das umfangreiche Material der Gesellschaftsgeschichte ordnet und bewahtt.
Ein kleiner Hinweis: Sollten Sie in den Zitaten auf Schreibfehler oder ungewöhnliche
Formulierungen stoßen, liegt es an der genauen Übernahme aus dem
Original.
Daniel Zuber
Scheibe von 1767
Motiv: La Maquerade Die Maskerade
Gegeben von Gottlieb Christoph Conrad Müller den 24. August 1767
Gewonnen von Johann Philipp Christian Broebmer
Im Jahr 1907 wurde eine Kopie dieser Scheibe von Wilhelm Otto Scheibe angefertigt.
Am 7. Juni 1965 wurde diese Scheibe vom Sohn Karl Max Scheibe
der Privilegierten Schützengesellschaft gewidmet.
-10 –
Der Beginn
Für das Schützenwesen in Neustadt bei Coburg gibt es einen ersten Hinweis
aus dem Jahr 1533, in dem urkundlich zum ersten Mal eine Schießhütte erwähnt
wird.! Gedacht ist diese Schießhütte, die am Hirtensteg liegt, für den
Umgang mit Feuerwaffen. Das Schützenwesen selbst hat im 16. Jahrhundert
bereits eine lange Entwicklung von den Bogenschützen über die Armbrust bis
zum Gebrauch von Pulver und Blei hinter sich. Die Übergänge sind zeitlich
und regional fließend, die entscheidende Weiterentwicklung ist jedoch die Einführung
der Feuerwaffen, mit der zeitraubende, oft jahrelange Ausbildungsperioden
erheblich verkürzt werden können. Eine zeitgenössische Faustregel
drückt den Vorteil der Feuerwaffe so aus:
„Man pflegte zu sagen, daß man so viele Jahre wie für den Bogen, so viel Monate für die
Armbrust und ebensoviel Tage für die Büchse benötigte, um genügend sicher zu schießen. ‘?
Ist die Ausbildung mit dem Bogen über lange Zeiträume gesichert, kann auch
mit dieser Waffe eine verheerende Wirkung erzielt werden. Die englischen
Langbogenschützen des Hundertjährigen Krieges sind in der Lage, in einer
Minute mehrere Salven zielsicher auf bis zu zweihundert Meter abzuschießen.
König Eduard II. von England verbietet dementsprechend 1337 als Vorbereitung
auf seinen Krieg mit Frankreich bei Androhung der Todesstrafe jede weitere
Sportausübung außer dem Bogenschießen. Ergänzend wird allen Handwerkern,
die mit der Herstellung der Langbögen beschäftigt sind, die Schulden
erlassen. Mit der gutausgebildeten Bogenschützentruppe versucht er, seine zahlenmäßige
Unterlegenheit durch einen waffentechnischen Vorsprung auszugleichen?
Fehlt es an der langfristigen Durchführung der Ausbildung, wird der Bogen für
die Landheere militärisch bald wirkungslos. Auch die Einführung der Armbrust
kann den Bogen, trotz erheblich besserer Wirkung gegen Rüstungen, nicht ersetzen.
„Es hatte seinen Grund, wenn der Bogen als Waffe des ärmeren Volkes in Deutschland
außer Gebrauch kam. Bis zum effektiven Einsatz von 12 gezielten Pfeilschüssen in der
Minute benötigte man jahrelange Übung. Als die Armbrust ins Kriegsleben trat, danerte die
Ausbildung zwar nur noch Monate, aber die Kostspieligkeit dieser Waffe und die Langsamkeit
der Bedienung, die im offenen Gelände außerdem den schwerfälligen Setzschild
(Pavese) erforderte, grenzte ihre Anwendung im wesentlichen auf die Städte ein. Spätere Ein-
‚führungsversuche beim Landvolk, besonders zur Zeit der Hussitennot, hatten kaum Erfolg. “*
Grundsätzlich sind Armbrust und Feuerwaffe eine für die soziale Ordnung gefährliche
Weiterentwicklung, mit der die gewohnte Überlegenheit des gut gerüsteten
Ritters gegenüber den bürgerlichen Aufgeboten aufgehoben wird.
Diese Entwicklung ist so gefährlich, daß über die Kirche versucht wird, die
Armbrust als legale Waffe zu verbieten’, und auch nach dem Bauernkrieg verfügt
Herzog Georg von Sachsen am 6. Juni 1525, daß kein Fußgänger unaufgefordert
Büchse oder Armbrust tragen dürfe, „wei/ sollich geschos … den underthanen
zu eniporungen, Aufruhr und ungehorsam nicht wenig ursach gewesen. ‘®
-j1 =
Scheibe von 1967
Motiv: Kaufmannszug
Vor 400 Jahren zogen Kaufleute von Nürnberg nach Leipzig.
Neunstadter Schützen gaben manchem Kanfimannszug gutes Geleit.
Heute wird die Straße 2002 am alten Gericht um- und ausgebaut!
Frohe Fahrt und gutes Geleit.
Ehrenscheibe 1976
Gegeben von Nenstadter Tageblatt
Zur Verteidigung der Städte ist die Armbrust jedoch hervorragend geeignet. So
bilden sich aus den Zusammenschlüßen der Bürger, die sich regelmäßig im Gebrauch
der Armbrust üben, die ersten Schützengesellschaften nach dem Vorbild
religiöser Bruderschaften. In Coburg ist die Sebastian-Bruderschaft 1489
erstmals erwähnt.” Die Organisationsform entspricht der Zeit: Sinngebung des
Lebens und Erklärung der Welt sind religiös begründet, und so sind auch die
PD
Schützengesellschaften religiös-stadtbürgerlich strukturiert, mit einer Mischung
aus zweckmäßigen Anordnungen für den Umgang mit der Waffe und religiösen
Anordnungen für den Umgang untereinander, wie es in der Braunschweiger
Schützenordnung in Artikel 1 heißt, „…daß ein jeder derselben Bruderschaft in seinem
Leben, Handel und Wandel sich aller christlichen und ehrbarlichen Tugenden und Taten
befleifigen und erhalten, dagegen aber aller gottlosen, unehrbaren, tadelhaften und strafbaren
Händel sich äußern und dieselben meiden soll.‘®
Diese Organisationsform hält sich zunächst unabhängig von der verwendeten
Waffe, bis es nach und nach zu einer Überlagerung der religiösen Bedeutung
durch militärische Notwendigkeiten kommt.
Der Übungsdienst wird finanziert von den Städten und Landesherten, und soll
mit großen Preisschießen öffentlichkeitswirksam gefördert werden. Für die Coburger
Schützen ist die Ausrichtung eines “Schätzenhofs” für 1495 und 1497 mit
Teilnahme Eisfelder Schützen nachgewiesen, weitere Schützenfeste in Coburg
gibt es 1507, 1535, 1561, 1584, 1597, 1598, 1599. Auswärtige Schützenfeste
werden 1500, 1522 und 1579 in Bamberg und Nürnberg besucht.”
In Neustadt werden die Übungsschießen auf den Sonntag nach dem Gottesdienst
gelegt, an denen sich die ansäßigen hausbesitzenden Bürger beteiligen.
Erster namentlich bekannter Neustadter Schützenbruder ist Kantor Johann
Brechthold, der auf einem Coburger Schießen mit der Armbrust den Ersten
Preis über 30 Gulden gewinnt. Er stirbt 1668 in Neustadt.“
Und auch die Neustadter Schützen besuchen wie die Coburger die Schützenfeste
der Umgebung. 1556 nehmen sie an einem Schießen in Schleusingen teil,
1562 beteiligt sich der Neustadter Schütze Martin Götz am Schießen in Gotha
und erhält dafür 1 Gulden vom Neustadter Stadtrat.!!
Die erste Schützenordnung für Neustadt wird 1603 vom Rat in Neustadt und
dem Schosser als Vertreter des Landesherrn erlassen:
„Schützen- Ordnung zu Nenstadt an der Heyde, wie solche Anno 1603
in usu geweßen, und gehalten worden.
1
Sollen Von Rathswegen jährlich zween Schützen Meister, aus denen Schieß-Gesellen erwehlet
werden, welche allerley Gebrechen, so sich unter denen Schießen begeben würden (jedoch dem
Rath ohne Schaden) Vergleichen und V’ertragen.
2
Wenn mann wie branchlich den Sontag nach Walburgis umb die Herren Gabe zu schießen
anfängt, so sollen die zween verordneten Schütz Meister die Scheiben nach der Vesper lassen
hängen, und herumb Schießen, ein jeder aber nach vollbrachten Schuß, so balden seinen Einlag
Pfennig niderlegen, und doch nicht ehender wiederum anfangen man babe dann zum ersten
Mahl gar herumb geschossen, und die Gewinst gemacht, Wann denn solches geschehen, und
-3-
sich etwan einer oder mehr Schützen so dieses versäumet, herbeimachen wollten, Soll doch
nach denen gemachten Gewinsten kein solcher Schütz, es geschehe denn aus sonderbarer Vergünstigung
zum Schießen zugelassen werden.
3
Soll ein jeglicher Schütz, und Schießgesell so ein Bürger, oder Bürgers Sohn ist, seine eigen
Büchse haben, und keine entiebnen, dieselben nach seinem besten laden, und sich ohne Vorteil
oder Betrug finden lassen, und welche Kugel einer mit geladenem Rohr in Stand bringet, ihme
entweder abgehet, oder hebt sonsten drey mahl abe, soll seinen Schuß Schuß gelden, es habe
gleich Fener geschlagen.
4
Es soll auch ferner ein jeglicher Schuß mit Anfgehobenen Schwebenden Armen, nicht mit
Vorteilhafftigen auflegen, oder unterstützen, sondern also wie Schießens Gebrauch, und recht
ist, schießen, wo aber einer indemme Betrüglich erfunden wird, der soll nach der Schützenmeister
Erkänntnis, gebührlich zur Buße gezogen werden.
5
Welcher Schütz oder Schießgesell mit einer gefütterten oder geschwaertzten Kugel sich finden
läset, soll gleicher gestald der Schützenmeister Strafe leyden.
6
Wofern einer die Scheiben im Treffen durch seinen hinaus gethannen Schuß gleich nur berühret,
soll es doch, wenn man anders gewiß Bley erkennet, einen Schuß gelden, es were denn, dass
die Kugel, von der Erden auf die Scheiben gesprungen, soll es fur keinen treffenden Schuß
‚bassiret werden.
7
Soll kein Schütz dem anderen sonderlich da er im Standt getretten, und auf sein geladenes
Rohr achtung haben soll, hindern oder vexiren, weniger einer dem anderen lügen heisen, noch
viel wehniger bey Gottes heilligen Nahmen Wunden und Sacramenten fluchen und lästern bey
der Buß 6 Pfg., so oft es geschiehet.
8
Würde etwan ein Schütz nur um der Herren Gabe willen zur Gesellschaft, und Schießen
kommen auch erstes mahl gewönne, aber hernach außen bleiben, und nicht wieder zum Schieen
erscheinen wollen, wie man denn manchen finden möchte, soll der oder die jenigen wie
brauchlich die Herrengabe denen Schützen Meistern, und Schießgesellen, wiederum heraus zu
‚geben, schuldig sein.
9
Würde aber auch ein Schützen Meister ohne erhebl. Ursachen nicht alle Sontage in die Schieß
Hütte kommen oder letztere sein und solches seinen Gesellen nicht mit genugsamer Entschuldigung
anzeigen, oder einen anderen ansprechen, soll er 4 Pfg. zur Strafe legen.
10
Wann ein Schütz des Treffens oder fehlens halber keine Geniüge an des geschworenen Zielers
anzeige hätte, und die Schützenmeister hinaus zur Scheiben zu gehen bemühte, und aber nicht
anders befunden und Erkennt würde, soll ein solcher 4 Pfg. zu Buße legen, befindet sich aber,
dass der Zieler unrecht gesehen oder gezeiget hätte, soll er 4 Pfg. legen, damit er ein anderer
mahl besser achtung geb und habe.
-14 –
11
Da ein Schütz mit seiner geladenen Büchse ferdig und vorgelegt hätte, so soll ein anderer ihme
zum Standt nicht vorlauffen, oder aber wann der ordnung nach an ihm der Schuß ist, answendig
vor der Hütten spillen oder anderen Narrenwerk nachgehen bey straffe des Peitschenschlages,
oder gelegenheit der Person 4 Pfg.
12
Welcher Schütz die Scheibe Trifft, der soll das neu gemacht schwartz- und gelbfärbige Schützen
Fähnl sobalden in die Hand nehmen, und es dem Schreiber zeigen, zur nachricht damit
ihme ein Schuß geschrieben wird, wer dass nicht in acht nimbt soll 2 Pfg. geben.
13
Es soll auch ohne gnugsame Ursache Reiner denen Schützen Meistern oder Schreiber in Machung
der Gewinste einreden, oder meistern, es were dann dass einer auf Erforderung, oder
Erlaubnis dazu ginge, bey der Buß 3 Pfg. so oft es geschiehet.
14
Welcher Schütz aller erst nach Jacobi zur Gesellschafjt Rombt und zuvor nicht geschossen,
soll alsdann auch nicht zugelassen werden, er habe dan so mancher Sontag als geschossen worden
eingeleget.
15
Würden die Schützenmeister etwan Auswärtigen umb die Herren-Gabe mit zu schießen vergönnen
soll und muß dieselbige drey Sontage nach einander Gewinnen, unterdessen die gewinn
den biß zu ermelten dritten Sontage stehen lassen, da alsdann Ihme die Herren Gabe nicht
nur allein als 3 Mahl gewonnen, gereichet, sontern auch um seiner ritterlichen That willen von
der Gesellschaft in Wein oder Bier nach Gelegenheit zechfrei gehalten werden soll.
16
Soll Niemand als die Schützen-Meister oder welcher den vorigen Sontag den besten Gewinst,
oder die Sau gewonnen fir die Scheuben zu laufen Macht haben, es geschehe denn mit Er-
/aubnis bey der Buß 2 Pfg.
17
So etwan ein Schütz aus Vorgefallenen Ehrhaften, oder nothwendigen Verrichtungen den
Schützen-Hoff oder Schützen-Ort nicht besuchen könnte, soll er sich bei dennen Schützen anzeigen,
oder durch einen anderen entschuldigen, und um Erlaubnis bitten lassen, die Entstehung
zur straff 12 Pfg.
18
Letzlichen so soll mir wissen und Willen EE Raths jedes Jar, biß zu Ente des aus Schie-
‚Pens, das Buß-Geld durch die Schützenmeister, trenlich zu sammengehalten und darüber gebühr!
Rechnung getan werden, wornach sich ein jeder Schütze und Schieß-Gesell richten soll,
mit dieser angehängten Erklährung Wann ein EE Rath von benachbarten Stadten und
orden Schießens auschreiben bekommen würden, dass sie nach Gefallen ihrer Zweer aus denen
besten Schützen dar zu erwählen, und nothdurfftige Zehrung von gemeiner Stadt wegen aus-
‚fertigen können.
19
Dargegen aber und zu mehrerer Exercirung solches Schießen zu mahlen von unsern gnädigsten
Fürst und Herrn 5 Gulden, dann auch Rathswegen 5 GJ. Alle jar dargeben wird, so
sall hinführo ein jeglicher Bürger vermöge des Muster-Buchß ein Rohr zu halden auferlegt
-15-
werden, entweder selbst mit zuschießen, oder einen andern seinetwegen verschaffen, oder aber
‚Jedes Jahr nach gelegenheit 1 1/2 Gl. mehr oder weniger auf Erkändtnis des Raths in die –
Gemeine Schützen-Gesellschaft verfallen sein.
Dessen zu gewisser bestätigung ist diese ordnung in duplo werfertiget, und denen Schützen-
Meistern in die Lade übgeantwortet, die andere aber auf eine Tafel geschrieben ins Schieß-
Hans gehängt und beydes durch das fürstliche Ambt, so wohl auch von EE Rath besiegeld
und damit confirmieret worden.
Datum Neustadt an der Heydt den 28. Juny Anno 1603
LS Fürst! Sachß Ambt Neustadt
Hanns Seelmann
Schösser
Bürgermeister und Rath das.
(Chronik Herbert Pilz)
Die Zahl der Schützen in Neustadt steigt vermutlich von 30 Schützen (1542)
über 47 Schützen (1543) auf 54 Schützen (1550/51), die auch immer wieder an
kriegerischen Auseinandersetzungen teilnehmen müßen, wie 1547 im Schmalkaldischen
Krieg, in dem Neustadt einen “Reißwagen” mit etwa 20 Soldaten ausrüsten
muß.!?
Aber auch wenn die Mitglieder der Schützengesellschaften wiederholt von ihren
Landesherren in die Aufgebote berufen werden, sinkt der militärische Wert der
Schützengesellschaften im Lauf des 17. und 18. Jahrhunderts immer weiter. Gegen
erfahrene Berufssoldaten können Bürgeraufgebote kaum noch etwas erreichen,
eine Ausnahme ist die erfolgreiche Abwehr einer Truppe von angeblich
500 Männern, die von den Neustadter Schützen 1634 von einer Erstürmung
und Plünderung Neustadts abgehalten werden können. Statt dessen zieht der
Haufen weiter nach Kemmaten, Haarbrücken und Boderndorf, und brennt
diese Dörfer nieder.‘?
So werden aus den öffentlich-staatlichen Schützengesellschaften nach und nach
private Vereinigungen, in denen sich die Bürger zu geselligem Beisammensein
treffen, um dadurch ihre Zugehörigkeit zu den gesellschaftlich führenden
‚Schichten auszudrücken. Zusammengehörigkeit und Geselligkeit werden zum
vorherrschenden Zweck der Schützen.
Der städtische Anteil Neustadts an der Privilegierten Schützengesellschaft zeigt
sich im Amt des Schützenhauptmannes, der neben dem von den Schützen erwählten
Schützenmeister die Stadt in der Schützengesellschaft vertritt, und für
öffentliche Repräsentation zuständig ist. Das Schützenhaus bleibt ebenfalls bis
1852 Eigentum der Stadt, erst dann geht es vollständig in die Hände der Schützengesellschaft
über, und auch das Amt des Schützenhauptmanns wird nach
der Revolution von 1848 aufgegeben, letzter Schützenhauptmann soll Bernhard
Finger gewesen sein.’*
Emil Herold, der Chronist der Privilegierten Schützengesellschaft aus den
1920er-Jahren sieht den Höhepunkt der bürgerlichen Schützengesellschaft von
= j6=
der Mitte des 18. Jahrhunderts an, als sich die gute Gesellschaft im 1735-1755
hergerichteten Schießhaus am Hirtensteg trifft.
“So wird die Schützengesellschaft zum Sammelpunkt der Neustadter Beamten und der guten
Bürgerschaft, die in vielen Dingen weit mehr gebildet war als heute.”
Diese Glanzzeit reicht bis zu den Befreiungskriegen, als Neustadter Bürger und
Schützen an den Feldzügen in Tirol als Teil des Coburger Bataillons teilnehmen,
und mit ihrer zurückgeführten Schützenfahne eine vaterländische
Tradition in Neustadt begründen.
vWI3I4UN? ANIS N3714394 3}
el \
\ 7 i j \ #4 i
R / f x dv
! 1 } Ih =
1 / f h
= ü \ N 17 f I N u
ge N – Ne
r nd PR
san we PER . | GEGEBEN: GUSTAV ECKARDT/GEWONN. ERNST SOMMER
Scheibe von 1964
Maße: 60 x 60 cm
Motiv: Sächsiche, Bayerische und Tiroler Soldaten
Ehrenscheibe 1964
Zum Gedächtnis der tapferen Sachsen, den heldenmütigen bayerischen Kriegern und den
siegreichen Tiroler Landesverteidigern, die am 4. / 5. August 1809 in Südtirol –
Sachsenklemme — gefallen sind.
17
Dem Fahnenträger Johann Michael Eckardt von der Neustadter Schützenkompanie der an
den Kämpfen teilgenommen gewidmet.
Gegeben von Gustav Eckardt ( Urenkel des Johann Michael Eckardt)
Gewonnen von Ernst Sommer
Gemalt von Ernst Bauer
“Und die Überreste dieser Fahne und einer zweiten zur Militärfahne gewordenen Neustadter
Schützenfahne — erhalten sind wohl nur die Fahnenspitzen — waren in Schleswig dabei und
bei Langensalza, bei Wörth und bei Sedan und vor Paris, sind im Weltkrieg im Sturm
wieder weit ins Franzland hineingeflattert, bis ein unbegreifliches und unverdientes Geschick
sie mit einem Trauerflor in ein Museum gestellt hat. (…) Nach dem Jena von Wilhelmshafen,
München und Berlin wird ein neues Leipzig kommen …”“®
Diese Tradition, die alle für die deutsche Nation bedeutenden Feldzüge des 19.
Jahrhunderts einschließt, von dem Krieg gegen Dänemark, über den preußischösterreichischen
zum deutsch-französischen Krieg, wird durch die Niederlage
im Ersten Weltkrieg heftig erschüttert. Herolds abfällige Äußerungen über den
Bildungsstand des Neustadter Bürgertums sind dadurch verursacht, und auch
sein Entsetzen über das „Jena von Wilhelmsbafen, München und Berlin“, also die Revolution,
mit der endlich eine Demokratie in Deutschland errungen wird, ist
dieser nationalistischen Tradition geschuldet.
SCHÜTZENSCHEIBEN
Die Darstellungen der umfangreichen, historisch äußerst interessanten Scheibensammlung
der Privilegierten Schützengesellschaft zeigen eine vielseitige
Mischung lokaler, nationaler, historischer und kultureller Themen. Für Neustadt
selbst sind natürlich die alten Stadtbilder von Bedeutung (siehe Farbbildanhang),
aber auch politische Ereignisse werden aufgegriffen, wie auf den ältesten
erhaltenen Schützenscheiben aus dem Jahr 1763, die den Frieden von
Hubertusburg als Abschluß des Siebenjährigen Krieges feiern. Ende des 19.
Jahrhunderts häufen sich Darstellungen mit Jagdmotiven, während Schützen,
überhaupt der Vorgang des Schießens nur sehr selten zu finden ist. Eine neuere
Entwicklung sind Schützenscheiben aus Metall, und geschnitzte Scheiben, die
sich in den letzten zwanzig Jahren zunehmender Beliebheit erfreuten.
-18-
Scheibe von 1763
Versöhntes Vaterland ! preis nun des Höchsten Güte, von dieser stamet dir der längst
gewünschte Friede.
O Vorsicht segne doch das teutsche Vaterland, ihm bleibe künftig zu der Krieg gantz
unbekannt.
Gegeben von säch. Schütz. Comp. Wegen des durch Gottes Güte hergestelten Frieden.
Gewonnen Herr Ernst Philipp Falk - May 1763
Ernst Philipp Falck ist Angehöriger der Neustadter Miliz, der Defensionskompanie,
deren Fähnrich er später wird. Die Offiziere der Defensionskompanie
werden vom Staat bezahlt.
-19 –
Scheibe von 1763
Maße: 55 x 65 cm
Gottes der trenen Allmacht weise Hand, wie herrlich knüpfet sie das süfse Band, der
Freundschaft u. des edlen Friedens wieder, die Helden treten jetzt den Kriegsgott nieder. Jetzt
schenkt uns Ruh, Zufriedenheit und Lust, Friedrich, Theresia und Angnst.
Gegeben Weißmann ? 10. Juli 1763
Gewonnen von ?
Friedrich = König Friedrich Il von Preußen (der Große)
Theresia = Kaiserin Maria Theresia von Österreich
August = Kurfürst Friedrich August II von Sachsen.
-20 –
IA TER
’
2 fi f . ) 3 | «ad Urn schwnsten Sri Car fe AB Je GAUELORL,
Fa a vs N
AN uriskn Achrifzen ven
io ;
f
4/3; } . ‚HEhg AUS
ls [4
Scheibe von 1807
Das schanderhafteste Loos das ein Tyrann ersann,
Den schönsten Preis, den je ein Schuß gewann,
Den größten Schützen den es hat gegeben,
Zeigt dieses Bild aus Tell’s Leben.
Gegeben Herr Joh. Georg Falk Apothecker aus Aubonne in der Schweitz
Den 25 ten May 1807
Gewonnen Herr Georg Adam Döll
-21-
Eine Verbindung des Schützenwesens mit politischen Aussagen zeigt die Scheibe
von 1807, in der halb versteckt halb offen der Freiheitskampf der Schweizer
gegen den Tyrannen Geßler gleichgesetzt wird mit dem notwendigen Freiheitskampf
der Deutschen gegen den Tyrannen Napoleon. Der Zusammenbruch
des alten Kaiserreichs löst die gewohnte staatliche Verfassung. Deutschlands
auf, die gesellschaftlichen Veränderungen des beginnenden 19. Jahrhunderts erzwingen
auch eine Neurorientierung im Selbstverständnis der Schützengesellschaft.
Bürgertum und Geselligkeit
Die Privilegierte Schützengesellschaft findet ihren Platz in der entstehenden
bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts wie gesagt hauptsächlich in der
Geselligkeit, daneben auch in der Bestimmung sozialer Zugehörigkeit. Wer sich
die Ausgaben, die eine Mitgliedschaft in der Schützengesellschaft erfordert,
nicht leisten kann, gehört im wahrsten Sinne des Wortes nicht dazu, ist nicht
Teil der guten bürgerlichen Gesellschaft.
Die erste erhaltene Mitgliederliste der Privilegierten stammt aus dem Jahr 1820,
als eine Erweiterung des Tanzsaales durchgeführt wird. Für die 250 Gulden
Baukosten muß die Schützengesellschaft aufkommen, was sie mit einer Umlage
auf alle Mitglieder in Höhe von 12 Kreuzern die Woche finanziert. Aus den
Pachterträgen, die zu einem Drittel an die Schützengesellschaft und zu zwei
Dritteln an die Stadt als Eigentümerin des Gebäudes gehen, soll der Kredit refinanziert
werden. Die per Unterschrift gegebene Bestätigung der Mitglieder,
ihrer wöchentlichen Verpflichtung nachkommen zu wollen, ist das erste Mitgliedsverzeichnis:
Johann Georg Eckardt, Schützenmeister
Johann Georg Braunschmidt, Bäckermeister
Georg Adam Döll, Zimmermeister
J. Wilhelm Braunschmidt, Senator
Georg Anton Braunschmidt, Häfnermeister
Joh. Georg Scheube (Scheibe), Gastwirt
Georg Friedr. Liebermann
Ernst Theodor Förster
Johannes Fischer, Metzgermeister
Adam Fenzel
Joh. Michael Braunschmidt, Schreinermeister
Friedrich Köhler
Georg Michael Eckard
Laurenz Förster, Lebküchner.!7
-22 –
Die überraschend geringe Anzahl an Mitgliedern ist vermutlich auf eine kurz
vorher vorgenommene Spaltung der Schützengesellschaft zurückzuführen. Bereits
am 9. August 1819 hat Gottlieb Friedrich Holzhey im Namen der „Gesellschaft
im grünen Tal“ den Herzog um 36 Quadrat-Ruten auf dem Hügel oberhalb
des Grünen Tals, um dort einen hölzernen Bau zu errichten, in dem wie im
Schützenhaus Tanz und Scheibenschießen veranstaltet werden sollen.’®
Für die bei der Privilegierten verbliebenen Mitglieder wird eine Hausordnung
erlassen, nach der der Schützensaal nur von den Schützen selbst, sowie von
Honoratioren der Stadt und von der Schützengesellschaft anerkannten Schützenfreunden
betreten werden darf. Der Pächter des Schützenhauses hat das
Recht, an freien Sonntagen eigene Tanzvergnügungen durchzuführen. Sobald
jedoch Mitglieder der Schützengesellschaft oder städtische Honoratioren am
Tanz teilnehmen, muß der Saal durch Bänke geteilt werden, ein Überbleibsel
der ständischen Gesellschaftsordnung. Nur der Freiball am Vogelschießmontag
muß für alle, die sich anständig aufführen, zugänglich sein.!?
Für die Einschätzung Herolds, in der Privilegierten Schützengesellschaft sammelt
sich das Bürgertum Neustadts, spricht auch die Tatsache, daß die beiden
ersten Schützenwirte zwei Damen aus der Neustadter Gesellschaft sind, Frau
Stadtschreiberin König und Kantorin Müller.
Unter Leitung des 1. Schützenmeisters Peter Eckardt beabsichtigt die Schützengesellschaft
1845 den Bau eines neuen Schützenhauses am Muppberg, noch
nach den alten Regelungen: Die Gesellschaft übernimmt die Baukosten, die
Stadt wird Eigentümerin. Auch die Amortisation der Baukosten sollte über einen
Anteil der Pachterträge finanziert werden, wie bei der Tanzsaalerweiterung
bereits durchgeführt. Zimmermeister Adam Döll entwirft einen Plan “ir möglichst
schöner Ansicht” für ein Bauwerk, das nicht mehr als 1500 Gulden kosten
darf.
Nachdem die Baugenehmigung erteilt und das Grundstück von ungefähr 20
Quadratruthen zugewiesen ist, gehen die Bauarbeiten unter Verwendung der
Materialien des alten Schützensaales am Hirtensteg zügig voran, denn bereits
am 21. September 1845 kann das erste Schießen im neuen Bau gefeiert werden.
Allerdings laufen die Kosten aus dem Ruder, aus den 1500 Gulden veranschlagter
Baukosten werden am Ende über 4000 Gulden, und so sieht sich die
Schützengesellschaft gezwungen, zu einem Mittel zu greifen, das im Laufe der
Zeit immer wieder angewendet wird: Wohlhabende Mitglieder werden gebeten,
die Kosten vorläufig zu übernehmen, um ihr Geld nach und nach von der
Gesellschaft wieder zurückerstattet zu bekommen. Im Jahre 1845 sind dies die
Schützen
Förster Schlick mit 1000 Gulden Arthur Florschütz mit 1000 Gulden
Peter Eckardt mit 850 Gulden Ernestine Hofmann mit 500 Gulden
Georg Scheibe mit 300 Gulden Johannes Fischer mit 200 Gulden
Eduard Gehrlicher mit 200 Gulden
=), —
Scheibe von 1925
Schützenhauptmann August Rückert
(Neffe des Dichters Friedrich Rückert)
Stadtrichter und Hofadvokat
Geboren am 17. 7. 1809
Gestorben am 18.4.1881
Gestiftet von Familie.M . Oskar Amold
Gemwonnen Pfingsten 1925 von Christian Hopf
-24 –
Dre TRREEN BR EULE- ig
\Vesumer)
„Dokument über 300 fl.
Schützengesellschaft hier
Die Endunterschriebene Schützengesellschaft zu Neustadt an der Heide urkundet und bekennt
hiermit, dass sie zur Erbauung ihres neuen Schießhauses am Fuß des Muppberges auf
ihr bittliches Ansuchen anhente von dem Bierbrauer Peter Eckardt allhier ein Darlehen von
300 fl. rheinisch. Schreibe mit Worten Dreihundert Gulden rheinisch baar vorgestreckt erhalten
hat und hiermit, die das Darlehen nicht allein alljährlich mit 4 p.C. pünktlich zu verzinsen,
sondern auch nach gängiger Vs jährigen Aufleündigung in gangbaren capitalmäfigen
Münzsorten dankbarlich wieder abzutragen.
Wie sich dann nun die schuldnerische Schützengesellschaft und auch zu dem Empfang erwähnter
Darlehenssummen ausdrücklich bekennt und der Einrede das nicht empfangenen
oder nicht verwendeten Geldes insbesonderen entsagt, also räumt dieselbe ihren Herrn Gläubiger
an dem mit diesem Geld zu bauenden Schiefßhaus am Muppberg bis zur Wiiederabtragung
des Darlehens eine ausdrückliche Hypothek ein und versprechen die einzelnen Mitglieder
der Schützengesellschaft, hinsichtlich dieses Darlehens alle für einen und einer für alle zu
haften, also und dergestalt, dass es dem Herrn Gläubiger freistehen soll, sich hinsichtlich seiner
Bezahlung nicht allein an die ihm constitnierte Fiypothek, sondern nach seiner Wahl, von
welcher wieder abzugehen und eine andern vorzunehmen ihm freistehen soll, an denjenigen einzelnen
unterschriebenen Schützen zu halten, an den zu halten es ihm gerade beliebt und wollen
die übrigen in solchem Fall hiermit unter Entsagung der Einrede der Aufteilung und
Vorausklage als Bürgen für diese Forderung angesehen sein.
Zur Urkunde dessen ist dieses Document von der Schützengesellschaft ausgefertigt und von jedem
einzelnen Schützen unterschrieben worden.
Neustadt, den 1. Juni 18472
-25 –
PEN ABASERBE 5 GE LEER
er RE er
rLsH WE RETNEL
Bzi u“ .
- er ee u. € – Fa ri
Srg 9 j
eTeE L BB RN FRRL
L 2,7
von
Die Revolution
Der Bau des neuen Schützenhauses findet am Vorabend der Revolution von
1848 statt, in dem die endgültige Durchsetzung einer liberalen bürgerlichen Gesellschaft
in einem vereinigten Nationalstaat Deutschland angestrebt wird.
Noch einmal tauchen Vorstellungen der Volksbewaffnung auf, in die auch die
Schützengesellschaften mit einbezogen werden, diesmal jedoch mit einer neuen
Zielsetzung. War es vor dreihundert oder zweihundert Jahren noch die Mobilisierung
der Schützengesellschaft zu militärischen Zwecken gegen äußere Feinde,
richtet sich die Volksbewaffnung 1848 vor allem gegen die drückende Last
der stehenden Heere in den deutschen Bundesstaaten. Drückend in finanzieller
Hinsicht, vor allem aber auch drückend in politischer Hinsicht, solange sich
Bürgerrechte nicht gegen die Landesherren und ihre militärische Macht durchsetzen
lassen.
Sachsen-Coburg und Gotha ist einer dieser kleinen deutschen Staaten, eines
von 39 Mitgliedern des Bundestages in Frankfurt, in dem 69 Delegierte aller
Staaten unter Vorsitz Österreichs die Angelegenheiten mit streng antidemokratischer
Zielsetzung regeln. Der Bundestag wird durch die Revolution schnell
sinnlos und löst sich auf, Frankfurt bleibt jedoch das erstrebte Zentrum nationaler
deutscher Politik, während sich die Revolution vorerst in den einzelnen
Territorien abspielt. Sobald die revolutionären Forderungen aus Mannheim,
Berlin und den anderen Großstädten und Residenzen in Coburg bekannt werden,
beginnt es auch hier unruhig zu werden. Das Bürgertum findet sich mit
seinen politischen Forderungen zwischen den monarchistisch-antidemokratischen
Landesherren und den noch extremer revolutionären Arbeitern und Unterschichten
gefangen.
In Coburg versucht Bürgermeister Oberländer die sich anbahnende Revolution
von vornherein in bürgerlich-gemäßigte Bahnen zu lenken, indem er auf einer
Bürgerversammlung eine Loyalitätserklärung für Herzog Ernst II., den „gehiebten
und freisinnigen Fürsten des Landes“, verabschieden läßt.?
Diese Petition, in der ein Teil der Revolutionsforderungen aufgegriffen wird,
entspricht auch der Haltung der führenden Neustadter Kreise.
„Gnädigster Herzog, Verehrtester Fürst! Handelte es sich darum, die Eintracht zwischen
Ew. Hoheit und Ihrem Volke zu bewahren, wahrlich so stünde es gut um uns. Ew. Hoheit
haben durch Ihre edelmütige Regierung Sich Ihr ganzes Land zu Danke verpflichtet. Das ist
das festeste Band, welches sämtliche Landes-Angehörige, namentlich die Coburger Bürgerschaft,
an Ew. Hoheit fesselt. Allein es handelt sich jetzt um das höchste und edelste Gut eines
großen Volkes — die nationale Existenz des Vaterlandes.‘**
Trotz der Forderungen nach Pressefreiheit, Volksvertretung beim Deutschen
Bund, Volksbewaffnung oder Geschworenengerichte bleibt das Interesse an
stabilen Verhältnissen vorherrschend, die für das Bürgertum nur im Festhalten
am Herrscherhaus gesichert scheinen.
„Unter den jetzigen drängenden Umständen glauben wir aber, wird es sehr zur Beruhigung
des Landes gereichen, wenn die Stände unserem gnadigsten Fürsten zur Seite stehen.
ed]
Darum bitten wir untertänigst: Ew. Hoheit wolle die sofortige Einberufung der Ständeversammlung
gnädigst verfügen.“
In seiner Antwort geht der Herzog auch auf die Forderung nach Volksbewaffnung
zur Wahrung der inneren Sicherheit ein.
„Bis dahin, wo allgemeine Volksbewaffnung eintreten kann, würde Ich die Aufstellung einer
Bürgergarde in den Städten gern gestatten. ‘>
Für die vorgesehenen Bürgergarden kommen natürlich zuerst die Schützen-gesellschaften
in Frage, die sowohl über ausreichend integre Bürger als auch über
die notwendige Ausrüstung verfügen. Die weniger gutbürgerlichen Landgemeinden
vor allem des Itzgrunds haben in ihren Petitionen vorwiegend handfeste
soziale Interessen:
Abschaffung der Grundlasten, Abschaffung der Steuern auf Salz, Fleisch, Zucker
und Nahrungsmittel, Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit, Besetzung
der Staatsämter nach Verdienst, Vereinfachung der Staatsverwaltung,
Abschaffung des Auszugsgeldes, stärkere Vertretung der Landbevölkerung auf
dem Landtag, Verminderung der Beamten.
In Neustadt kommt zu den schon bekannten politischen Forderung noch die
Förderung des Handels durch ein einheitliches Geld-, Maß- und Gewichtswesen,
eine Forderung, die für die intensiven Handelsbeziehungen der Schachtelmaler
und anderer Gewerbe mit Thüringen und weiter in das Ausland von Bedeutung
ist. Die politische Vertretung im Landtag wird auf die wohlhabenden
Bürger beschränkt, Arbeiter als Abgeordnete sind nicht denkbar. Die Forderungen
der Neustadter, die uns heute im täglichen Leben selbstverständlich
sind, lauten:
- Volksvertretung beim Bundestag (nicht nur Vertretung der Fürsten)
- keine Zensur
- Versammlungsfreiheit und dabei Beratung öffentlicher Angelegenheiten
- „das das Volk bewaffnet werde, um selbst für Ordnung im Innern und Sicherheit gegen
Außen wachen zu können.“ - Geschworenengerichte mit öffentlicher mündlicher Verhandlung
- einheitliches Zivil- und Strafgesetzbuch für ganz Deutschland
- einheitliches Geld-, Maß- und Gewichtswesen
- Aufhebung der Feudallasten mit Entschädigung
- Verfassungsreform mit Vertretung von Wissenschaft, Handel und Ge-werbe
im Landtag.‘
Von all diesen Forderungen, deren Prüfung von Herzog Ernst II. zugesagt
wird, ist die Aufstellung von Bürgerwehren am einfachsten zu verwirklichen.
Aus den Reihen der Coburger Bürger werden fünfhundert Freiwillige rekrutiert,
ausgerüstet aus den Beständen der Veste Coburg.?’
Am 16. März 1848 bitten 16 Mitglieder des Schützenvereins Neuses um Aufnahme
in die Bürgerwehr Coburg, sie wollen mit ihren sogenannten Pirschbüchsen
ein Scharfschützencorps unter Führung des Schützenmeisters Spühler
-28 –
bilden. Ihr Antrag wird von Bürgermeister Oberländer genehmigt.?®
Nach der Anfangsbegeisterung legt sich der Enthusiasmus bald, als greifbare
politische Erfolge in Frankfurt ausbleiben, und die Reaktion vor allem in Preußen
und Österreich sichtbar stärker wird. Für die Gemeinden werden die Bürgerwehren
zusätzlich zu einer finanziellen Belastung. Die Regierungen stellen
sich auf den Standpunkt, daß die Bürgerwehren, von den Gemeinden gefordert,
jetzt auch von den Gemeinden unterhalten werden müßen.
Um der zunehmenden Disziplin- und Lustlosigkeit in den Bürgerwehren entgegenzutreten,
fordert Herzog Ernst II. am 8. November 1848 eine Bürgerwehrordnung.
Als wünschenswerten Nebeneffekt kann er so auch das Kommando
in der Hand behalten, bevor die Radikalen zugreifen.
Diese Bürgerwehr-Ordnung wird im Dezember 1848 von einer Kommission
ausgearbeitet, und im April 1849 dem Magistrat zur Beschlußfassung vorgelegt:
„Aus den Akten ist jedoch nicht ersichtlich, ob sie wirklich in Kraft trat. ‘??
Im Herbst 1849 besteht die Bürgerwehr in Coburg noch aus 549 Mann, die ein
Bataillon bilden. Nach 1849 scheint sie nicht mehr in Erscheinung getreten zu
sein. Als im September 1850 Bürgermeister Oberländer bei ihrem Kommandeur,
Major von Heldritt anfragt, ob die Bürgerwehr wieder zu beleben sei,
stellt sich nach einer Umfrage bei den Bürgerwehroffizieren heraus, das viel zu
viele Mitglieder jegliches Interesse verloren haben. Der Sinn der Volksbewaffnung,
die militärische Macht im Staat unter Kontrolle der Volksvertretung zu
bekommen, ist nach der blutigen Niederschlagung der Revolution durch Preu-
Ben und Österreich im Sommer 1849 verloren gegangen. So bleibt nur die Auflösung
oder langsames Siechtum, das sich bis 1854 hinzieht, als die letzten Uniformen
und Ausrüstungsgegenstände auf dem Rathaus in Coburg abgegeben
werden.“
In Neustadt sind ebenfalls die Schützen erste Ansprechpartner für eine geplante
Bürgerwehr, auch wenn sich manche Neustadter nicht so recht vorstellen können,
wie eine solche Bürgerwehr wohl aussehen, und vor allem tätig werden
könnte.
Im Provinzialblatt für Amt und Stadt Neustadt wendet sich am 17. Juni 1848
ein anonymer Autor in einem Eingesandt an die Bevölkerung:
“(Einges.) Fragen und Antworten.
Frage: Und also sollen die Schützen ein Jäger-Corps bilden?
Antwort: Ja, denn sie üben sich ja noch immer mit schweren Standrohren im Schießen.
Frage: Aber einem Jager=Corps sind doch die schweren Standrohre unnütze
Antwort: Das ist gerade das aparte. Ein Jäger=Corps soll ja etwas apartes sein.
Anmerkung der Redaction. Das ist nun gerade nicht der Fall. Das Jäger=Corps hatte sich
‚gebildet, so viel wir wissen, weil es an Flinten fehlte. Zeitgemäß wäre es aber doch, die Schützen,
deren Begründung, wie die der Bürgerwehr, Landesvertheidigung war, würden Preis=
Schießübungen aus freier Fand an regelmäßigen Schießtagen anstellen, wie dies in der
Schweiz längst eingeführt ist. Preis=Schießübungen aus freier Fand sollten auch an V’ogel-
-29 –
schießen statt haben und würden vielleicht am meisten die Theilnahme an diesen Volksfesten
neu beleben. ’?!
Weder der anonyme Einsender noch die Redakteure des Provinzialblattes
scheinen von den militärischen Fähigkeiten der Mitglieder der Schützengesellschaft
eine besonders vorteilhafte Meinung zu haben. Das Schützenwesen
ist zu einem statischen Wettbewerb herabgesunken, und auch der Besuch: des
Publikums bei den Schützenfesten entspricht wohl nicht mehr den Erwartungen,
ein Thema, das bis zum Ende des 20. Jahrhunderts immer wieder auftaucht.
Eine gewiße Anpassung an die Notwendigkeiten scheint es jedoch bereits gegeben
zu haben. In derselben Ausgabe des Provinzialblattes heißt es in einer kleinen
Meldung:
‘Nenstadt, am 21. Juni 1848. Am Geburtstage des Herzogs fand Seitens der Bürgerwehr
ein Preisschießen mit Musketen aus freier Hand, Seitens der Schützen ein Freischießen
statt.”
Dem Anschein nach treibt die Revolution mit großer Kraft die Entwicklung im
Coburger Land voran, die beharrenden Kräfte in der Bevölkerung und vor allem
in den Regierungen und Herrscherhäusern sind mit den farbenprächtigen
Festlichkeiten der Bürgerwehr nicht zu beeindrucken. Und auch der Alltag
macht manchen weniger wohlhabenden Bürgerwehrmännern zu schaffen. Am - Juni 1848 erscheinen im Provinzialblatt für Amt und Stadt Neustadt zwei
Berichte über diese beiden Seiten der Bürgerwehr:
‘Neustadt, am 25. Juni 1848. Eine Abtheilung der hiesigen Bürgerwehr, gegen 40 Mann,
zieht mit klingendem Spiel zur Fahnenweihe nach Coburg. Ebendahin waren in noch zahlreicherer
Vertretung zu demselben Endzweck die Bürgerwehren von Rodach und Sonnefeld
gezogen.”
‘Warum müssen wir Bürgerwehrmänner bei den Eixercierübungen auf dem Schießhans für
den halben Krug Bier 3 kr. bezahlen, worinnen nur ein Kärtchen |Quart = 1 Viertel
Liter] enthalten ist, wo wir anderswo das Kärtchen um 17% kr. und von weit besserer Onalität
bekommen? Wir sind doch nicht mitverpachtet.
Nenstadt, 26. Juni 1848 Mehrere Bürgerwehrmänner.??
Zu den unumstößlichen Einrichtungen in Neustadt gehört auch während der
Revolution das Schützenfest, das wie immer im Sommer gefeiert wird, mit
Volksvergnügungen, Vogel- und Scheibenschießen, Verköstigung und Musik.
„Einladung zum V’ogelschießen
Zur Abhaltung des diesjährigen V’ogel- und Scheibenschießens ist
-30 –
Donnerstag den 20. Juli c
Und die daranf folgenden 4 Tage bestimmt worden.
Indem wir sie zu diesem Vergnügen andurch ergebenst einladen, versichern wir
zugleich, dass wir für gute Speisen und Getränke, sowie für festliche Musik gesorgt
haben.
Preise der Loose
nach dem Vogel 30 Kr
nach der Scheibe 12 Kr.
Neustadt a.d. Haide den 1. Juli 1848
Die Schützengesellschaft
Emil Doell‘
Eidg a zmumam chHeo0 g r Isscchh icaen,
Neuorbautes Schielshaus zu Neustadt a.d. Haıde.
Be Gele rn he Beopgyare Üben
Gel fr
c a, menldag Ba
5 ” fg Flay- dad Fans
ae Pe Fr u u Wargeigen BR f
era ; u ee er eh
.— – . Ä fern PETE in sm rt
Ghesse den Lease:
a ha ds lH Su.
he Afe: E 7
Hockudes ei EL 2
Die Sid pübmngesellschal.
Mar Gar
-31.-
Die bereits erwähnte Bürgerwehrordnung wird einer Kommission zur Beratung
übergeben, die sich aus Deputierten des gesamten Coburger Landes zusammensetzt.
Die Wahl des Deputierten soll von den zuständigen Behörden veranlaßt
werden, in Neustadt geht die Anordnung der Regierung an den Stadtrat.
‘Es soll, wie dem Stadtrathe bereits bekannt ist, nach höchster Anordnung eine allgemeine
Wehrvereinsordnung für das Herzogthum Coburg entworfen und vorgelegt werden. Um bei
der Bearbeitung dieses Entwurfs den Wünschen der bereits bestehenden Wehrvereine thunlichst
entsprechen zu können, ist für angemessen erachtet worden, unter der Leitung eines
Commissarius aus Unserer Mitte eine Berathungscommission aus deputirten Mitgliedern der
im Lande bestehenden Wehrvereine zusammentreten zu lassen, welche dann gemeinsam den
Entwurf zu der allgemeinen Wehrvereinsordnung aufrichte.
Man hat dabei, um doch die Berathungscommission nicht zu zahlreich zu machen, als Maasstab
angenommen, auf 400 Wehrleute und bis zu 100 Mann einen Deputierten wählen zu
lassen, im einzelnen Falle auch auf die Wehrmannschaft im Amtsbezirke Coburg zuerst 90
Mann einen Depntierten zu bestimmen, ingleichen bei über 400 Mann aufsteigender Zahl
innerhalb der Gränze bis 800 Mann und wenig darüber zwei Depntierte auftreten zu lassen.
Auf diese Weise würden alle Städte im Amtsbezirke, wo Wehrvereine sich gebildet haben,
vertreten werden und im Ganzen
zehn Deputierte zusammen kommen, nämlich
2 Deputierte auf die Stadt Coburg mit 800
1 Deputierter auf den Amtsbezirk Coburg mit 90
1 Deputierter auf die Stadt Rodach mit 205
2 Deputierte auf den Amtsbezirk Rodach mit 464
1 Deputierter auf die Stadt Neustadt mit 163
T Deputierter auf den Amtsbezirk Neustadt mit 109
1 Deputierter auf die Stadt Königsberg mit 100
1 Deputierter auf den Amtsbezirk Sonnefeld mit 336
Mann Wehrleuten.
Damit nun, wie wünschenswert ist, diese Berafungscommission recht bald ins Leben und in
Wirksamkeit trete, geben Wir dem Stadtrathe zu Neustadt auf, fürdersonst zu veranlassen,
daß der auf die Stadt kommende
T Deputierte
von der dasigen Wehrmannschaft gewählt werde, und erwarten berichtliche Anzeige von dem
Ergebniß der …” 3*(Fortsetzung fehlt)
Am 11. April 1849, kurz vor Ausbruch des demokratischen Aufstandes in der
bayerischen Pfalz am 2. Mai, wird von der Herzoglichen Landesregierung der
Entwurf für das Bürgerwehrgesetz vorgelegt, mit der Bitte um Verbesserungsvorschläge
oder Änderungswünsche:
“Entwurf zu einem provisorischen Gesetz, die Errichtung der Bürgerwehr im Herzogthum
Coburg betreffend.
-33
Wir Ernst
PP.
haben beschlossen und verordnen mit Beirath und Zustimmung Unserer getreuen Stände, was
fol:
Allgemeine Bestimmungen.
57
Die Bürgerwehr hat die Bestimmung, die verfassungsmäßiige Freiheit und gesetzliche Ordnung
zu schützen und bei V’ertheidigung des Herzogthums gegen äußere Feinde mitzuwirken.“
Nicht Mitglied der Bürgerwehr können nach diesem Entwurf werden:
Geisteskranke oder körperlich Untaugliche, alle Vorbestraften oder ehemaligen
Gefängnisinsaßen, alle unter Vormundschaft Stehenden, und wer Armenunterstützung
aus Öffentlichen Mitteln erhält, wobei die Namen der Betroffenen und
die Höhe der Unterstützung in den Zeitungen veröffentlicht wird.
Mit dieser letzten Regelung werden die verarmten Unterschichten, unter anderem
Heimarbeiter der Spielzeug- und Schachtelherstellung, automatisch von
der Bürgerwehr ferngehalten. Die Aufgabe der Bürgerwehr, die Sicherheit im
Innern aufrechtzuerhalten, zielt in den Augen der bürgerlichen Kreise, zu denen
auch die Mitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft in Neustadt
zählen, auf die Kontrolle des aufkommenden Proletariats.
Die Dienstzeit in der Bürgerwehr soll über drei Jahre gehen, Ausnahmen soll es
nur aus beruflichen oder dienstlichen Gründen geben.
6 S 2
Die Mitglieder der Bürgerwehr dürfen ohne Befehl ihrer Anführer weder unter die Waffen
treten, noch sich zu dienstlichen Zwecken versammeln.
Alle Berathungen unter den Waffen sind verboten.”
Artikel II
„Wahl und Ernennung der Vorgesetzten.
So
Die Bürgerwehr steht unter dem Oberbefehl des Herzogs.
Derselbe wird sich bei dessen Führung, ingleichen bei der speciellen Organisation der
Bürgerwehr der Beihülfe eines Vertreters und einiger Adjntanten bedienen.
511
Die Anführer der Bataillons werden zur Hälfte von dem Herzog ernannt; zur anderen
Hälfte werden sie nebst den übrigen Vorgesetzten der Bürgerwehr je nach Abtheilungen, denen
sie vorstehen, mit Vorbehalt der Bestätigung des Herzogs, von den Bürgerwehrmännern
gewählt.
I:
Die Wahl geschieht mittelst nummerirter Stimmzettel nach absoluter Stimmenmehrheit, bei
Errichtung der Bürgerwehr unter Leitung der Gemeindebehörde, später des obersten Be-
‚fehlshabers des Wahlortes.“
35.
Artikel III
„Dienstkleidung und Ausrüstung
S 19
Die Dienstkleidung der Bürgerwehr besteht in einem schwarzen oder für die Schützen dunkel-
‚grünen Waffenrock mit gelben Metallknöpfen und in Hut mit Busch oder der Dienstmütze.
S 20
Die Bewaffnung für die Bürgerwehr ist
1) für die Anführer vom Feldwebel aufwärts der Degen;
2) für die übrigen Wehrmänner, je nachdem sie zu den Sign HEagIHen gehören oder
nicht, eine Büchse oder eine Muskete mit Bajonett.
Wehrmannschaften einzelner Gemeinden können vorderhand und bis zur regelmäßigen
Bewaffnung mit Jagdgewehren oder Lanzen bewaffnet werden.
Alle mit Fenergewehren Bewaffnete haben Patronentaschen zu tragen.
Die Schützen müssen außerdem mit einem Hirschfänger bewaffnet sein. (…)
S 21
Für die Dienstkleidung und für die Waffen muß jedes Mitglied der Bürgerwehr auf eigene
Kosten sorgen, insoweit nicht Unbemittelten einzelne Ausrüstungsgegenstände von der tref-
‚fenden Gemeinde entweder nur zum Dienstgebrauche oder gegen eine billige Vergütung zum
Eigenthum überlassen werden. Dieselbe hat übrigens jedenfalls die Anschaffung zu vermitteln.
(.)“
Artikel V
Dienst der Bürgerwehr
us 29
Der Bürgerwehr muß von dem Befehlshaber der Zweck ihrer Zusammenberufung sofort
bekannt gemacht werden.
5 30
Zu regelmäßigem Garnisonsdienste überhaupt ist die Bürgerwehr nur in Kriegszeiten bei
Abwesenheit oder Verhinderung des Mihtärs, oder sonst in Zeiten gestörter öffentlicher Ordnung
verbunden.
533
Die im Dienst befindliche Bürgerwehr hat das Recht, von den Waffen Gebrauch zu machen,
wenn Gewalithätigkeiten gegen sie verübt werden, oder wenn sie nur durch Anwendung der
Waffen verhindern kann, daß sie von der eingenommenen Stellung oder einem ihr angewiesenen
Posten verdrängt werde. In allen übrigen Fällen darf von der Waffe nur dann Gebrauch
‚gemacht werden, wenn die Aufruhracte verlesen ist.“
34 –
Scheibe von 1848
Für Fürst und Vaterland
Gegeben zur Geburtstagsfeier Herzog Ernst zu Sachsen Coburg Gotha
Am 21. Juni 1848 von der Schützengesellschaft
Gewonnen von Kaufmann Friedrich Müller am 25. Juni 1848
Nach Ausbruch des Aufstandes in der Pfalz Anfang Mai 1849 wäre die Zeit der
Bewährung gekommen für die Bürgerwehren in Deutschland. Kampf gegen
Volksfeinde ist ihre Aufgabe, und als Kampf gegen das Volk verstehen die radikal-
demokratischen Kräfte das gewaltsame Vorgehen der reaktionären Regierungen.
Wie soll auf die Nachricht vom Einsatz der Armee gegen die Bevölkerung
reagiert werden? Was könnte überhaupt getan werden?
- 35:
In Neustadt erläßt der demokratische Volksverein am 10. Mai 1849 einen Aufruf,
die Volksbewaffnung endlich durchzuführen und sich auf militärische Aktionen
vorzubereiten. Noch gibt es keinen Bruch mit der Herzoglichen Regierung
oder dem Herzog selbst, noch stehen die Feinde der Demokratie außerhalb
Coburgs:
„Der Herzog von Koburg hat die Verfassung anerkannt, sie ist bereits publicirt; auch das
Volk erkennt sie durchgängig an und es müssen sich zur Aufrechthaltung der Verfassung
alle Partheyen einigen.
Nur einige Fürsten, unter ihnen vorzüglich der König von Sachsen und der König von Pren-
‚en, sie haben bereits Schritte gethan, wodurch die Durchführung dieser Verfassung mit Gewalt
der Waffen verhindert werden soll.
Diese Verfassung zu schützen ist und muß unser allerheiligste Pflicht seyn; für sie einzustehen
mit Gut und Blut muß das Volk gerüstet seyn, um, wenn die Stunde und die Gefahr
des Vaterlandes ruft, gegen die V’erräther am Volke in die Schranken treten zu können.
Wir haben bereits auch das Justizamt ersucht, das Landvolk zur schleunigsten Bewaffnung
aufzufordern und erwarten von Ihnen, daß auch Sie die hiesigen Bürger zur allgemeinen
schleunigsten Bewaffnung auffordern, damit uns die Stunde der Gefahr nicht unvorbereitet - überfalle.
Nur rasches, entschlossenes und energisches Handeln kann jetzt nützen und dies glauben wir
von Ihnen erwarten zu können.
Neustadt d. 10. May 1849 ,
Im Namen des Volkvereins dessen Vorstand
Joh. Nicol. Lieb
Peter Pretzler
Johannes Döhler
Andreas Truckenbrodt
Adam Kaul
… 36
Am selben Tag legt der Volksverein seine Anmerkungen zum Entwurf des Bürgerwehr-
Gesetzes vor, die teilweise mit den Änderungswünschen der gemäßigten
Kreise des Bürgervereins übereinstimmen. Sicherheit nach Außen und im
Innern ist für beide Richtungen der Zweck der Bürgerwehr, auch wenn es unterschiedliche
Meinungen gibt über die Grenzen der Bürgergesellschaft. In den
Bemerkungen des Volksvereins Neustadt heißt es:
„g10
Da die Bürgerwehr im vorigen Jahr bloß deshalb errichtet wurde, um der Gewalt von oben,
sowie der Anarchie von Unten kräftig entgegentreten zu können, so muß nothwendigerweise
dieselbe die Opposition gegen den Fürsten, sowie überhaupt gegen die Bureaukratie bilden nm
das Volk gegen die Uebergriffe derselben in seinen Rechten zu schützen, dieserhalb kann der
Fürst nicht den Oberbefehl über die Bürgerwehr führen, sondern den Oberbefehl muß ein entschiedener
Volksfreund, der durch freie Wahl hervorgegangen ist, führen.
-36 –
$11
Die Anführer der Bataillone müssen durchgängig von den Bürgerwehrmännern erwählt
werden.
$ 21
Da der Gewerbsstand und der Bauernstand, überhaupt die arbeitenden Klassen den Staat
bilden und unterhalten müßen, so muß auch der Staat durchaus für die Bewaffnung der Bür-
‚gerwehr sorgen. ‘®’
Auch der Bürgerverein Neustadt ist mit dem Zweck der Bürgerwehr einverstanden,
legt in seinem Schreiben an den Stadtrat vom 12. Mai 1849 aber auch
Wert auf die Kontrolle der Bürgerwehr durch die Bürger.
“Vollkommen einverstanden mit der in S 1 angegebenen Bestimmung der Bürgerwehr, glaubt
der Verein doch, daß der Errichtung der Bürgerwehr ein anderes Prinzip zu Grunde gelegt
werden müsse, als das in Sf 2 u 3 ausgesprochene. Nicht um eine Berechtigung, eine Bürgerwehr
zu bilden, in eine Bürgerwehr einzutreten, handelt es sich, sondern um die V’erpflichtung
für jeden wehrfähigen Mann, ‚die verfassungsmäfige Freiheit und gesetzliche Ordnung
zu schützen und bei Vertheidigung des Herzogthums gegen äußere Feinde mitzuwirken.‘
In der Begeisterung des vorjährigen März giengen Tausende von Petitionen an die deutschen
Regierungen, welche neben andern gerechten Forderungen hauptsächlich auf Anerkennung der
Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes, auf allgemeine Volksbewaffnung drangen.
Ist man auch, und zwar mit vollem Recht, zurückgekommen von dem Gedanken durch diese
Volksbewaffnung die stehenden Heere ganz überflüssig zu machen, so lebt doch in dem deutschen
Volke der Wunsch, durch allgemeine Wehrbarmachung die Unterschiede von ‚Civil‘
und ‚Militär‘ fallen zu machen. Wir sehen freilich ein, daß dieser Endzweck erst durch eine
allgemeine deutsche Wehrverfassung vollkommen erreicht werden kann; aber dennoch wünschen
wir auch jetzt schon, daß es im Anfang des $ 2 heißen soll: statt „in jeder Gemeinde
kann’ — ‚in jeder Gemeinde muß eine Bürgerwehr errichtet werden‘
Ge)
In $ 10 heißt es: „Die Bürgerwehr steht unter dem Oberbefehl des Herzogs.’ Der Bürgerverein
weiß so gut wie jeder Koburger Staatsangehörige, daß in der Person Sr. Floheit der beste und
tüchtigste Oberbefehlshaber der Bürgerwehr sich finder. Solange aber nicht von Reichs wegen
eine Organisation der Volksbewaffnung ins Leben gerufen ist, glaubt der Bürgerverein den
Grundsatz feststellen zu müssen, daß die Gesammtbürgerwehr jeden Landes das Recht hat,
sich ihren Oberbefehlshaber selbst zu wählen.
Als Wahlmodus wird vorgeschlagen, daß das gesammte Offcirscorps drei Kandidaten wählt
in ganz freier Wahl, aus deren Zahl die Gesammtbürgerwehr ihren Oberbefehlshaber und
dessen Stellvertreter wählt.
(.)
Namens des Bürgervereins zu Nenstadt dessen Vorstand
Karl Rückert
J. Döhler.’?8
-37 –
Weiterhin wünscht der Bürgerverein die Übernahme der Kosten durch den
Staat, da staatliche Aufgaben auch staatlich zu finanzieren seien.
Zur Anschaffung der Gewehre für die Bürgerwehr in Neustadt muß die Stadt
bereits zu zwei Drittel Bürgschaft stellen, da die Jägerkompanie aus eigener
Kraft nicht in der Lage ist, die nötigen Mittel aufzutreiben. Gustav Köhler,
Enkel des Hauptmanns Köhler der Bürgerwehr im Jahr 1848, kann 1927 noch
einen Kaufvertrag der Bürgerwehr mit der Gewehrfabrik Klett&Söhne in Zella
vorlegen.
„Die Jägercompagnie in Nenstadt b. Coburg bestellt bey der Gewehrfabrik der Herren
H.Ch. Kiett und Söhne in Zella St. Blasii “Dreifig Stück” gezogene Büchsen mit
Hirschfänger zum Aufstecken, nach dem von der Fabrik gesandten Muster Nr. 450 zu den
Preiß von Fünf und zwanzig Gulden rb. 1 Stück. Als Zubehör gehört zu jeder Büchse ein
Kugelform nach dem Kaliber von 36 bis 40 Kugel aufs Pfund, ein Pistonzieber, ein
Reservepiston, ein Schranbenzieber und ein meßing Gradladmaas.
Die Fabrik verspricht diese Gewehre bis Anfangs oder Mitte May 1850 zu liefern und garantiert
für gute, dauerhafte, eingeschossene Gewehre nach dem Muster No. 450 auf “Ein
Jahr”, vom Tage der Ablieferung an.
Vorkommende Fehler und Reparaturen bringt die Fabrick nach Erklärung der Fabrikanten
vom 9.1.1850 gratis in Ordnung, was nebmlich im Laufe der Garantie vorkommt.
Jede Büchse bekömmt hinten auf dem Laufe eine Nummer und fängt diese von Nr. 1 an,
und so fort. Die obenbemerkte Zubehör ist mit derselben Nr. zu versehen wie die Büchse hat,
zu der sie gehört.
Die Jägercompagnie verpflichtet sich dagegen bey der Ablieferung der Gewehre gleich 1/8
Theil des Betrags zu zahlen, das zweite 1/8 Theil Ende Dez. 1850 und den Rest, also das
Letzte 1/8 Theil Ende August oder Anfangs September 1851.
Vorstehender Accord ist von beiden betheihigten Theilen abgefaßt und unterschrieben worden.
Neustadt und Zella, am 2. Jannar 1850.
Für die Jagercompagnie in Neustadt:
Ferdinand Köhler, Hauptmann.
Emil Döll, Jägermeister. |und zugleich 1. Schützenmeister der Privilegierten
Schützengesellschaft]
Heinrich Chr. Klett u. Söhne.
Der unterzeichnete Stadtrat macht sich hiermit verbindlich, für die bies. Jäger= Compagnie
hinsichtl, derjenigen 30 Stück Büchsen sammt Zubehör, welche dieselbe pro Stück um 25 fl
rh. von der Büchsenfabrik H.Chr. Klett und Söhne zu Zella St. Blasii zu Kaufen beabsichtigt,
nach Lieferung auf 2/3 des Kaufgelds Bürgschaft zu leisten und solche zur Verallzeit
aus städtischen Mitteln selbst zu entrichten, falls die Jäger=Compagnie deren Zahlung
unterlassen sollte, bedingt sich jedoch, daß ihm das Eigenthum an diesen Büchsen sammt
Zubehör überlassen werde, falls er in den Fall kommen sollte, diese Zahlung für die
Jäger= Compagnie zu leisten.
Nenstadt, d. 27. Januar 1850.
Der Stadtrat.
G.Chr. Eichhorn.” - 38 –
Zur Diskussion sowohl des vorgelegten Entwurfs des Bürgerwehrgesetzes als
auch der gewünschten Änderungsanträge wird vom Stadtrat eine Bürgerversammlung
auf den 12. Mai 1849, „abends 5 Uhr“ einberufen:
‘Die hiesigen Stadtbürger werden andurch aufgefordert, sich morgen früh 6 Uhr zunächst des
Schießhauses zu versammeln,
- um das in den jetzigen Zeiten höchst nothwendige Bürgerwehrgesetz zum definitiven Abschluß
zu bringen. - zu berathen, wie an der von der National Versammlung gegebene und publicirte Reichsverfassung
festzuhalten und solche zur allgemeinen Geltung zu bringen, endlich - ob eine V’ereydung auf die Reichsverfassung sofort vorzunehmen sey.
Der Stadtrath.‘*
Bei dieser Versammlung kann sich die gemäßigte Linie durchsetzen, ein Konflikt
mit dem Herrscherhaus und ein eventueller Einsatz der Bürgerwehr und
der an ihr beteiligten Schützen gegen die Militärmacht des Staates wird vermieden.
Aus dem revolutionären Beginn der Bürgerwehr wird bald Dienst nach
Vorschrift, aus dem Dienst nach Vorschrift bald eine unwillig ertragene Belastung.
Auch in Neustadt löst sich die Bürgerwehr irgendwann nach Zerschlagung
der Revolution sang- und klanglos auf.
Auch wenn der Demokratisierungsschub ünd die politischen Ansprüche der
Unterschichten abgewehrt worden sind, zerstört die mißlungene Revolution
von 1848 auf längere Sicht doch die überlieferte gesellschaftliche Stellung der
Privilegierten Schützengesellschaft in Neustadt. Als Bürgerverband wird sie unnötig,
als Militärverband überflüßig.
Emil Herold beklagt 1925 diesen Verlust an Tradition. In einer Bürgergesellschaft,
die auf der Gleichheit aller Bürger beruht, ist eine auf Tradition gegründete
Ausnahmestellung nicht mehr erwünscht, aus den Gesellschaften werden
Vereine. Bei der Privilegierten Schützengesellschaft in Neustadt zieht sich dieser
Prozeß bis nach dem Zweiten Weltkrieg hin.
“So schwand denn im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts eine alte Sitte nach der andern,
nicht ohne Verschulden der Schützen, aber in der Hauptsache durch das Vorgehen volksfremder
Bürgermeister, die den Paragraphen über die Tradition stellten oder traditionsfeindlichen
Stadtvätern nur zu willig ihr Ohr hehen.‚ Die Trennung von Schützengesellschaft und Stadt geht Schritt für Schritt vor sich. 1853 übernimmt die Privilegierte das städtische Schießhaus in eigene Regie, Bürgermeister Dorrien läßt die Tradition der Fahnenabholung aus dem Rathaus zum Schützenfest abschaffen, die Schützen sollen ihre Besucher in der Polizeiwache empfangen, wie andere auch. Streit gibt es auch um die sogenannte “Herrengabe” an die Schützengesellschaft, in der mehr und mehr Neustadter eine ungerechtfertigte Förderung und Bevorzugung der Schützen sehen. Vor einem drohenden Prozeß um die Durchsetzung ihrer überlieferten Ansprüche -39 – schreckt die Schützengesellschaft jedoch zurück, auch wenn, wie Emil Herold meint, die Schützen diesen Prozeß selbstverständlich gewonnen hätten! “Um des heben Friedens willen aber gaben die Schützen die letzte historische Tradition, die ihnen noch geblieben war, preis, trotzdem manche erfahrene Schützen, vor allem Geheimrat M. Oscar Arnold, dringend vor dieser Sünde gegen die Geschichte warnten.”?
; Morser Or leorbziseig
ap > “ 9
ws den Sölgen efes Sagdgeselzes vorn Sc
(Fewcrenrerr VOR
5) 7 > % R
Anton Hraunfchmidt
- un I Seplemtrr 1853 .
Scheibe von 1852
Nener Erwerbszweig aus dem Folgen des Jagdgesetzes vom Jahr 1848
Gegeben von dem Forstgehilfen Arthur Florschütz
Gewonnen von Anton Braunschmidt am 3. September 1852
Nach der erfolglosen demokratischen Revolution von 1848, die politisch nicht
auf den erhaltenen Schützenscheiben dargestellt wird, greift ein Schützenkönig
doch eine Auswirkung der nachrevolutionären Veränderungen auf, die mit dem
täglichen Leben der Neustadter zu tun haben. Die Freigabe des Jagdrechts und
der Waldnutzung auch für Bürger und Bauern, die zu großen Bedenken geführt
-40 –
hatte, wird vom Forstgehilfen Arthur Florschütz 1852 als Niedergang der
Waldwirtschaft dargestellt. Überjagung und Ausbeutung des Waldes werden
schon 1848 kritisch beobachtet, die Rechtmäßigkeit der Freigabe wird jedoch
nicht in Zweifel gezogen, zumal einige der Regelungen kurz danach wieder eingeschränkt
wurden.
Amtmann von Schultes, der während der Revolution Justizamtmann in Neustadt
war, berichtet am 4. März 1848 über den Wunsch der Gemeinden nach
größerer Eigenständigkeit, “namentlich in den Orten, wo es viele Tropfhäuser und Mietsleute
gibt, zumal die Besitzer den armen V’olksklassen gegenüber nicht immer sich richtig verhalten
hätten.”
Zwar gäbe es ein allgemeines Stocken der Geschäfte, aber sonst sei es zu keinen
Ausschreitungen oder Eigentumsdelikten gekommen. Auch er sieht als Grund
für die stark zunehmende Jagd einen zu großen Wildbestand.
Exzesse und Vergehen gegen das Eigentum sind nicht vorgekommen.
Die Freigebung der Jagd und das Mißverstehen der ergangenen Zusicherung und die Begierde,
sich möglichst bald gegen den Schaden des starken Wildstandes zu sichern, hat fast allgemein
zu Ueberschreitung der Bestimmungen geführt. Die Gemeinden haben sich wieder dem Gesetz
gefügt, wenn auch das Wildern Einzelner hie und da noch nicht gänzlich hat verhindert
werden können.”®
Auch im Provinzialblatt wird auf das Jagdrecht, das von Herzog Ernst an die
Gemeinden übergeben wurde, eingegangen, hier jedoch in einem kühlen volkswirtschaftlichen
Ton.
‘Man hat an manchen Orten vielleicht das Wild zusammengeschossen, als es noch nicht genießbar
war und damit einen Theil des National=Vermögens zerstört und verschwendet;
denn die Production des Fleischvorrathes ist Sache der Nationalöconomie, gleichviel, ob die
Tiere zahm im Stall, oder als Wild anf dem Felde erzengt werden. Aber daran mag eher
der früher allzusehr gehegte Wildstand die Ursache gewesen sein, und weil das Wild nicht
dem Flur zugehörte, auf dessen Kosten es satt gefüttert worden war.“
Herzog Ernst wird für das „Aochherzige Opfer“ gedankt, das er seinen Untertanen
gebracht hat, zumal ihm die Jagd ein Herzensanliegen und eine große Freude
ist.
„Aber es hiegt in diesem Opfer eine Anerkennung der Hanptfragen die unsere Zeit bewegen:
Freiheit des Bodens und Wehrhaftigkeit. Denn mit Freigebung der Jagd wurden die Gewehre
aus den Tüchern entwindelt, in denen Nichtjäger sie verhüllen muften, wenn sie je ein Gewehr
im Arm tragen wollten. Der Gebrauch des Fenergewehrs wird künftig dem wehrhaften
Manne keine unbekannte Sache bleiben, an die auch jetzt noch gar manche nnr mit einiger
Aengstlichkeit sich wagen. ”*
-4-
Scheibe von 1936
Leitungswerkes in Neustadt Motiv: Bau des Kabel- und
Königsscheibe 1936
Gegeben von Werner Wohlleben
Gewonnen von Hermann Steiner
Gemalt von Hans Räppold
-42-
Die Schützengesellschaften und die Nation
„Der Krieger schwört bei seiner Fahne. Ihm gleich lassen Sie mich in Ihrer Aller Namen, im
Namen so vieler Tausende, die von der Düne der Nordsee bis zu den schneeigen Alben hierhergezogen,
bei dieser Fahne geloben: Treu zu stehen zum Vaterland und,seines Rufes gewärtig,
zu werhfahftem Bunde waffengeübt zu werden!‘®
(Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha als Ehrenvorsitzender in seiner
Rede zur feierlichen Übergabe des Bundesbanners der Deutschen Schützen
in Frankfurt am Main 1862)
Nach der Revolution wandelt sich das Selbstverständnis der Schützengesellschaften.
Waren sie vorher Teil der liberal-bürgerlichen Bewegung, wandeln sie
sich zu nationalkriegerischen Gesellschaften, deren politisches Ziel der starke
deutsche Einheitsstaat ist, vom Kaiser geführt, mit einem „Höchstmaß wehrhafter
Geschlossenheit‘ nach außen. Die höchsten Tugenden sind „wehrhafter Gemeinschaftssinn,
Disziplin, kriegerische Aufopferungsbereitschaft für die Nation und unbedingter
Gehorsam gegenüber dem obersten nationalen Kriegsherrn.‘®
Damit wird jede Abweichung von der unbedingten Treue zum Fürstenhaus, ob
Kaiser oder Herzog, national unzuverlässig. In den Geselligkeitsvereinen, bei
den Turnern, Schützen, Sängern und in den Wehrvereinen (Militärvereine) wird
eine nationalkriegerische Haltung propagiert, die im Bürgertum mehrheitsfähig
ist und sich teilweise bis in das Dritte Reich hält, wobei sich eine Verbindung
von politischen Überzeugungen, öffentlicher Darstellung und geselligen Beisammenseins
unter Seinesgleichen entwickelt.
Anfangs der 60er-Jahre kommt es zu einer Gründungswelle vaterländischer
Vereine, mit der die Mitgliederzahlen einen ersten Höchststand erreichen.
Mitgliederzahlen 1863:
Deutscher Sängerbund (gegr. 1862) ca. 60.000 aktive Sänger
Deutsche Turnerschaft 170.000 Mitglieder
Deutscher Schützenbund 11.000 Einzelmitglieder.
In dieser Zeit, im Jahr 1862, findet auch das große Bundesschießen der Deutschen
Schützen in Frankfurt am Main statt, das mit seiner außergewöhnlich
starken Beteiligung den Gedanken der nationalen Einigung in die Öffentlichkeit
trägt. Nach der Reichsgründung tritt bei den alle drei Jahre veranstalteten Bundesschießen
der sportliche Volksfestcharakter immer stärker in den Vordergrund,
vergleichbar mit dem Neustadter Vogelschießen, das wahlweise als
Volksfest, Hauptschießen oder Vogelschießen bezeichnet wird.
-43 –
Scheibe von 1906
Motiv: Mädch&n mit Münchner Kindl
Karikatur: „Zentrum ist Trumpf“
Zur Erinerung an das 15. Deutsche Bundesschießen
in München Juli 1906
Gegeben von den Teilnehmern G. Reinhardt, K. Töpfer, Gottl. Herold
H. Emerling, B. Bosecker, Chr. Süssengut,. E. Süssengnt, G. Scheler
G. Langbein, J.Greiner, E. Tittel
Gewonnen von Gottlieb Herold
Gemalt von Karl Arnold
-44-
Scheibe von 1888
Motiv: Eichenlaub mit Fahnen, Gewehren und Schützenhut
Gegeben von Otto Waldeck zum Hauptschießen 1888
Gewonnen von B. Pfeifer, Sanket Georgen-Bayreuth
Gemalt von J. Greiner
Eine Scheibe aus dem Jahr 1888 mit eindeutig preußisch-nationalistischem Charakter:
Eichenlaub und schwarz-weiße-rote Fahne.
Nach der Reichsgründung 1871 kommt es zunächst zu einer Stagnation bei den
vaterländischen Vereinen. Sowohl katholische als auch Arbeitervereine spalten
sich in der Vereinslandschaft ab, und bilden eigene Milieus, und auch innerhalb
der vaterländischen Vereine zeigen sich Richtungskämpfe zwischen der überwiegenden
Mehrheit der Vereinsmitglieder, die eine unpolitische Geselligkeit
-45 –
suchen, und den Vereinsleitungen und einem radikal-nationalmilitärischen Flügel,
denen die „zivihisatorische Überfeinerung und Verweichlichung des ‚deutschen Mannes’
in der Geselligkeit und in der Ausbreitung des Sportschießens viel zu
weit geht.
Bereits in den 1880er-Jahren gibt es erste Warnungen aus dem Deutschen
Schützenbund vor einem Nachlassen der wehrhaften Elemente im deutschen
Volk. Um dagegen anzugehen fordert der Schützenbund unter anderem auch
die Einbeziehung der Schützen in die Wehrverfassung der deutschen Länder,
und greift damit wieder den Gedanken der Volksbewaffnung aus der Zeit der
Revolution auf. Im Schießsport soll wieder vermehrt der Kampf mit dem Militärgewehr
unter Gefechtsbedingungen eingeführt werden, auf der anderen Seite
soll die zunehmende Zahl der Festbälle, Kommerse und anderer geselligen Veranstaltungen
vermindert werden, da sie der „Kriegstüchtigkeit“ schaden.
Die Mehrheit innerhalb des Schützenbundes wehrt sich jedoch gegen diese Kritik
einer radikalisierten Minderheit. Auch wenn sie politisch den nationalistischen
Zielen zustimmen, möchten sie aus ihrem Privatleben den militaristischen
Ton doch heraushalten.
1903 wird auf dem Hannoveraner Schützenfest immerhin als besonderes Schie-
Ben ein Wettbewerb mit dem Militärgewehr auf eine Militärgewehrfestscheibe
abgehalten, wobei das den Kritikern wieder nicht weit genug geht. Das Militärgewehr
muß in den normalen Ablauf eines Schießwettbewerbs eingegliedert
werden! Und weil das Militärgewehr nicht so treffsicher ist wie die Schützengewehre,
sollen die Militärgewehrschützen einen Punktvorteil erhalten. Diese
Ansicht kann sich aber nicht durchsetzen.
In Neustadt zeigen schon während der Revolution von 1848 die Schützenscheiben
über die Jahre hinweg gleichbleibend herzogstreue Motive. Die Bindung an
das Herzogshaus Sachsen-Coburg und Gotha bleibt bis zum Ende des Ersten
Weltkrieges erhalten, und auch umgekehrt ist das Herzogshaus mit der Privilegierten
Schützengesellschaft eng verbunden. So kann Herzog Carl Eduard als
Schirmherr der jährlichen Volksfeste gewonnen werden, das er aus Anlaß des
1911 gefeierten 325-jährigen Jubiläums der Schützengesellschaft, damals noch
mit dem Jahr 1586 als dem Jahr der Ersterwähnung, mit seiner Gattin besucht.
Vom Direktorium der Schützengesellschaft geht jährlich eine Einladung an den
Herzog, in der auf die besonders enge Bindung zwischen Gesellschaft und Herzogshaus
hingewiesen wird, wie im Jahr 1906:
“Königliche Hoheit,
durchlauchtigster gnädigster Herzog und Herr!
Der ganz gehorsamst unterzeichnete Vorstand der Schützengesellschaft Neustadt bittet alleruntertänigst,
Ener Königl. Hoheit wolle in Gnaden geruhen, nachstehender alleruntertänigster
Bitte gnädigst willfahren zu wollen.
Am 4. April nachsten Jahres
-46 –
werden es nach den in den Händen der Schützen-Gesellschaft Neustadt sich befindenden
handschriftlichen Urkunden 320 Jahre, daß Ener Königl. Hoheit hoher Urahne, Herzog Johann
Casimir derselben als der ältesten Schützen-Gesellschaft im Coburger Lande Privilegien
gewährte, die heute noch zu Recht bestehen.
Das eigenhändig geschriebene, von dem in Gott ruhenden Herzog Johann Casimir verfaßte
Handschreiben spricht von dem Geiste, den die hohen Landesfürsten, die ihm in der Ausübung
der Regierung in den Coburger Landen folgten, bis in die Jetztzeit bestätigten.
Euer Königl. Hoheit unseres allverehrten Herzogs und Herm Hochseliger Onkel, weil. Herz0g
Ernst Il., hatte gleich seinen Vorgängern die Gnade, der Schützen-Gesellschaft Neustadt
als Hoher Protektor vorzustehen. Getragen von der traditionellen innigen Liebe und Verehrung,
erfüllt von unwandelbarer Treue zu Euer Königl. Hoheit und in Bezugnahme auf die
historische Vergangenheit der Schützengesellschaft Nenstadt gestattet sich der gehorsamst untertänigste
Vorstand, Ener Königl. Hoheit ihren gnädigsten Herzog und Herrn alleruntertänigst
zu bitten, Hochderselbe wolle als ein Zeichen seiner Huld und Gnade, gleich seinen in
Gott ruhenden Vorfahren in der Regierung, das Protektorat über die Schützen-Gesellschaft
Nenstadt übernehmen.
Mit aller Ehrfurcht
und Ergebenheit
der Vorstand der Schützen-Gesellschaft Neustadt
Gustav Reinhardt Carl Eckardt
Schützenmeister Cassier
Gottlieb Herold Chr. Bechmann Emil Vebelhack
I. Beisitzer II. Beisitzer II. Beisitzer.”
Die Regierung Seiner Königlichen Hoheit teilt daraufhin mit, daß der Herzog
durchaus bereit wäre, die Schirmherrschaft zu übernehmen, sie “ersuchen aber zuvor
um dortseitige Stellungnahme.” Welchen Ruf genießt die Privilegierte Schützengesellschaft
Neustadt bei den dortigen Behörden? Die Antwort fällt zufriedenstellend
aus, das Staatsministerium kann dem Geheimen Kabinett mitteilen:
“Ergebenst geruhe mit dem Bemerken daß wir nach der angesehenen Stellung der Schützengesellschaft
im bürgerlichen Leben der Stadt und bei ihren traditionellen Beziehungen zur
Landesherrschaft die Übernahme des Allerhöchsten Protektorates befürworten zu dürfen
glauben.
Coburg 12. April 06
Herzog. Staatsministerium.”
Endlich kann das Geheime Kabinett in Coburg am 14. April 1906 den Schützen
die erfreuliche Mitteilung machen:
-47 –
“Der Schützengesellschaft Nenstadt teilt das Geheime Kabinett auf das gefällige Schreiben
sehr ergebenst mit, dass Seine Königliche Hoheit der Herzog gnadigst beschlossen haben das
Protektorat als der ältesten Schützen-Gesellschaft Thüringens zu übernehmen.
IV.
gez. von Schack.“
Worauf die Schützengesellschaft am 18. April ihren innigsten Dank ausdrückt:
„Im Auftrag der Gesellschaft bittet der ganz gehorsamst unterzeichnete Vorstand, den tief-
‚gefühltesten, innigsten Dank für den hohen Beweis der Ehre und Gnade entgegennehmen zu
wollen und zwar mit der Versicherung der durch Jahrhunderte erprobten unverbrüchlichen
Liebe und Ergebenheit zu unserm Hohen Landesfürsten, zu Euer Königl. Hoheit ihrem
allergnädigsten Flerzog und Herrn und dem ganzen Hohen Herzogl. Hanse
In tiefster Ehrfurcht und Ergebenheit
der Vorstand der Schützengesellschaft
Gustav Reinhardt
Schützenmeister.”
Herzog Carl Eduard und Gattin besuchen das Schützenfest im Jubiläumsjahr
1911.
-48 –
Auch wenn ein Besuch des Herzogspaares nicht möglich ist, bleibt das herzliche
Einvernehmen zwischen den Schützen in Neustadt und ihrem Herrscherhaus
ungetrübt. Am 31. Juli 1913 antwortet das Geheime Kabinett auf die jährliche
Einladung zum Schützenfest:
‘Ihre Königlichen Hoheiten der Herzog und die Frau Herzogin lassen der Schützengesellschaft
Neustadt für die freundliche Einladung zu dem vom 13. bis 18. August d.]s.
stattfindenden Schützenfest aufrichtigen Dank hierdurch übermitteln und bedauern wegen bereits
anderweitig getroffener Dispositionen dem Feste nicht beiwohnen zu können.
Das Hohe Paar laßt einen guten Verlauf des Festes wünschen.’
Die besondere Bindung an das Herrscherhaus hält bis lange nach der Revolution
von 1918, in der das Herzogshaus Sachsen-Coburg und Gotha wie alle
übrigen deutschen Herrscherhäuser auch zum Abdanken gezwungen wird. Sie
übersteht auch das außergewöhnlich aktive Engagement Carl Eduards für die
völkische Sache, und endet erst mit dem Tod des ehemaligen Herzogs im Jahr
1954.
‘Ihre Königliche Hoheit!
Die Neustadter Schützen betrauern auf das Tiefste das Ableben Ihres Herrn Gemahl,
unseres hochverehrten, hohen Protektors
Seiner Königlichen Hoheit
Herzog Karl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha
und versichern Ihnen und Ihren hohen Angehörigen unser aufrichtigstes Beileid.
Priv. Schützengesellschaft
von 1533 Neustadt bei Coburg
Die Direktion’>!
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges macht den Schützenfesten vorübergehend
ein Ende, und nach Niederlage und Revolution 1918 gibt es kein regierendes
Herzogshaus mehr. Die vaterländisch-nationale Haltung der Schützengesellschaft
wird auf eine neue Herrschaft ausgerichtet.
-49
„lediglich … unvorsichtiges Benehmen …“
Die Schützengesellschaft Neustadt gibt den Behörden im Jahr 1880 Anlaß, die
Sicherheitsbestimmungen für Schießanlagen im Coburger Teil des Herzogtums
überprüfen zu lassen. Ursache ist ein Schießunfall, bei dem der vierzehnjährige
Zieler Heinrich Hutschgau tödlich getroffen wird.’? Der alarmierte Neustadter
Gendarm Fischer meldet den Vorfall an das Gendarmerie-Kommando in Coburg:
„Gendarmerie des Herzogthums Coburg
Station Neustadt 9. Angust 1880
Meldung des Gendarmen Fischer an das herzogl. Gd. Kommando zu Coburg
Heute abend 46 Uhr hat der Bäckermeister Friedrich Horn von Neustadt, den Zieler
Heinrich Hutschgan von Neustadt, auf dem Scheibenstand N. II erschossen. Die Kugel
drang unter den rechten Arm ein und ging aus der linken Seite des Halses wieder heraus.
Der Zieler Heinrich Hutschgau ist der Sohn des Kreisers und ebenfalls Zielers Ednard
Hautschgan und ist 14 Jahr alt.
Friedrich Horn hat bereits einen Selbstmoraversuch gemacht indem er in den Fluß sprang, wo
er jedoch wieder heraus gefischt wurde.
Horn konnte nicht verhaftet werden indem derselbe 2.2. unzurechnungsfähig ist.
Solches bringt pflichtschuldigst zur Anzeige
Fischer Gendarm.“
Nach ausführlicheren Untersuchungen heißt es schließlich über die Gründe:
„Neustadt am 16. Ang. 1880
der Magistrat
berichtet auf hohe Signatur-Verfügung v. 11. d.Ms. A3401 daß die Erschießung des Zielergehülfen
Heinrich Hutschgan ledighich nur durch unvorsichtiges Benehmen von Seiten des
Bäcker Friedr. Horn herbeigeführt worden ist, wie aus den desfalls stattgefundenen gerichtlichen
Verhandlungen des Nähern zu ersehen sein wird.
Im Allgemeinen trifft die hiesige Schützengesellschaft wohl kein Vorwurf, indessen möchte
doch die von dem Herzogl. Amtsgericht ertheilte Auskunft beachtungswerth erscheinen u. auf
Grund derselben die nöthige Instruction zu ertheilen sein, annoch einige Sicherheitsmaßregeln
zu treffen, welche geeignet sind, etwa zu besorgenden Nachtheilen auf entsprechende Weise vorzubeugen.
Das Ausgraben u. Ebnen behufs Herstellung einer freien Schießbahn ist hente erfolgt u. wird
man unvergessen sein, nach Rückkunft des hier beiliegenden Actenblattes weitere sachgernäße
Anordnung zu treffen, daß die noch bestehenden Mängel demnächst gehörig beseitigt werden.
Ebhrfurchtsvoll zeichnet
Der Magistrat.“ - 50 –
Von der Regierung in Coburg wird der Magistrat Neustadts angewiesen, für die
erforderlichen Verbesserungen im Sicherheitswesen der Schützengesellschaft
Sorge zu tragen, was der Gesellschaft auch umgehend mitgeteilt wird. Auf die
sofortige Umsetzung der Baumaßnahmen wird wegen der bereits beendeten
Schießsaison verzichtet.
„Neustadt am 17. Octbr. 1880
der Magistrat
hat unter abschriftlicher Mittheilung der amtsgerichtlichen und staasanwalischaftlichen
Aeußerung vom 15. Ang. ds. Js.
‚fol 2-3b und
fol 5-6
der beigeschlossenen Acten den Vorstand der hiesigen Schützengesellschaft bedeutet, dafür zu
sorgen, daß die zur Sicherung des Zielers und des Publikums erforderichen Maßregeln
baltigst getroffen werden.
Nach eingelaufenem Bericht und daraufhin bewirkte Augenscheinnahme sind nunmehr alle
gerügten Mängel beseitigt worden, nur das Terrain zwischen den Schießständen und Scheiben
ist beiderseitig noch nicht umzäunt, es ist jedoch die Ausführung für den Frühling des nachsten
Jahres in Aussicht genommen und wird bis dorthin wohl umso mehr Frist erhteilt werden
können, als die heurigen Schießübungen bereits zu Ende geführt sind.
Solches berichtet in Befolgung des hohen Ministerialdecrets vom 11. d.M. andurch_ehrerbietigst.
Der Magistrat.“
Das Ministerium in Coburg unterrichtet sicherheitshalber auch die Gendarmeriestationen
des Herzogtums, die zu ermitteln haben, wo im Herzogtum
Schießstände bestehen, und ob sie den Sicherheitsanforderungen “für die Schützen,
die Zieler und das Publikum” auch entsprechen. Die eingehenden Berichte
zeigen ein recht desolates Bild. Über den Schießstand in Königsberg heißt es
am 15. August 1882:
“. die Kugeln fliegen in der Richtung gegen den Flügel, auf welchem — links vom Schießstand
etwa 30m entfernt — die Straße nach Altershansen führt. Der einzige Schutz, der vorhanden
ist, besteht in einer Schießmaner, 10 Fuß hoch und vielleicht 15 Fuß breit.”
(= 3m hoch und 5m beit)
In Rodach besichtigen Bürgermeister Götz und Gendarm Fischer am 11. November
1881 den Schießstand, der sich östlich der zur Jägersruh führenden
Straße, außerhalb der Stadt gegenüber der Lohmühle befindet.
‘Die Schießmauer, vor welcher die Scheiben aufgestellt werden, ist nach der vom Gendarm bewirkten
Abschreitung 270 Schritte vom Schießhaus entfernt, etwa 3Vzm hoch und so breit
wie der Schießstand, der für drei gleichzeitig schießende Schützen eingerichtet ist. Der Zieler
ist durch eine Mauer aus Erdreich gedeckt. Hinter der Schießmaner führt ein Feldweg vorbei,
jenseits dessen sich ein Hügel mit Ackerfeld erhebt, in welches die Kngeln einschlagen, wenn - 51 –
sie unmittelbar über der Schießmauer hinfhegen. (…) Es ist dem Bürgermeister empfohlen
worden, zu veranlassen, daß die Schießmanuer noch um einen Meter erhöht und verbreitert …”
Die “Stiftung der Jubilare von 1914”
Die Schützengesellschaft als Einrichtung der Neustadter bürgerlichen Gesellschaft
ist auch für Nichtschützen interessant, und wird von ihnen nach Kräften
unterstützt. Im Jahr 1914 begehen einige Jubilare ihre fünfundzwanzigjährige
passive Zugehörigkeit zur Schützengesellschaft, indem sie eine Stiftung gründen,
deren Ziel die Förderung des Schützenwesens in Neustadt sein soll. Ihrer
Stiftung, die sie mit 400.- Mark Kapital ausstatten, geben sie den Namen „Sıftung
der Jubilare von 1914“.
In Paragraph 2 wird der Sinn der Stiftung festgelegt:
“f 2 Der Abwurf des Stiftungskapitals soll alhährlich zu Schiesspramien nnd zwar für
Freihand und Auflage je zur Hälfte Verwendung finden, mit der Bestimmung, dass diese
Prämien jedes Jahr an dem dem 25. Mai zunächst liegenden Schiesstag ausgeschossen werden
sollen. Anspruch darauf haben nur aktive Mitglieder der Schützengesellschaft Neustadt.”
Die Verwaltung der Stiftung wird dem Gesamtvorstand der Schützengesellschaft
übertragen, und auch für Krisenzeiten ist vorgesorgt: Sollte es über längere
Zeit keine Schießübungen geben, sollen die Zinsen dem Kapital zugeschlagen
werden. Sollte gar, schlimmste aller Eventualitäten, die Schützengesellschaft
aufgelöst werden, soll das Kapital der Stadt übergeben werden, “zu Fleisspramien
für arme Schulkinder hieisger Stadt”.
Nur eine Möglichkeit haben die Stifter nicht in Betracht gezogen. Nachdem das
Deutsche Kaiserreich über eine äußerst stabile Währung verfügt, hätte sich
wohl keiner der Stifter träumen lassen, daß ihre wohlgemeinte Stiftung bereits
zehn Jahre später der Inflation zum Opfer gefallen ist. Eine Rückfrage bei den
Vereinigten Coburger Sparkassen ergibt im Jahr 1965, daß ein Konto Nr. 4147
nicht mehr besteht:
‘Es wird angenommen, daß das Sparbuch bereits bei der 1. Inflation des Jahres 1923 untergegangen
ist.
Eine Aufwertung im Jahre 1947 ist auf Grund der Listenüberprüfung durch die Sparkasse
nicht erfolgt.
Neustadt b. Coburg, den 5.11.1965.“
Die Stiftungsmitglieder sind:
Ernst Süssenguth, Bernhard Werner, Christian Rechmann, Hermann Emmerling,
Richard Oberender, Emil Patzschke, Julius Greiner, Carl Bauer, Carl
Derra, Ferdinand Mauer, Leopold Mauer, Gustav Müller.>3
-52 –
Scheibe von 1930
Maße: ®& 70 cm
Erinnerung an die furchtbare Teuerung im Jahre 1923
Erst der 6. Dezember brachte vom Norden die Nachrichten, dass Fleisch
Im Preis bis 30% gesunken ist.
Die Straßen wurden sehr belebt und alles atmete auf.
Gegeben zum Hauptschießen 1930 von Eugen Greiner, Lauscha
Gewonnen von Louis Ebert, Suhl.
Diese Scheibe wurde bereits 1923 von Ludwig Huber aus Kitzingen entworfen,
der sie auch patentieren ließ, und in den folgenden Jahren an verschiedene
deutsche Schützenvereine verkaufte. In Neustadt wird sie erst 1930 ausgeschossen.
Eine weitere Scheibe existiert bei der Schützengesellschaft Coburg,
dort allerdings etwas kleiner im Durchmesser (65,3cm).5* - 53 –
Scheibe von 1992
Motiv: Wiedereröffnung der Bahnlinie
Neustadt bei Coburg – Sonneberg 1991
Königsscheibe 1992
Gegeben von Günther Thoenissen
Gewonnen von Peter Wittig
-54-
Die Schützengesellschaft in der Krise
Der verlorene Krieg stürzt Deutschland in eine tiefe politische und wirtschaftliche
Krise. Politisch ist es ein Schock für die monarchistischen und konservativen
Kreise im Reich, die sich mit der Republik nicht abfinden und den Regierungsantritt
der Sozialdemokratie nicht akzeptieren können. Auf der anderen
Seite stehen Sozialisten und Kommunisten, die endlich die Gelegenheit ergreifen
wollen, um ihre Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft zu verwirklichen.
In Neustadt gerät die Schützengesellschaft Mitte der Zwanziger Jahre in ein gefährliches
Fahrwasser. Nachdem der Fabrikant Hermann Steiner 1924 den Vorstand
der Gesellschaft übernommen hat, verengt sich der gesellschaftliche und
politische Spielraum der Schützengesellschaft auf strikt konservative und militaristische
Vorstellungen.
Daneben ist Hermann Steiner auch verantwortlich für den Ausbau des Schützenhauses.
‘In der Schützengesellschaft Neustadt war ich seit 1924 erster Schützenmeister bezw.
Direktor und habe als solcher das Schützenhaus Neustadt in den Jahren 1924/25 zu seiner
heutigen Gestalt umgebaut, was von allen Seiten als ein anerkennenswertes und mutiges Unternehmen
für die damaligen Zeitverhältnisse gewertet worden war. Dieser Umbau kostete damals
eine nicht geringe Summe Geldes und damit eine Schuldverpflichtung, deren Verzinsung
und Rentabilität ohne weiteres gewährleistet gewesen ist durch die vielen Mieten der Vereine.
Hinzu kamen die Saalvermietungen in Verbindung mit Volks-, Schützen- und Kinderfesten,
sodass trotz der inneren Schuldenhöhe ein ständig ansgeglichener Etat zu verzeichnen
gewesen ist. ‘®>
Mit seiner Einschätzung, daß der Umbau wirtschaftlich tragbar gewesen sei,
und allgemein anerkannt und begrüßt worden wäre, liegt er nicht ganz richtig.
Sein radikal nationalsozialistischer Kurs, er war bereits 1925 in die NSDAP eingetreten,
bringt die sozialdemokratische und kommunistische Mehrheit der Bevölkerung
Neustadts gegen ihn auf. Für die Privilegierte verheerend ist die
Instrumentalisierung der Schützengesellschaft für parteipolitische Zwecke.
Überall, wo die Neustadter Schützen in der Öffentlichkeit auftreten, zeigen sie
auf Anordnung ihres Direktors ihre stramm antidemokratische Haltung. Natürlich
steht Hermann Steiner nicht allein mit seinen Anschauungen in der Schützengesellschaft.
Sein Nachfolger als Direktor, Anton Rossa, kann als Obersturmbannführer
in einem Brief an Oberstfeldmeister Hochrein vom Reichsarbeitsdienst
am 19. Juli 1939 stolz darauf verweisen, daß die Privilegierte Schützengesellschaft
in ihrer frühen Treue zu Adolf Hitler und seiner Bewegung
kaum ihresgleichen in Deutschland finden würde. Die Schützengesellschaft “hat
schon bereits in den Anfangsjahren der Entstehung des Nationalsozialismus offen und
rückhaltlos zum Führer bekannt, was beweist, das ans ihr nicht weniger als 29 goldene
Eihrenzeichenträger hervorgegangen sind, was wohl kein ähnlicher Verein im ganzen Reiche
aufweisen dürfte. Ich möchte hiermit besagen, daß die Gesellschaft, deren Führer ich bin, - 55 –
streng im Sinne der gestellten Aufgaben eines Schützenvereins arbeitet und alle sonst spießbürgerlichen
’V ereinsmeierei streng von sich weist.
Ich als Führer dieser Gesellschaft bin bereits 20 Jahre Mitglied der Partei, Träger des Blutordens,
des goldenen Ehrenzeichens und des Coburger Ehrenzeichens, woraus Sie schließen
wollen, daß wir in diesen oben angegebenen Tagen nicht nur eine Feier im üblichen Sinne
halten, sondern im wahrsten Sinne des Wortes nationalsozialistische Aufbanarbeit_ betreiben.
’”°
Das Goldene Ehrenzeichen, das Rossa erwähnt, wurde vergeben für eine Mitgliedsnummer
der NSDAP unter 100.000, die den Eintritt in die Partei vor
1925 bedeutete. Der Blutorden, den Rossa selbst tragen darf, wurde für die
Teilnahme am Putschversuch am 9. November 1923 in München vergeben.
Die Schützengesellschaft ist im Kern also durchaus eine nationalsozialistische
Gesellschaft, und wer diese politische Richtung nicht unterstützen will, muß
sich einen anderen Verein suchen.
Gelegenheiten für politische Auftritte der Schützengesellschaft ergeben sich
etwa bei Besuchen auswärtiger Schützenfeste, wie in Steinach.
“Als Protest dagegen, daß ein Sozialdemokrat die Festrede hielt, blieb Steiner mit seinen
Schützen unten in der Wirtschaft sitzen und hat sich dagegen aufgelehnt, obwohl bekannt
war, daß Lärtz ein überall geachteter Mann war und während seiner Rede kein Wort von
Politik erwähnte.””’
Hermann Steiner selbst sagt über die Jahre der Weimarer Republik in einer
Rede 1935 im Schützenhaus:
„Hier in diesem Raum entbrannten die ersten Kämpfe und in diesem Raume entschieden sich
zum ersten Male die Geister hiberaler und revolutionärer Prägung und ausgerechnet der
Leistung der Schützengesellschaft war es beschieden, diesen revolutionären Geist in einem
Masse zu vertreten und zu verkörpern, dass schliesslich aus diesem Neustadt eine der ersten
nationalsozialistischen Hochburgen geworden ist. Weit im Umiereis konnte man nicht ähnliches
von dieser Stosskraft des Nationalsozialistischen Kampfgeistes sagen, selbst Coburg, –
von Sonneberg gar nicht zu reden, -verblasste gegenüber diesem Elan, wie er aus diesen Reihen
der Neustadter Schützengesellschaft herausgetragen worden ist.
Ich erinnere nur an einige Episoden dieses Kampfes, wo die Schützengesellschaft bereits damals
konsequent und klar die Ziele unseres Führers vertrat. Ich erinnere an die Episode bei
dem Jubiläums-Schiessen in Steinach, ich erinnere an das Jubiläumsschiessen in Schleusingen
und so gibt es eine Unzahl von Daten, wo gerade dieser Geist von hier aus seine Saatkörner
auch über die Grenzen Nenstadts aussäte, damit die Idee unseres geliebten Führers immer
mehr um sich griff und es ist weiterhin eine nicht stark genng hervorzuhebende Tatsache, dass
es ebenfalls diesem Kreis aus der Nenstadter Schützengesellschaft gelungen ist, unseren Führer
erstmalig hier nach diesem verhältnismässig kleinen Ort bereits im Jahre 1927 zu bringen.
Der erste grosse Aufmarsch der Idee unseres Führers, der Frankentag von damals, er war nur
möglich, weil die Schützengesellschaft mit ihren Möglichkeiten alles gab, was zu seinem Gelingen
den Ausschlag gegeben.
Und so sind wir bestimmt als Schützengesellschaften, es ist nicht vermessen und übertrieben,
wohl als die ersten Voorkämpfer, von hier aus gesehen, zu betrachten und wenn der Begriff,
2
alter Kampfer zu sein, eine Berechtigung hat anerkannt zu werden im heutigen Staate so
kann das, korporativ gesehen, die Schützengesellschaft Neustadt für sich in Anspruch nehmen.
Wer kann sich nicht der Kämpfe erinnern, die auf dem Neustadter Rathaus sich abspielten,
wo es darum ging, alle Belange und Bestrebungen der Schützengesellschaft systematisch
zu sabotieren und zu unterdrücken, dass der weitaus grösste Teil der Neustadter Bevölkerung
und ihrer vielen Schattierungen dieses Fans peinlichst gemieden hat; man hat es
boykottiert, man hat seinen Ruin vorausgesehen; man hat sein Domizil in der Jagersruh aufgeschlagen.
‘°®
Für Steiner ist der Besuch Adolf Hitlers’in Neustadt der Höhepunkt seiner politischen
Tätigkeit. Nach langen Verhandlungen und Anfragen bei den Parteidienststellen,
und tatkräftig unterstützt vom späteren Coburger NS-Bürgermeister
Schwede, gelingt es ihm, 1927 einen Besuch des Führers in Neustadt zu
organisieren, dessen zentrale Veranstaltung selbstverständlich im Schützenhaus
abgehalten wird.
Mit ihren nationalistischen und teilweise auch militaristischen Tendenzen stehen
die Neustadter Schützen nicht alleine. Die Verbindung des Schießsports mit
dem Gedanken des wehrhaften Volkes ist weit verbreitet, wie in Seßlach im
heutigen Landkreis Coburg, wo im Jahr 1927 der vor vierzig Jahren eingegangene
Schützenverein wiederbelebt wird. Dieser Schützenverein hat sich
„zum Liel gesteckt, unsere heutige Jugend zu wehrhaften Männern heranzubilden.“
Im Zeitungsbericht über die Eröffnungsfeier in Seßlach heißt es:
„Wenn Sie die Statistiken des Deutschen Schützenbundes in den letzten Jahren verfolgen, so
werden Sie sehen, daß die Schützenvereine und Schützengesellschaften in den letzten Jahren
sowohl an Zahl, wie an Umfang erheblich zugenommen haben. Und das ist gut so. Sind doch
gerade die deutschen Schützenvereine neben den vaterländischen Verbänden, neben Tum=,
Sport= und Kriegervereinen am meisten dazu berufen, den nationalen Geist zu stärken, deutsche
Sitten und deutsche Art zu pflegen und zu hegen. (…) Nun hat uns der Feindbund den
Gedanken der Wehrlosigkeit aufgedrängt und ist mit allen Mitteln gegen die deutschen Schützenvereine
Sturm gelaufen, um sie niederzuringen.“
Von der Jugend wird dementsprechend erwartet:
„Hier auf dem Scheibenstande sollen sie lernen, das Ange zu schärfen und die Fland zu stäh-
/en, sollen lernen, sich zusammenzuraffen und die Nerven zur Ruhe zu zwingen, um, wenn
sie Männer geworden sind, auch das Leben zu meistern ohne zu zucken und zu mucken
sg
Im Dritten Reich sind die Schützenvereine schließlich eingebunden in die staatlich
organisierte militärische und gesellschaftliche Aufrüstung. Als Aufgabe wird
dem Deutschen Schützenverband 1938 vorgegeben:
„1. die Wehrhaftmachung der deutschen Jugend im Schießen,
- die Wehrhafterhaltung des deutschen Mannes nach erfolgter Dienstzeit,
- die Pflege der Tradition bei den einzelnen Schützengesellschaften,
- die Vertretung Deutschlands bei internationalen Wettkämpfen.‘
5
Scheibe 1927
Maßse: 70 x 70 cm
Motiv: Befreiungskriege
Gegeben von Berthold Martin, Neustadt
Gewonnen von Director Hermann Steiner, Neustadt
Diese Schützenscheibe greift den Befreiungskrieg von 1813 auf, um ihn als
leuchtendes Beispiel für Deutschlands Auferstehung nach dem verlorenen
Weltkrieg vor Augen zu führen. Vorbild ist die militärische Tradition Preußens
und das untergegangene Kaiserreich. Diese Scheibe paßt genau zum Weltbild
des Direktors Hermann Steiner, der sie auch gewonnen hat. Bürgermeister und
Polizei in Neustadt charakterisieren ihn 1946 so:
„Auskunft des Bürgermeisters 20.9.46
“Eifriger Vorkämpfer und großer Werber für die nationalsoz. Idee.’
Auskunft der Polizei 24.9.46
“Förderer, Trommier u. Nutznießer des Systems,… ‘%‘
7
In der demokratischen und politisch eher links stehenden Neustadter Bevölkerung,
gleichgültig ob Bürgertum oder Arbeiterschaft, führt die Gleichsetzung
der Privilegierten Schützengesellschaft mit der nationalsozialistischen Bewe-
- 58 –
gung zu erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen. Das Schützenhaus als
Treffpunkt oder Veranstaltungsort für kulturelle Großveranstaltungen ist unter
diesen Umständen selbstverständlich nicht akzeptabel. Hier bietet sich die
„Jägersruh“ als Lokalität an. Problematisch wird die Spaltung der Neustadter
Bevölkerung in zumindest zwei verfeindete politische Lager durch die nicht erwarteten
Kosten des Schützenhausumbaus. Nachdem die Hyperinflation der
Nachkriegsjahre im Herbst 1923 mit der Einführung der Rentenmark gestoppt
werden konnte, beginnen die Planungen für eine Erweiterung des alten Schützenhauses
am Mupperg. Fabrikant und Direktor Hermann Steiner, dessen
eigenes Unternehmen wie die gesamte deutsche Wirtschaft wieder Tritt gefaßt
hatte, verwirklicht den Aus- und Umbau des Schützenhauses unter Anspannung
aller Kräfte der Gesellschaft. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen des
neuen Hauses beruhen auf der Annahme, daß die nach der Aufstockung vermehrte
Anzahl der Räume an Neustadter Vereine vermietet werden können,
und die Gaststätte im Schützenhaus mit Kegelbahn, Garten und mehreren
Räumen ausreichend frequentiert wird.
Das Programm zum Fest-Kommers der feierlichen Eröffnung 1925 sieht der
Zeit und der Haltung der Schützendirektion entsprechend Vaterländisches und
Militärisches vor:
„Fehrbelliner Reitermarsch v. Henrion
Jubel-Ouvertüre
Prolog, gesprochen von Fri. Helma Schubert, verfaßt von Herrn Geheimrat Oscar Arnold
Lebendes Bild
Massenchor, Gothenzug
Begrüßungs- und Weiherede, Hermann Steiner
Ehrung
„Armeemarsch No. 9 Herzog von Braunschweig
Keulenschwingen mit Schrittwechseln
PAUSE
Deutschland über alles (Patriotisches Tongemälde mit Schlachtenmnsik)
Damenchor: Die Nacht
Fridericus Rex Grenadiermarsch, Armeemarsch No. 198
Barbarossa
Radkunstfahren vom Radfahrerverein 1 Neustadt
Marsch: Unter Flindenburg‘®
-59 _
Schützenauszug 1925 anlässlich der Schützenhauseinweihung.
-60 –
61.
Scheibe 1925
Die Scheibe zeigt das neu umgebaute Schützenhaus am Schützenplatz
Gemalt von Fritz Ulrich, Leiter der Industrieschule
Zur Schützenhausweihe der Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg
Gewidmet von Fritz Ulrich zu Pfingsten 1925, gewonnen von Paul Krieg.
-62-
ill
|
l N
! ‚ll
Das Söhützenhaus um 1890.
ll
Nach einigen Jahren stellt sich jedoch heraus, daß der Neubau die tatsächlichen
Möglichkeiten der Schützengesellschaft weit übersteigt. Jahr um Jahr steigt
die Verschuldung, sowohl bei den Banken, als auch bei der Reichelbräu in
Kulmbach, mit der ein Bierliefervertrag abgeschlossen wurde. Auch ohne Boykott,
wie umfangreich er auch immer gewesen sein mag, wäre der Umbau für
die Privilegierte vermutlich nicht zu meistern gewesen. Erst recht, als sich die
wirtschaftliche Lage in der Weltwirtschaftskrise drastisch verschlechtert, etliche
Unternehmer in Neustadt in Schwierigkeiten geraten, und die Zahl der Arbeitslosen
in der Stadt nichtgekannte Ausmaße erreicht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschreibt ein Zeuge die Situation 1924, wie alle
Fabrikanten sei auch Steiner durch die Masse an Inflationsgeld größenwahnsinnig
geworden, “und gab so, als 1. Schützenmeister der Schützengesellschaft Neustadts
den Anlaß, zu dem zum Ruin führenden Plan des Ansbaues des Schützenhanses Neustadt,
den Anlaß. Herr Steiner hatte nun als 1. Schützenmeister der Schützengesellschaft Neustadt
von Anfang an jeden Anlaß benutzt, um seinen übertriebenen Nationalismus in jeder Weise
zur Geltung zu bringen. Bei jeder Schützentafel und bei jeder Deputation machte er reichlich
Gebrauch davon. So waren seine Leitsätze: “Üb‘ Aug und Hand für’s Vaterland” und
“Volk ohne Wehr, Volk ohne Ehr” seine Schlagworte.’
Hermann Steiner, Fraktionsvorsitzender der NSDAP im Neustadter Stadtrat,
gerät bereits vor der nationalsozialistischen Machtergreifung wegen undurchsichtiger
unternehmerischer Machenschaften in Gegensatz zu seiner Partei. Um
seine Firma, die Puppen und Puppenteile herstellt, vor dem Ruin zu bewahren,
nimmt er unter anderem auch Verbindung mit einem jüdischen Fabrikanten aus
Fürth auf, der in Großbritannien ein Zweigwerk betreibt. Dort will er Teile seiner
Puppen produzieren und die Puppen schließlich fertigstellen lassen.
Mit diesem Vorgehen hat er sich der „Verschleppung der Industrieproduktion ins
Ausland“ schuldig gemacht, in den Augen seiner Parteigenossen dazu noch ausgerechnet
mit einem jüdischen Fabrikanten.
Als dies in der Region bekannt wird, fällt natürlich die gesamte linke Presse
über die Neustadter NSDAP her, die Steiner schließlich 1932 ultimativ auffordert,
entweder selbst aus der Partei auszutreten, oder ausgeschloßen zu werden.
Steiner tritt aus, bemüht sich aber nach dem Regierungsantritt Adolf Hitlers
immer wieder vergeblich, in die Partei zurückkehren zu dürfen.
Im Coburger Volksblatt wird am 12. Juli 1932 in einem anonymen Artikel die
Affäre besprochen:
‘Der geistige Führer der Neustadter Nationalisten, der langjährige Wortführer der
NSDAP, der Neustädter Gründer und durch seine Tätigkeit im Stadtrat hinreichend
berühmt gewordene Fabrik- und ehemalige Geflügelfarmbesitzer Hermann Steiner hat neben
der Erfindung einer künstlichen Hand während des Krieges in der Nachkriegszeit das lebende
Steiner’sche Ange erfunden. Trotz in- und ausländischer Patente war kein rechtes Geschäft
zu machen.
-64 –
Was nun ein richtiger Nazi ist, der findet Mittel und Wege. Also trotz Autarkie und ]udenfresserei
— Verbindung mit dem Juden und Verschleppung der Spielhvarenproduktion ins
Ausland.
Die deutsche Spielzeugfabrikation, in Sonderheit die Puppenindustrie, ringt auf Leben und
Tod um ihre Existenz. Hunderte, ja mehr als tausend fleißige Arbeiter unserer Stadt müssen
seit Jahr und Tag diesen Kampf anfs bitterste auskosten.
In dieser Zeit brachte es Herr Steiner, der große Mann im letzten Neustädter Stadiparlament,
nach dessen Namen die ganze Nazi-Fraktion benannt wurde, fertig, die Auswertung
seiner Erzeugnisse durch seinen Sohn und einen weiteren Facharbeiter in London Firma
Cohnstamm — vorzunehmen. Dieser große Wirtschaftsverrat, diese offensichtliche Schädigung
Neustädter Fabrikanten, hat nun einigen der sonst in der Nazi-Partei so rührigen Fabrikanten
die Augen geöffnet, was auf die Hitlerische Lesart “national”, “judenfrei” und Gemeinnulz
geht vor Eigennutz heißt.
Durch eine Reihe von Anfragen im “Tageblatt für Neustadt” an Steiner seiner Partei konnte
die Klärung nicht herbeigeführt werden. Die sonst so schreibfreudige NSDAP Nenstadts —
schwieg.“
Die Lösung kann die NSDAP letztendlich nach Hinzuziehung des Parteischiedsmannes
Förster erreichen. Steiner geht, oder, wie das Volksblatt
wiederum schreibt:
“Steiner scheidet aus der Nazi-Partei aus, um treuer Hitlerianer zu bleiben.”*
Bei der erwähnten Firma Cohnstamm handelt es sich um Julius Kohnstam,
Aylesbury, und Emil Kohnstam in Fürth.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur versucht Steiner hingegen,
seinen erzwungenen Parteiaustritt als Beweis seiner Gegnerschaft zum Regime
darzustellen.
Bis 1936 kann sich Hermann Steiner an der Spitze der Schützengesellschaft
Neustadt halten, bevor er wegen zunehmender Differenzen mit Bürgermeister
Schubart gezwungen wird, auch dieses Amt, „meine letzte öffentliche Position“, wie
er es nennt, aufzugeben.
Der Kreis aktiver Schützen bleibt während der letzten Jahre der Amtszeit Hermann
Steiners überschaubar. Zu den angesetzten Übungsschießen und Deputationen
erscheinen oft nur wenige Mitglieder.
Übungstage 1935:
Anschießen Sonntag 14. April / Übungsschießen: 29.4; 135,5.27.55 11:6; / Anschießen
Mtg. 24. Juni Steinach-Kulmbach-Marktzeuln-Weidhausen / Übungsschießen
- Juli / 15. Juli Sonnberg-Eisfeld-Lauscha-Rodach-Schalkau-Coburg
/ Anschießen 5. August / Hauptschießen Neustadt 8.-12. August / Übungsschießen- September / 16. September / Abschießen 29. September.
Am Anschießen nehmen elf Schützen: Steiner, Schuhmann, Wenzel, Knauer,
Reinhardt, Elsner, Witter, Faber, Liebermann, Wohlleben und Hofmann.
Zum Übungsschießen am 8. Juli kommen nur die Schützen Schumann, Wenzel,
Eckradt, Pechtow, Süssenguth und Seyd.
in
Eine antisemitische Scheibe aus dem Jahr 1935
Maße: © 50 cm
Raus ans Dentschland mit dem Gesindel
König – Scheibe zum Flauptschießen 1935
Gegeben von Fritz Pechtold
Gewonnen von Werner Wohlleben.
Etwas mehr sind es beim Übungsschießen am 5. August:
Steiner, Schumann, Knauer, Reinhardt, Hofmann, Elsner, Schulz, Faber, Liebermann
und Wohlleben.
Zum Übungsschießen am 9. September kommen wieder nur Schumann, Wenzel,
Knauer, Eckardt, Witter, Liebermann und Wohlleben.
Das Abschießen am 29. September wird von zwölf Schützen besucht:
=bbSteiner,
Schumann, Wenzel, Knauer, Reinhardt, Umbreit, Hofmann, Witter,
Leistner, Blaurock, Eckardt O., Liebermann
Von einundzwanzig Gesellschaftsmitgliedern, die aufgelistet werden, können
nur zehn Mitglieder ihre Teilnahme am Übungsschießen am 24. Juni 1935, „17.
Uhr pünktlich” zusagen, die Übrigen werden bestimmt nicht kommen oder es ist
noch ungewiß.
Steiners Nachfolger wird der stramme Nationalsozialist Rossa, dem es gelingt,
unter Mithilfe privater Darlehen von Schützenbrüdern, das Schützenhaus und
damit die Schützengesellschaft überhaupt vor dem Konkurs zu retten.
Snbungen
Schügengejfellfchaft Neuftndt b.Cbg.
(e.D)
Tit. 1. Name, Sit, Zwed und Mittel des Vereins.
$1ı
Der zum Zwede der Uebung im Schießen, jowie zur Pflege von vater:
ländifcher Gefinnung, Ertüchtigung der deutfchen Jugend, und Förderung
der MWehrkraft des Volkes feit dem Jahre 1533 beftehende und jeit- Mai 1888 Rechtsfähigkeit bejigende Verein hat feinen Sig und Geritsjtand
hier und führt die Bezeichnung:
„Schügengejellihaft zu NReuftadt b. Coburg e. 3.“
Die Mittel des Vereins find:- der Abwurf aus dem ihm eigentümlid; gehörenden Schügenplag
Nr. 1 belegenen Grundftüd und- die laufenden Beiträge der Mitglieder.
Tit. 2. Mitgliedfhaft.
A) Einteilung der Mitgliedfchaft.
w 82
Der Berein hat aktive, außerordentliche und Ehrenmitglieder.
B) Grlangung und Endigung der Mitgliedfchaft.
83.
Die Mitgliedfhaft können nur unbejcoltene männlide Perlonen mit
arifcher Abjtammung und im Belig der ftaatsbürgerlihen Ehrenrechte
erwerben, die mindeftens das 21. Lebensjahr zurüdgelegt haben.
S4
Wer als Mitglied aufgenommen zu werden wünfjcht, bat diefes dem
Direktor fehriftlich anzumelden. Weber das Aufnahmegefuc) entjcheidet der
Direktor nadj: Anhören des gefamten Beirates. , li
Im Jahr 1933 wird eine neue Satzung der Privilegierten Schützengesellschaft
herausgegeben. Die Mitgliedschaft wird sofort auf deutsche Männer arischer
Abstammung begrenzt.
bj
iin
81.
Die
Schüpengejellfhaft e. B. Neuftadt b, Cob.
hat ihren Sit in Neuftadt b. Cob,
82.
Der Verein bezwedt die leibliche und feeliiche Erziehung feiner Mitglieder
im Geilte des nationalfozialiftiihen Voltsftantes dur; die planmäßige
Pflege der Leibesübungen, insbejondere des Schiekfports.
Der Berein lehnt Beitrebungen und Bindungen Klaffentrennender und
tonfefjioneller Art ab.
83.
Der Berein ift Mitglied des Deutihen Schügenverbandes und damit
des Deutichen Reichsbundes für Leibesübungen.
84
Mitglied der Gefellihaft können nur unbeicholtene Deutjche werden.
Als Deutfche gelten nur Bolksgenoffen, deren Eltern und Großeltern Arier
find,
Die Gefelljchaft beiteht aus:
Attiven, außerordentlichen Ehrenmitgliedern und Jungjchügen (Mitglieder
bis zum 21. Lebensjahr). Mit Ausnahme der Jungjchügen befigen alle
Mitglieder volles Stimm- und Wahlredht.
85.
Ueber die Aufnahme eines Mitgliedes entjcheidet der Vereinsführer.
Er kann dieje Befugnis einem anderen Vereinsorgan übertragen.
1937 wird die Einheitssatzung des NSRL für die Schützengesellschaft übernommen,
in der, wie in Neustadt bereits üblich, arische Abstammung Voraussetzung
für eine Mitgliedschaft ist. In der Leitung der Gesellschaften und Vereine
wird das Führerprinzip übernommen. Der unter $ 11 „Führerstab“ erwähnte
sogenannte Dietwart ist für die weltanschauliche Ausrichtung der Mitglieder
verantwortlich. In Neustadt wird damit trotz allem noch Hermann Steiner
betraut, der am einzigen überlieferten Dietabend der Schützengesellschaft
im April 1935 die Mitglieder auf den Führer und seinen Weg einschwött.
-68-
Die Rettung
Der neugewählte Führer der Schützengesellschaft Anton Rossa steht vor zwei
großen Fragen: Wie kann die Verschuldung abgebaut werden? Wie kann die
Schützengesellschaft nach der Spaltung in Neustadt und den internen Streitereien
wiederbelebt werden? Diesen beiden Fragen widmet er sich mit endloser
Geduld, freundlichem Zureden und unermüdlicher Beharrlichkeit.
Für die Entschuldung gibt es nur den mühsamen Weg der Verhandlungen mit
allen Gläubigern der Gesellschaft. Hauptgläubiger sind naturgemäß die Banken
und die Brauerei, es sind aber auch eine ganze Reihe Privatpersonen aus Neustadt
als Geldgeber beteiligt, die ihre Schützengesellschaft über die Jahre hinweg
immer wieder mit zum Teil erheblichen Summen unterstützt haben oder
Bürgschaft leisteten. Die letzte Gruppe bilden schließlich Handwerker und
Kaufleute, bei denen noch Rechnungen offenstehen.
Zwar bemüht sich die Schützengesellschaft, den Rückstand nicht beglichener
Rechnungen möglichst gering zu halten, was sie jedoch an die Gläubiger überweisen
kann, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Am 29. Februar 1936 mahnt die Reichelbräu, nachdem die Schützengesellschaft
gerade einen Scheck über 999,15 RM geschickt hat:
‘Wir können uns mit dieser Zahlung nicht zufrieden geben und müssen Sie dringend bitten
auch unsere Rechnungen vom
24.1.36 RM 359.85
1.2.36 RM 495.-
8.2.36 RM 499.45 mit insgesamt
RM 1354.30
in den nächsten Tagen begleichen zu wollen, nachdem vereinbarungsgemäß immer nur 2 Rechnungen
offentstehen dürfen. ’®’
Auch totstellen wird von der Schützengesellschaft wiederholt versucht, was die
Brauerei selbstverständlich, wenn auch immer in ausnehmend höflichem Ton,
übergeht.
‘Wir müssen uns sehr wundern, dass Sie auf unsere wiederholten Schreiben nicht reagieren.“
Immerhin stünden wieder einmal vier Rechnungen aus in Höhe von insgesamt
1580,35 RM.68
Am 22. April 1936 sind es bereits wieder 1671,10 RM, und als am 24. April
1936 ein Scheck über 649,25 RM von der Schützengesellschaft eintrifft, bittet
die Reichelbräu, um die Bezahlung der anderen Rechnungen doch bitte auch
noch “besorgt zu sein.“
Dabei versucht die Brauerei durchaus, ihren Abnehmer in Neustadt am Leben
zu erhalten, und beliefert das Schützenhaus immer wieder, besonders zu
wichtigen festlichen Anlässen, wie Führers Geburtstag im April 1936, versäumt
aber nie, diese Lieferungen mit dringenden Zahlungsaufforderungen zu verbinden:
‘Wir haben Ihnen wegen des Nationalfeiertages das Bier zugehen lassen, erwarten aber
-69 –
bestimmt im Laufe der nächsten Woche eine größere Anschaffung von Ihnen.”
Diese ständigen nervenzehrenden Mahnungen ziehen sich über lange Zeit hin.
Wenn die Privilegierte am 18. Mai 1936 endlich einmal wieder 968,25 RM mit
einem Scheck bezahlen kann, sind damit erst zwei Rechnungen aus dem Monat
März 1936 gedeckt. Im Juli ist der Schuldenstand auf über 1384,40 RM gestiegen,
Anfang September 1936 bereits auf 2968,85 RM. In dieser Situation sieht
die Brauerei keinen anderen Ausweg mehr, um der Schützengesellschaft den
bedrohlichen Ernst der Lage deutlich zu machen. Die bisherige Lieferung auf
Rechnung muss ohne sofortige Überweisung der längst fälligen Rechnungen
eingestellt werden, womit ein geregelter Schankbetrieb unmöglich würde:
“Sollten Sie wider Erwarten unserer Bitte nicht nachkommen, so sehen wir uns zu unserem
Bedauern veranlasst, Lieferungen nur gegen vorherige Kasse auszuführen.”
Viel geholfen hat es scheinbar nicht, denn bereits im November drängt die
Brauerei wiederum, die ausstehenden Schulden zu begleichen:
“Dieser Betrag muß unter allen Umständen unverzüglich abgedeckt werden und er-warten wir
eine entsprechende größere Baranschaffung im Laufe der nachsten Woche. ”“®
Letzendlich liegt Anton Rossa völlig richtig, wenn er feststellt, daß ein Konkurs
keinem der Geldgeber dient. Mit einem neu ausgehandelten Schuldenplan müssen
sie zwar auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichten, aber
ohne die Neuregelung würden sie wohl alles verlieren.
Der Schuldenstand, über den Rossa mit den Gläubigern einen Ausgleich finden
muß, beträgt im Mai 1939 insgesamt 249.399,67 RM. Dabei kann mit den Einnahmen
der Schützengesellschaft nicht einmal der schuldige Zins vollständig
bezahlt werden, an eine Tilgung der Schuld ist überhaupt nicht zu denken.
Während die Verhandlungen mit den Gläubigern laufen, versucht Rossa immer
wieder, das Schützenhaus, das mit seinen ausufernden Kosten wie ein Mühlstein
am Hals der Schützengesellschaft hängt, möglichen Interessenten anzubieten.
Dazu gehören Gliederungen der Partei, zu denen er natürlich gute Beziehungen
hat. Leider zerschlagen sich seine Hoffnungen auch immer wieder.
Im Jahr 1936 versucht er über Bürgermeister Schubart, das Haus der NS-Kreisleitung
Coburg schmackhaft zu machen. Im Mai antwortet Schubart:
“Auf Grund Ihres ausführlichen Schreibens vom 3. März d.]. bin ich persönlich bei der
Kreisleitung in Coburg wegen Übernahme des Schützenhauses vorstellig geworden und habe
Ihr Schreiben nebst Rentabilitätsberechnung als Unterlagen mit verschiedenen Anregungen
vorgelegt. Die Kreisleitung hat sich in der Zwischenzeit bemüht, eine geeignete Verwertung des
Schützenhanses zu erzielen. Leider war jedoch die Fühlungnahme mit der NS-Volkswohl-
Jahrt und anderen Gliederungen ergebnislos. Es ist von der Kreisleitung betont worden, dass
Zt. keine Aussicht besteht, die Partei, ihre Gliederungen oder Verbände für den Plan zu
gewinnen.”
Als Rossa erfährt, daß sich das Reichs-Finanzministerium in Sonneberg umgesehen
habe, um ein geeignetes Gebäude für die „Errichtung einer Reichsfinanzschule
zu erwerben“ schreibt er am 5. Februar 1938 an den Staatssekretär nach Berlin:
-7%-
„Die Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg ist Eigentümerin eines grossen Wirtschaftsgebändes
mit vielen Räumen, grosse Gartenanlage, grossen Sportplatz, Schiessanlagen
u.s.w., unmittelbar am Fusse des 550m hohen Muppergs gelegen. Somit an einer herrlichen
Lage.
Wegen der brachliegenden Spielzeugindustrie ist auch die Schützengesellschaft in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, und will das Gebäude verkaufen. (…) Neustadt bei Coburg in herrlichster
landschaflichste Lage gelegen hat ca. 9500 Einwohner und gilt als politische Hochburg
der NSDAP. ‘7?
Auch hier gibt es am Ende eine Absage.
Im Herbst 1938 kommt das Schützenhaus zunächst als möglicher Lagerraum
für die Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse in
Frage. Nach einigen Monaten wird Bürgermeister Schubart jedoch mitgeteilt,
daß die Decken zu schwach sind:
„Dieses Objekt haben wir damals unter Benntzung der uns anfgegebenen Anschrift
sichergestellt, können den Raum jedoch wegen Ungeeignetheit für unsere Zwecke nicht beanspruchen.
‘3
Der Bürgermeister soll doch die erteilte Freigabe des Schützenhauses an die
Gesellschaft weitergeben.
Begleitet von fehlgeschlagenen Versuchen, das Haus zu verkaufen, von täglichem
Ärger mit den wechselnden Pächtern, und gedrängt von den Vorgaben
des Amtsgerichts Neustadt kommt endlich eine tragfähige Vereinbarung zustande.
In einem Manuskript faßt Rossa im Frühjahr 1939 alle Punkte zusammen,
die letztendlich zu dem jetzt gefundenen Resultat geführt haben:
„An die Gläubiger der Schützengesellschaft Neustadt
Die vor 2 Jahren eingeleiteten Verhandlungen zur Sanierung der Gesellschaft, welche mit
rund 250000.- verschuldet war, waren unter der Voraussetzung erfolgt, daß nach Eintritt
beserer Wirtschaftsverhältnisse, mit steigenden Ertragnissen gerechnet werden konnte.
Es hat sich jedoch ergeben, daß eine Steigerung der Einnahmen nicht in dem Umfang eingetreten
ist und daß es mit einer sicheren Einnahme von rund RM 8000.- der Etat aufzubauen
ist.
Auf Grund dieser Einnabmemöglichkeit darf die Verschuldung der Gesellschaft keinesfalls
höher als RM 100.000.- sein.
Da trotz der bereits in der Hauptsache seitens der Mitglieder erfolgten Nachlässe heute noch
eine Schuld von RM 136.000.- vorhanden ist, gibt es für die Gesellschaft nur 2 Wege:
1) die Eröffnung des Konkurses, welcher von allen Beteiligten außerordentlich hobe Opfer verlangt
oder
2) nenerliche Vergleichsverhandlungen, wegen weiterer Nachlässe zur endgültigen Ordnung
der Verhältnisse.
Mit Veranlassung des Amtsgerichts Neustadt hat sich der Vorstand der Gesellschaft mit
dem Hauptgläubiger, der Reichelbräu in Kulmbach in Verbindung [gesetzt] und rückhaltlos
die Lage offenbart.
-71-
Die Reichelbrän hat unter gewissen Voraussetzungen in Aussicht gestellt, einen weiteren erheblichen
Abstrich zu machen, sofern die übrigen Gläubiger ihrerseits bereit sind zur V’ermeidung
des Konkurses ebenfalls erhebliche Nachlässe zu gewähren.
Das Amtsgericht stellt sich auf den Standpunkt, daß die bisherigen Nachlässe, welche größtenteils
nur unter Bedingungen ausgesprochen waren, bei weitem nicht ausreichen um in absehbarer
Zeit eine wesentliche Abtragung der Schulden herbeizuführen. Es sei daher erforderlich,
daß die Abstriche mit sofortigen Wirkungen und so hoch erfolgen, daß der gegenwärtige Zustand
einer Überschuldung, beseitigt wird.
Die zuerst mit dem Flanptgläubiger Reichelbrän eingeleiteten Verhandlungen ergeben folgendes:
Und zwar ist geplant, von ihrer Gesamtforderung von über RM 70.000.- alles das zu streichen,
was über den Betrag von RM 9.200.- hianusgeht, ferner auf eine Verzinsung zu verzichten,
sofern der bisher als Zins (372%) abzuführende Betrag zur Tilgung der Schuld verwendet
wird. ‘”*
Das endgültige Abkommen, das am 23. Mai 1939 von allen beteiligten Parteien
unterzeichnet wird, folgt den Richtlinien, die von Rossa im Manuskript skizziert
werden. Abgesichert wird die Restschuld, die immer noch 110.000.- RM beträgt,
durch Bürgschaften einiger Mitglieder der Schützengesellschaft, unter
ihnen auch Hermann Steiner, sowie andere Fabrikanten Neustadts. Gleichzeitig
verzichten die Privatgläubiger wie die Banken und die Brauerei auf den größten
Teil ihrer ausstehenden Schulden, und bringen damit ein großes Opfer für die
Schützengesellschaft. Zumindest können sie so die vorgesehene Tilgung von
jährlich 2% der Restschuld erwarten, während bei einem Konkurs vermutlich
alles verloren gewesen wäre.
Auf der Beirats- und Ältestenversammlung der Schützengesellschaft kann Anton
Rossa am 4. April 1939 zufrieden feststellen, „dass nunmehr alle Gläubiger die
im Plan des Beiratsmitgliedes Chr. Hofmann niedergelegten Nachlässe zugesagt haben. Die
Brauerei wird ihre endgültige Zustimmung noch schriftlich bestätigen. Die zur Ablösung notwendigen
Kapitalien werden gemäss den Berechnungen von Chr. Hofmann von den Hauptbürgen
aufgebracht, sodass die Gesamtschuld noch 110.000 RM beträgt: RM 38.000
Hypothekenbank, RM 9.200 Brauerei, RM 18.000 3. Hypothek, RM 26.000 neue Mitgliederdarlehen.
Die Stadt hat sich bereit erklärt, die rückständigen Steuern niederzuschlagen.
Um eine Herabsetzung der Realsteuern herbeizuführen, ist nach der Sanierung eine Neubewertung
vorzunehmen. Die jährliche Zinslast beträgt jetzt 4.000 RM, die Tilgung RM
1.000. Die Frist für die Sanierung wurde vom Amtsgericht bis 10. April verlängert. “>
Nach der Sanierung verbleibt der Schützengesellschaft bei jährlichen Einnahmen
von etwa 7.800.- RM und einem jährlichen Schuldendienst von 6.000.- RM
ein frei verfügbarer Betrag von 1.800.- RM für Investitionen. Das Schützenhaus
bleibt auch nach der gelungenen Umschuldung eine ständig spürbare finanzielle
Belastung.
-72-
Die notwendige Wiederbelebung der Privilegierten Schützengesellschaft in der
Neustadter Bevölkerung geht Rossa auf zwei Ebenen an. Zum einen wendet er
sich direkt an ehemalige Mitglieder, die aus der Gesellschaft ausgetreten sind.
Dabei versucht er, die Differenzen, die zum Austritt geführt haben, an der Person
Hermann Steiners festzumachen. Mit der Neuwahl des Vorstands wäre dieser
Grund jedoch weggefallen.
Srhühengefelfinaft Neuftadt b.Cobg.
GSegelinde15t3 5 -— — Mitglied des Deutichen Schligenbundes
Neuftadt, den 3, Yebruar 1937.
Behr dereprter ehem, Schütgenbruber I
Bel Aurchficht ber Mitglienelifte fand ich, dag Gie früher
unferer GWefellfchaft anashört haben. Bch kenne die Gründe, bie
@le gu Shrer BUBEEStRASRFAEASE bewogen haben nicht; glaube aber
dag Tte nur aus Reinungsverfchtiebenheiten mit der damaligen Borftandfchaft
oder aus einer augenblichlichen Beräßerung über Naßnahmen
der Wefellfchaft, nicht aber aus Ubneigung oder Yeindfehoft
gu ihr, erfolgt ift. Sch bin aber .. Sie auch
heute noch mit der Gchütgengefellfchaft,in der Gte Ticherlich
manche erinnerungsfreufige Stuonden berlebt haben, fich Inner-
Lich verbunden fühlen,
uls nunmehriger Bührer der Yefellfchaft habe ich mir gur Uufgabe
gemacht, die Gchütgengefellfchaft mit ihrer To überreichen
Ztabition aus bem gegennärtigen Sriftengkampfe, verurfacht durch
die in dem Letgten Jahegehnt in unferer Gtabt borgeherrfchten
febe Lechten mt: aftl. Mechältniffe, wieder Herausguführen,
und wi chen, naß Tie einft war ; Zu einer Pflege.
Fräatt [ wahren Molkägemeinfchafte
68 würde uns nicht nur freuen, fonbern auch ehren, wenn Ele
Bhre Bioberaufnahne unter Benutzung des beiliegenden Nordrucks
ae inet = us ep an unferen bersits
begangenen Bieberaufbaunerk unferer herrlichen GohütgengefelLl-
Tedaft Me Gchütgengsfellfchaft darf und wird ge
Geregenheit darf Ich bitten auch unfere Gaftftätt
mBefuch gu beehren und auch die Befsttfegaftiahende,
[8 on den Bonnerftagen Bann wieder gu befuchen,
zeinsdiener wird in den nächiten *agen Ahre Biederaufnapmebeftätigung
ar
Sn ber gerfnung. a in ber nächften Zeit in unferer GefeLLTehaft
wieder ” L n beißgayau Können, begrüße ich Sie mit
eilt Hitler
Bührer der Gchütge gefe tfchaft,
Ein Aufruf an ehemalige oder nicht mehr aktive Mitglieder der Schützengesellschaft,
die Differenzen der Vergangenheit ruhen zu lassen, und
wieder zu den Schützen zurückzukehren.’ s
-73 –
An die noch aktiven Schützenbrüder wird die Bitte gerichtet, sich doch intensiv
wieder den Belangen der Schützengesellschaft zu widmen, was vor allem bedeutet:
An den Veranstaltungen der Gesellschaft auch teilzunehmen, und vor
allem viele neue Mitglieder werben.
In der Vorbereitung zum „wuchtigen Faschingsball“ 1939, der unter dem Motto
„Windstärke 12“ steht, appelliert er an alle Mitglieder, den Erfolg der Veranstaltung
bereits im Kartenvorverkauf zu sichern, „um wieder neues Blut in unser Gesellschaftsleben
hereinzubringen.
Ich bitte die Kameraden mit der Werbung sofort zu beginnen, und zwar unter Benutzung der
beiliegenden V orverkaufskarten. Ich bitte unter allen Umständen Sorge zu tragen, dass diese
Karten, die einen Ausnahmepreis gegenüber der Abendkasse aufweisen, restlos abgesetzt werden.
Ich werde mir erlauben, die anfallenden Beträge bis 8. Februar 1939 durch den Zieler
einkassieren zu lassen. Also Kameraden! Auf gehts! Und Mitarbeiten und erscheinen mnss
unsere Parole sein.
Heil Hitler!
Rossa
Gesellschaftsführer.‘“”‘
Schühengefelfihaft Seuftadt b. Code.
Gegründet 155 – — Mitglied des Deutfcen Schlihenbundes
Nieuftadt, den 23. Rürg 1937.
Besen
Srgo Haafe
Gehauftsller- Unternehmungen
in Sannovder.
Mt Bodausen habs Ich bie Beftftellung machen nüffen,baß Silo
felt einigen Jahren bie Gehütgenfefte der obigen Schütgengefellfehaft
mit Befehlekung von Gehauftellungen meiden. ie tech in
Gefahrung bringen konnte, folt die ürfante bapu in einer Reinungfverfehtedenpeit
guifehen Bheor Birne und unforen feinerfeitigen
Aluektor der Bofeilfeheft & Steiner t fein. us
nunmehriges Bübner obiger Befeälfehaft Ift mie bios getrübte Berhältnis
außerordentlich peinlich und unangenehm; umfomehr ala os
mein feftes Beftuoben It, unfene Behütgenfefte allmählich In ,_
einen größeren Nahmen ausgubauen, Badurch, dad fich das Birtfehaft
Geben unferer Gtabt in ben Letgten Jahren gang wefentlich gebeffvet
bat, daß außerdem fich mehser guößsze Borke hier angefiedelt
haben, tft 04 Toßas ein bedingtes Grfordeunes unferem Bolksfefte
Er ein befferes Sepräge gu geben.
| 84 würde mich aufrtshtigft freuen, menn Gie das einTt Benefene
wieder gu dergeffen fushen und unfer Mosjähriges Schütgenfeft,
Welches in diefem Jahre vom 12, mit 16. Uuguft ftettfindet, nieder
mit zugksäftigen Scheuftellungen befshieken würden. Genehmigen
Sie min die Borfichewung, daß ich Heftrebt fein werde, mit Ihrer
Yirne in beften Sindernehnmen gufannen gu arbeiten,
Ihre Untnost ontgegenfohend geishnet mit
Bet Sit !
FR Ft
(8. Roffe )
Wefellfshaftsfügrer.
-74 –
In Vorbereitung auf das Schützenfest 1937 versucht Rossa, die damals größte
Schaustellerfirma Deutschlands wieder nach Neustadt zu bekommen.
Hugo Haase, der „Karusellkönig“ aus Rossla a. Harz, beschickte seit den
1890er-Jahren die größten und wichtigsten Volksfeste mit seinen Dampfkarusells,
Achterbahnen, Scootern, Wasserrutschen und sonstigen Attraktionen, die
mit ihren prächtigen Fassaden, geschmückt mit Tausenden von elektrischen
Birnen, den Eindruck von Palästen vermittelten. Bevor in den Städten auf den
Festplätzen ausreichend elektrische Energie zur Verfügung stand, versorgte
Haase seine Fahrgeschäfte mit einer transportablen Maschinenstation selbst.
Als Anton Rossa seinen Brief an ihn’ verfasst, muß Haase bereits mehrere Jahre
nicht mehr in Neustadt aufgetreten sein, da er im Jahr 1933 starb. Die Geschäfte
werden jedoch von seiner Frau weitergeführt.’
Mit großer Erleichterung kann Rossa in seiner Einladung zum Schützenfest
1939 endlich wieder zum eigentlichen Geschäft der Gesellschaft übergehen:
Das Hauptschießen organisieren, die Schützen wieder in der Stadt etablieren
und ein erfreuliches Gesellschaftsleben genießen:
“Unser diesjähriges Schützen- und Volksfest wird in wenigen Tagen steigen. Die wirtschaftlichen
Verhältnisse unserer Gesellschaft liegen wieder so geordnet da, daß man sich wieder mit
Freude und Stolz zu ihr bekennen kann. Der unversiegbare Idealismus unserer Mitglieder
hat den schweren Kampf um Sein oder Untergang unserer herrlichen Gesellschaft glänzend bestanden.
(…)
Die Tage unseres Schützenfestes muß zur intensiven Werbung neuer Mitglieder ausgenützt
werden. Es muß jeden Kameraden gelingen ein neues Mitglied zu werben. Jeder Kamerad
muß den Ehrgeiz besitzen, ein ehrwürdiges, brauchbares Mitglied der Gesellschaft zuzuführen.
Dies ist heute nicht mehr so schwer wie in den letzten Jahren. Aufnahme-Formular
Jolgt anbei.””?
-75 –
Scheibe von 1772
Motiv: Ein Krieger wird zu Grabe getragen
Text: Wird nicht durch Saufen, durch Huren und Schlagen,
Die meiste Jugend zu Grabe getragen ?
Gegeben von Heinrich Friedrich König 1690
Gewonnen 1772 von Johann Georg Schindhelm
= 6
Die Pächter
oder
“Ich bin bestrebt allen meinen verpflichtungen nachzukommen
und dazu gehört im Schützenhaus eine heroische Leistung und
eine persönliche Rükstellung in allen.”
(Pächter Pleyer am 13. Juli 1938)
Den Hauptkampf führt Rossa jedoch mit den Pächtern und zu seinem Leidwesen
teilweise auch gegen die Pächter des Schützenhauses in seinem Bemühen,
die Gaststätte wieder zu einem beliebten Treffpunkt der Neustadter Bevölkerung
zu machen. In der Kalkulation der Schützengesellschaft spielt die Schützengaststätte
mit ihren Pachterträgen eine herausragende Rolle, in der Realität
werden die Erwartungen selten erfüllt. Bei allem Ärger, den Rossa immer wieder
mit den Pächtern hat, ist sein gleichbleibend freundlicher, ausgleichender
Ton bemerkenswert, in dem er alle anstehenden Probleme bespricht und aus
der Welt zu schaffen versucht. Erst ganz am Ende, als kein Ausweg mehr zu
finden ist, und wohl auch unter dem Druck der gleichzeitig laufenden Umschuldungsverhandlungen,
wird er etwas schärfer.
Der erste Pächter in der Amtszeit Rossas ist Arthur Müller aus Sonneberg, der
sich am 17. Oktober 1936 bei der Reichelbräu vorstellt, nachdem er sich mit
der Schützengesellschaft geeinigt hat. Die Brauerei ist ebenso wie die Gesellschaft
durchaus angetan von ihrem neuen Wirt:
‘Der Pachtinteressent macht einen guten Eindruck und lauten auch die eingeholten Anskünfte
über ihn nicht ungünstig, möchten allerdings empfehlen, seine Ehefrau mit in das
Pachtverhältnis einzuschließen.’®
Aber bald folgt die Ernüchterung: Dieser Pächter kann nicht länger in der
Gaststätte bleiben! Was voller Hoffnung begonnen wurde, führt ausgerechnet
beim Schützenfest, der öffentlichen Auftritt der Privilegierten Schützengesellschaft,
zum Eklat. Was Gesellschaftsführer Rossa nach Beratung mit dem Ältestenrat
und dem Beirat an Beschwerdepunkten zusammenfaßt, ist allerdings
auch angetan, den Ruf der Gesellschaft schwer zu schädigen.
„Anläßlich unseres Schützenfestes habe ich folgende Feststellungen gemacht, wodurch der
Pächter Müller das Ansehen der Gesellschaft geschädigt und den gesamten Wirtschaftsbetrieb
beeinträchtigt hatte.- Weshalb hat es an Stelle Aal andere Fische gegeben? Es wird behauptet, dass Aal in
genügender Menge zu haben waren. Als Beweis dürfte dienen, dass in vielen Gastwirtschaften
der Stadt Aale verabreicht wurden.“
Außerdem waren die angebotenen Fische klein, was angeblich darauf zurückzuführen
wat, „dass es der Wunsch des Pächters war, extra kleine Fische der Kostenersparnis
halber geliefert zu erhalten. Lag hier nicht eine gewisse Absicht zugrunde, um einen erhöhten
Gewinn aus der Tafel zu schrüpfen?“
Es gab viel zu wenige verschiedene Speisen während des Schützenfestes, die
- 77 –
auf der Karte angegebenen Preise wurden des öfteren überschritten, „was vie/
Ärgernis unter den Gästen erregte. (s. Bürgermeister Schubert u. andere.).“
Beobachtet wurde „pöbelhafte Behandlung“ von Gästen, Schausteller sind wegen
der hohen Preise nicht in die Gaststätte, das Bier war aufgrund schlechter Behandlung
auch schlecht geworden: „Darüber allgem. Stadtge-spräch.(…)“
„An Stelle von Schoppenweingläsern wurden Fruchtweingläser verwendet, die ein wesentlich
‚geringeres Mass hatten. Der Schoppenweinpreis wurde trotzdem gefordert. Dies löste unter den
Gästen die allergrößte Erregung aus. Eine Gaunerei, wie sie kaum krasser sein kann.
Weshalb 41 Pfg. für den Schoppen Wein u. nicht 40 Pfennig? Charakteristisch.
Die Speisekarte anlässlich des Dienstagsballes war auf Irreführung, auf Lug und Trug anfgebaut.
Die aufgeführten Speisen waren zum größten Teil überhaupt nicht vorhanden.
(Karpfen u. Gänse)
Die Preisforderung für das Sardinenbrötchen an Schk. Schaub ist eine Ungeheuerlichkeit wie
man sie selten begegnet.
Die Biermanscherei im Saal erzeugte grösste Verbitterung unter den Gästen. Voransge-
‚gangene Warnungen liess der Pächter Müller einfach unbeacktet. (…)
Ich stelle fest, dass ich sowohl wie viele andere Vorstandsmitglieder in eingehender Weise mit
Pächter Müller gesprochen haben, u. ihn ausführlich die Wünsche der Gesellschaft unterbreitet
wurden. Er hat diese Wünsche u. Anregungen nicht nur unbeachtet gelassen, sondern sogar
sabotiert. Er ist ein Schädhng der Gesellschaft, zudem ich jedes Vertrauen verloren habe. ‘*‘
Mit Vermittlung der Reichelbräu, die unter dem wiederholten Pächterwechsel
ebenfalls zu leiden hat, nimmt die Schützengesellschaft Kontakt zu Karl Pleyer
auf, einem erfahrenen Gastronomen aus dem „Hore/ Handelshof“ in Elberfeld im
Rheinland, der ursprünglich den „Saalbau Wittelsbach“ in Kulmbach übernehmen
wollte. Nachdem sich dieses Geschäft zerschlagen hat, zeigt er sich am Schützenhaus
in Neustadt seht interessiert.
Die Reichelbräu beschreibt ihm seine zukünftige Gaststätte, und die Konditionen
der Übernahme:
„Wie schon gesagt, handelt es sich um ein Schützenhaus, bestehend aus einem Restaurant,
grossem Schützensaal und verschiedenen Nebenräumen. Die Pacht wird mit RM 8.- p.hl.
einschliesslich aller Nebenräume nebst Wohnung angesetzt und hat der Bierumsatz in den
letzten Jahren zirka 350400 hl betragen. Bei tüchtiger Geschäftsführung wird sich dieser
Umsatz sicherlich erheblich steigern lassen.“
Zu der Pacht kommt noch eine Kaution über 2000.- RM, die an die Schützengesellschaft
abzuführen ist.
Sowohl die Schützen als auch der neue Pächter sind von ihren gemeinsamen
Zukunftsaussichten angetan. Beide erhoffen sich ein Ende ihrer bisher erfolglosen
Suche nach dem passenden Partner, und beide sind sicherlich gewillt, ihr
Bestes zu geben.
Karl Pleyer schriebt am 4. März 1938 aus Elberfeld an Anton Rossa, bestätigt
den Erhalt des Pachtvertrages und fährt dann fort:
„Was nun das Pachtverhältnis selbst betrift so werden Sie in uns die passenden Pächter- =
gefunden haben und ich bin der Überzeugung dass unsere zusamenarbeit stets eine erspriesliche
sein wird den gerade sehr ist es uns erwünscht wen man nicht ganz alleine auf alles angewiesen
ist den man kann sich gegenseitig Vorschläge bei allen machen und sich gegenseitig unterstützen.
Bei meiner Besichtigung habe ich ohnehin schon bemerkt dass verschiedenes dort zu
wünschen übrig lässt was eigentlich Sache des Pächters wäre um die Sache frequent zu machen.
Auf alle Fälle werden wir uns richtig verstehen und wird unsre zusamenarbeit für beide
Teile stets von Erfolg sein.
Ich bin gut nachhanse gekommen und hatte nun bis Donnerstag früh 6 Uhr alle Tage tüchtig
zu thun den hier im Rheinland sind die Leute halb verükt.‘®
Pleyer stürzt sich auch tatkräftig mit nimmermüdem Elan in seine Aufgabe,
knüpft Beziehungen zu den Neustadter Händlern und Kaufleuten an, vervollständigt
die Einrichtung der Gaststätte, wo etwas fehlen sollte, und investiert
mehrere hundert Mark in das Unternehmen.
Anfangs gestaltet sich das Verhältnis zur Kundschaft und zur Schützengesellschaft
überaus harmonisch. Anton Rossa bestätigt ihm sogar nach dem Beginn
ihres Zerwürfnisses noch:
‘Ihr persönlicher Fleiss, Ihre Leistungen für die Gesellschaft und das Gelingen unseres
Schützenfestes finden unter unseren Gästen und der Gesellschaft höchste Anerkennung. ’*
Trotzdem besteht auch dieses Pachtverhältnis nur wenige Monate in ungetrübter
Eintracht. Bald zeigen sich für Karl Pleyer erste überraschende Einblicke in
die wirtschaftliche Lage des Schützenhauses und der Schützengesellschaft, die
seine Zuversicht schlagartig dämpfen.
„Sie wissen auch und müssen es wissen dass ich hier eine sehr schweren Kampf in wirtschaftlicher
und persönlicher Hinsicht habe schon aus dem Grunde da mein V’orgänger keine
Kreditfähigkeit besass und sich dieses auf mich abwältzte. Ich weis ganz genan wen ich irgend
wo etwas kaufte oder heute noch kanfe mit einen misstrauen bedient werde aus dem Grunde
da auf den Schützenhaus schon grosse Summen eingebüst wurden und manche Geschäftsleute
mir verschiedene Dinger erzählten und so muss ich alles sofort prompt bezahlen den schließlich
bin ich auf jeden Gast angewiesen und wen ich jemanden meine Lieferung nicht bezahle so
hatt er auch kein Interesse bei mir etwas zu verzehren. Dieses solte aber geradezu für die
Schützengesellschaft eine anregung sein. Sie wissen dass die Schützengesellschaft auch nicht auf
Rosen gebettet ist und dass ich schon so viel hören muste dass gerade die Schützengesellschaft
sehr im Rückstand in allen ist. Es verwundert mich nicht dass ein solch schlechtes Geschäft
im lokal geht und dass nur vileicht 10- 20 prozent von den Mitglieder im Lokal verkehren
den schlieslich trägt gerade die Gesellschaft die gröste Schuld daran. ‘®
Anton Rossa versucht Karl Pleyer nachzuweisen, daß die Schützen tatsächlich
zahlreich und oft die Gaststätte besuchen, aber was Karl Pleyer, der inzwischen
selbst in die Schützengesellschaft eingetreten ist, vermutlich am meisten erbittert,
ist die Aussichtslosigkeit seiner Situation. Nach einigen Monaten bereits ist
abzusehen, daß er seine Gastwirtschaft, in die er so viele Hoffnungen gesetzt
hatte, niemals profitabel wird führen können. Diesen Zorn überträgt er auf
Rossa und seine Schützengesellschaft, und wirft ihnen schließlich Täuschung
= 70
vor: Sie hätten ihn nicht ausreichend und den Tatsachen entsprechend über Besucherzahlen
und Umsatz informiert.
Auf Seiten der Schützengesellschaft wird die Enttäuschung nicht kleiner gewesen
sein. Endlich haben sie einen Pächter gefunden, der wirklich voller Energie
an seine Aufgabe geht, da stellt sich nach kurzer Zeit heraus, daß auch er keinen
Weg sieht, das Schützenhaus als Gaststätte am Leben zu erhalten. Im Juli
1938 teilt Pleyer schon mit, daß er mit seinen Pachtzahlungen im Rückstand
bleiben wird:
‘Nachdem Sie bei mir angerufen haben und ersucht dass ich Geld für Pacht bringen soll muss
ich Ihnen folgend mitteilen.
Momentan ist es mir unmöglich eine Zahlung zu machen da das Geschäft 2.21. sehr schlecht
geht. Mit den wenigen Bierumsatz und den ärmlichen Verdienst daran ist es auch unmöglich
die Zahlungsdaten einzuhalten es muss gänzlich mir überlassen bleiben wen ich zahle. ‘%
In diesem Jahr scheint aber auch alles schief zu gehen. Pleyer hat Ärger mit einem
Mieter im Schützenhaus, dessen Hund die Gäste und natürlich ihn selbst
bedroht, und ihn zu dem wütenden Ausruf veranlaßt:
‘Fals ich den Hund bei nächster Gelegenheit tötlich niederstreken muss, sind Sie für die entstehenden
Unanehmlichkeiten haftbar. Ich ersuche auf dringenden W’ege den Hund entfernen
zulassen Fechnerbraucht keinen Hund!”
Dann kommt die HJ zum Schießen in das Schützenhaus, und „versaut“ alles, was
der Wirt gerade erst gereinigt hatte. Von der Brauerei wird der Bierbezug auf
Rechnung wegen der großen Rückstände der Schützengesellschaft eingestellt,
weswegen die Gesellschaft gezwungen ist, eine selbstschuldnerische Bürgschaft
für Pleyer zu übernehmen, damit er wieder Bier beziehen kann.®”
Aber diese versöhnlichen Gesten helfen ihm nicht über den eigentlichen Grund
seiner Nöte hinweg: Die Gäste bleiben einfach aus!
Zu allem Überfluß machen sich Gegner der Schützengesellschaft oder Konkurrenten
aus dem Gastgewerbe bemerkbar. Völlig überraschend erfährt Anton
Rossa, Pächter Pleyer habe keine Schweinekontingentierung erhalten, weil die
Schützengesellschaft auf Antrag des Stadtrates Neustadt aus der Liste der
Handwerkskammer in Coburg gestrichen worden sei. Als er beim Stadtrat
nachfragt, weiß niemand davon.
‘Ich bin der Überzeugung, dass die etwa tatsächlich vorgenommene Streichung aus der Handwerkskammerlste
durch eine gehässige Denunziation eines hiesigen Metzgermeisters oder
eines sonstigen Konkurrenten erfolgt ist. Ich bitte um gefl. umgebende weitere Veranlassung,
Heil Hitier!”®®
Das Verhältnis zu Karl Pleyer läßt sich nicht mehr retten. Nach einer ganzen
Reihe gegenseitiger Vorwürfe, Anfeindungen und halbherzigen Versuchen der
Versöhnung wird das Pachtverhältnis nach ungefähr achtzehn Monaten schon
wieder aufgelöst.
-80 –
„Auf Ihre Annonce “
Fünfzig Jahre früher konnte die Schützengesellschaft bei der Verpachtung ihrer
damals noch kleineren Gaststätte eine lebhafte Versteigerung durchführen, und
so den Gewinn für die Schützen in die Höhe treiben. Bei der Versteigerung am
- Mai 1889 kamen die Interessenten auch aus dem ganzen Deutschen Reich:
“Pachtbedingungen- Jeder Bieter bleibt 3 Tage an sein gelegtes Gebot gebunden.
- Die Ueberbietungssumme ist mindestens 10. Mark
- Die Auswahl unter den 3 Höchstbietenden behält sich die Gesellschaft vor.
der Vorstand der Schützengesellschaft, Neustadt den 27. Mai 1889
Gustav Schneider
Zu dem auf heute anberaumten Termin zur weiteren Verpachtung der Schießhanswirtschaft
wurden zunächst den erschienen Pachtliebhabern die Pachtbedingungen vorgelesen, und dann
‚folgende Gebote von nachstehenden Herren gethan
Herr Bernhardt Martin Mark 900.-
Herr Knöring Coburg Mark 910.-
Herr Sprott Spremberg Mark 920.-
Herr Gustav Heine Leipzig Mark 920.-
Anton Knauer hier Mark 960.-
Wilhelm Gundermann 1000.-
Karl Töpfer 1010.-
Anton Kiesewetter 1030.-
Emst Kom 1040.-
Heinrich Müller Sonneberg 1050.-
Wilhelm Gundermann 1060.-
Andreas Sprott Spremberg 1070.-
Knöring Coburg 1080.-
Anton Knauer hier 1090.-
Gustav Heine Leipzig 1100.-
Peter Martin hier 1120.-
Heinrich Müller Sonneberg 1130.-
Knöring Coburg 1140.-
Gustav Heine Leipzig 1150.-
Wilhelm Gundermann 1160.-
Gustav Heine Leipzig 1170.-
Heinrich Punner 1180.-
Gustav Heine 1190.-
Vor den erwähnten nachstehenden Ansatz Mark 900 wird der Name Bernhardt Martin gestrichen
und das erste Gebot übernimmt die Schützengesellschaft.
Nachträglich Schneider.”
-81 –
Als die Gaststätte 1892 wieder frei wird, trifft eine Flut von Bewerbungen in
Neustadt ein, in der Regel von fachlich hervorragend geeigneten Interessenten.
Aus Meiningen meldet sich Hermann Thoss, der als Oberkellner im Hotel
„Sächsischer Hof“ angestellt ist.
“Bezugnehmend Ihrer werthen Annonce in der Dorfzeitung erlaube ich mir, mich als Pächter
um betreffende Schützenhauswirtschfat zu bewerben.
In dem ich mich in nachster selbständig zu machen gedenke, wird es mein eifriges Bestreben
sein nach Möglichkeit als Wirth meine Gäste zufrieden zu stellen.
Bezüglich einer Pachtsumme ist es mir unmöglich ein Angebot zu machen, da ich den Ansatz
nicht im geringsten kenne.
Sollten Sie von meiner Offerte Gebrauch machen, so bittet höflichst um gefällige Nachricht
Mit Hochachtung
Hermann Thoss
Hotel Sächsicher Hof, z.Zt Oberkellner
NB Caution steht zur Verfügung.”
Aus Lobenstein fragt Otto Meinow an, Gustav Töpel aus Triptis. Albert Anders,
der früher ebenfalls Pächter des Kurhotels Lobenstein war, schreibt aus
Berlin:
“. sollte es noch nicht wieder verpachtet sein, bitte ich mir nähere Angaben resp. Bedingungen
einzusenden.”/
Aus Nürnberg kommt schließlich die höflichste Bitte des Edmund Paintner:
“Auf Ihre Anose, erlaube ich mir die höflichste Bitte an Sie zu richten betreff Verpachtung
Ihrer Restauration.
Was meine Person betrifft theile ich Ihnen mit, daß ich seit 7 Jahren Pächter nur größerer
Restanrationen bin, und zwar in München Rest. Goldener Hirsch, Türkenstr. und Rest.
Orlando die Lasso am Platzl. Kaffee und Weinrest. Stadtwappen in Fürth … Ich bin 32
Jahre alt u kinderlos.”
Seine Frau sei ebenfalls 32 Jahre alt “und eine ausgezeichnete Köchin. ’”?
Bd
Die Gesellschaft zur gegenseitigen Unterstützung
„Die Geschäftsleute, da hat bei der Schützengesellschaft einer den anderen unterstützt. Zum
Beispiel bei der Geußenbräu draußen, da sind also nur Handwerker reingekommen, die bei
den Schützen waren.
Auch alle anderen Geschäftsleute: Der ist bei den Schützen, dem geben wir den Auftrag.“
(Interview Gerhard Limmer)
Zu den vielfältigen Aufgaben und gesellschaftlichen Bereichen, in denen die
Privilegierte Schützengesellschaft für Neustadt von Bedeutung ist, gehört
selbstverständlich auch die wirtschaftliche Seite. Wer Mitglied der Schützengesellschaft
ist, gehört nicht nur einer geselligen Vereinigung an, sondern auch
einem Netzwerk gegenseitiger Unterstützung und Bevorzugung.
Für die Pächter wird bei Übernahme ihrer neuen Gaststätte eine Liste angefertigt,
auf der alle Händler und Handwerker aufgelistet sind, die für Lieferungen
oder Reparaturen in Frage kommen. Wichtig ist der Hinweis auf eventuelle
Mitgliedschaft in der Schützengesellschaft:
„Liste der Lieferanten vor Ort:
Fleisch-Metzgereien Friedrich Müller, Mitglied
Bäckereien Fröber, Heidler keine Mitghieder
Konditoreien Cafe Wilfert, Cafe Lindig_ beide Mitglieder
Fische –
Gemüse –
Koloniahvaren –
Weine Faber Mitglied
Sprudehvasser, Limonade Braunschmidt kein Mitghied
Schnäpse, Liköre Faber Mitglied
Eisenwaren –
Stoffe Witter Mitglied / Holk od Helk_ nicht Mitglied
Kohlen u Holz Bauer Mitghied
Holzwaren Baner Mitghed
Papierwaren Jügelt nicht Mitglied
Wäschereien –
Kartoffel Lieb nicht Mitglied
Grünwaren –
Käse Butter Nußpickel Mitglied
Zeitungen Patzschke Mitglied
Druckereien Zeitler Mitglied
Schneidermeister Schart Mitglied
Schuhmachermeister Stegner Mitglied
Eilektroinstallation Volk Mitghed
Schlossermeister Witzel Mitglied
-83 –
Schreinermeister Schönfelder Mitglied
Malermeister (Schilder) Bunzel Rich. Mitglied
Küchen- u Metzgereiartikel Müller, Fritz Mitglied“®
Im Krieg
Der Krieg befreit die Schützengesellschaft, wenn auch auf sehr makabre Weise,
von einer Sorge: das Schützenhaus muß an die Kabel- und Leitungswerke Neustadt
KLN vermietet werden und trägt so zur Sanierung des Haushalts bei. Für
die kriegswichtige Produktion des Unternehmens sucht die Firmenleitung Unterkünfte
für KZ-Häftlinge, die von der SS aus dem Konzentrationslager Buchenwald
zugewiesen werden. Daneben arbeiten auch Zwangsarbeiterinnen aus
der Ukraine im Schützenhaus.”*
Im Sommer 1940 trifft die Gesellschaft ein harter Schlag, als ihr Gesellschaftsführer
Anton Rossa überraschend stirbt. Seine Verdienste um die Rettung der
Privilegierten Schützengesellschaft vor dem finanziellen Ruin werden in der
Versammlung am 11. Juli 1940 gewürdigt, bevor es zur Tagesordnung geht:
‘Liebe Kameraden!
Bevor wir in die Tagesordnung der heutigen außerordentlichen Mitgliederversammlung eintreten,
will ich einer Eihrenpflicht genügen.
Vor wenigen Wochen ist unser GesellschaftsfühArnetorn Rossa für immer von uns gegangen.
Im Dezember 1933 war er der Gesellschaft beigetreten und wurde im Jannar 1937 von uns
zum Gesellschaftsführer berufen.
Wir wissen alle, unter welchen Schwierigkeiten er sein Amt antreten mufste. Wir wollen ehrlich
sein, es war zu einem Zeitpunkt, in dem unser Verein in jeder Beziehung den Tiefpunkt
in seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bestehen erreicht hatte. Nicht nur, daß das
Fortbestehen der Gesellschaft überhaupt in Frage gestellt war, hinzu kam ein danernder
Pächterwechsel und eine damit ebenfalls zusammenhängende örtliche Stimmungsmache gegen
den Verein als solchen. (…) Und wie er in der Öffentlichkeit als Blutorden- und Ehrenzeichenträger,
als echter Nationalsozialist und als Ratsherr und Ortswalter der NSV nicht ver-
‚gessen werden wird, so werden wir ihm erst recht immer ein gutes Andenken bewahren. (…)- Annahme der NSRL-Einkeitssatzungen.
- Vorschlag eines neuen Vereinsführers.
- Anszahlung der 20% Tilgungsbeträge (wird weiter unten auf 2% korrigiert) für die
Miitgliederdarlehen gemäss dem Sanierungsabkommen.- Verschiedenes.
- Annahme der NSRL-Einheitssatzungen.
‚Anstelle der bisherigen V’ereinssatzung wurde eine nene Satzung, die der Mustersatzung des
NSRL entspricht, mit den notwendigen Ergänzungen von der Versammlung nach ein-
-84-
Scheibe von 1788
Motiv: Mann schlägt Frau
Text: Wenn das nun Liebe ist, wie die zwey sich küssen.
So will von nun an nichts ich von der Heirath wissen.
Gegeben von Meister Joh. Andreas Eichhorn
Gewonnen von Roman Friedrich Röh
Revierförster zu Ketschenbach- August 1788
Abmessung: 60 x 60 cm
-85 –
gehender Beratung und Besprechung einstimmig angenommen. Die neue Satzung wird dieser
Niederschrift als Anlage beigegeben.- Vorschladges neuen Vereinsführers.
Als neuer Vereinsführer soll dem örtlich zuständigen Kreisführer des NSRL der Kamerad
Plarteigenosse) Max Reinhardt in Vorschlag gebracht werden. Die Versammlung stimmt
dem Vorschlag einstimmig zu.- der Schatzmeister teilt mit, daß die Auszahlung der 2% Tilgung für die Mitgliederdarlehen
möglich ist. Die Versammlung stimmt zu.- der Schatzmeister beantragt,
‚Die Forderungen der Mitglieder, die mit Abkommen vom 23. Mai 1940 auf ihre aus
Hinterlegung von Aufwertungssparbüchern entstandenen Guthaben verzichtet haben, nehmen
ohne Anerkennung einer Rechtsverpflichtung seitens der Gesellschaft und eines
Rechtsanspruches seitens der betr. Mitglieder an der Tilgung der Beträge in Höhe von
RM 5800.- bis auf weiteres, d.h. bis auf Widerruf mit 2% p.a. teil.’
der Antrag wird einstimmig angenommen. ‘®
Das Vogelschießen soll auch in diesem Jahr “entsprechend den Kriegsverhältnissen in
begrenztem Rahmen verbunden mit einem Opferschiessen für das Kriegshilfswerk des DRK in
der Zeit vom 25. – 29.7.40 durchgeführt werden, sofern genügend Schausteller verpflichtet
werden können.”
Danach gibt der neuer Vereinsführer Parteigenosse Max Reinhardt die von ihm
in Aussicht genommenen Mitarbeiter bekannt:
„I. Stellvertreter Christian Hofmann- Stellvertreter Fritz Pechtold
Schatzmeister Rudolf Nusspickel
dessen Stellv. Berthold Elsner
Schriftführer Hans Koppmeier
dessen Stellv. Franz Ziebeck
Ehrenschützemeister Eduard Knauer
Schützenmeister Hermann Witter
Presse- u. Werbewart Hans Lunz- Platzmeister Karl Müller
- Platzmeister Franz Schönfelder
Altestenrat:
Bürgermeister Friedrich Schubart, Carl Hofmann, Ernst Blaurock, Albert Seifert, Gustav
Eckardt.“
Diesen Vorschlägen wird auch ausnahmslos zugestimmt.
“Die Benennung des 2. Schützenmeisters und des Dietwarts blieb vorbehalten.
Die um 21 Uhr eröffnete Versammlung wurde um 22 Uhr mit dem Gruss auf den Führer
geschlossen. ’”°
Am 22. Juli 1940 kann der Vorstand den Mitgliedern der Schützengesellschaft
die Durchführung des Vogelschießens bekanntgeben, allerdings, wie bereits
-86 –
kurz vorher angekündigt, in reduzierter Form.?”
“Meine verehrten Schützenkameraden!
In der Zeit vom 235. bis 29. Juh findet unser diesjährigen Volksfest statt. Es wird ganz im
Zeichen des Krieges stehen, den unser herrliches V’aterland gegen die westlichen Plutokratien
zu führen gezwungen wurde.
Es kommt in Wegfall: Auszug, Festtafel und Tanz.”
Neben dem Kleinkaliber-Leistungsschießen wird besonders auf das Opferschie-
Ben zugunsten des DRK hingewiesen. Für dieses Opferschießen sollen sich
doch bitte alle Schützenkameraden eintragen, “und die Einlage von RM 1.- dranzusetzen,
zumal noch eine gute Gewinnmöglichkeit besteht. Also auch ihr älteren Kameraden,
die Ihr schon so oft für unsern edlen Schiesssport Euren Mann gestellt habt, noch einmal angetreten
in den Wettstreit für die gute Sache, für unsere tapferen verwundeten Soldaten!”
Am Volksfest wird sich in diesem Jahr auch das eingeladene Marschbataillon
am Mannschaftswettkampf mit vier Mannschaften zu je vier Mann beteiligen.
Damit kann die durch den Kriegsdienst reduzierte Anzahl Neustadter Schützen
wieder ausgeglichen werden.
Insgesamt zieht der Gau Bayern im Deutschen Schützenverband für die Saison
1940 ein leidlich zufriedenstellendes Resumee, in dem der militärische Auftrag
der Schützengesellschaften noch einmal in den Vordergrund gestellt wird. Dabei
darf Munitionsmangel kein Hinderungsgrund sein:
“An sämtliche Dienststellen und Vereinigungen des Ganes!
Der Zusammenhalt innerhalb des Gaues während des 1. Kriegsjahres war ein erfreulich guter.
Die Mehrzahl der Vereine wurde aufrecht erhalten. Die noch säumigen mögen sich die Frage
vorlegen, ob sie denn in kommenden Friedenszeiten eine Daseinsberechtigung haben, wenn sie
während des Krieges versagen.
In der vor kurzem herausgegebenen Broschüre
“Schießvorschule in 6 Übungsabschnitten”
wurde aufgezeigt, in welch vorteilhafter Weise jeder Verein sich in die Ansbildungsarbeit
einschalten kann, selbst ohne Munition und ohne Schießstand.
Diese Arbeit in dem nun kommenden Winter wiederum eifrigst zu betreiben, ist nicht nur ein
Kiegsauftrag, sondern selbstverständliche Ehrenpflicht ei nes jeden Vereins. „”®
Daneben wird jeder Verein verpflichtet, eine Kriegschronik anzulegen, in der
vor allem festgehalten wird (diese Chronik ist bei der Privilegierten Schützengesellschaft
leider nicht vorhanden):
die Zahl der zum Wehrdienst einberufenen Kameraden
Verluste
Auszeichnungen und Beförderungen
Benutzung der Stände zu Ausbildungszwecken
Zahl der ausgebildeten Wehrpflichtigen
Benutzung der Anlagen durch die Wehrmacht.
“Zeitgerecht gehen den Vereinen entsprechende Fragebogen zu.”
-87 –
Im Frühjahr soll es wieder ein Opferschießen geben.
“An dem letzten Schießen hat nur etwa die Halfte aller Vereine teilgenommen”, ein Zustand,
der so nicht hingenommen werden kann: Es muß diesmal unbedingt darauf
geachtet werden, daß alle mitmachen.
‘Es muß ein Ergebniß erreicht werden, das turmhoch über den bisherigen Ergebnissen liegt.
Im Verhältnis zu anderen Ganen leistet der Gau Bayern nach dieser Richtung hin noch viel
zu wenig.”
Die Reduzierung der Schießtätigkeit wegen des Krieges bringt den Zieler der
Privilegierten Schützengesellschaft in Nöte. Er ist nicht nur zuständig für die
Trefferanzeige, sondern erledigt auch Botengänge, kassiert Beiträge ein oder
verteilt Eintrittskarten für die Bälle. Ein Bestandteil seiner Entlohnung ist die
Weihnachtsgabe, die er von den Mitgliedern einsammeln darf, aber ohne
Schießbetrieb könnte die Gebefreudigkeit begrenzt sein. Also wendet er sich an
den Gesellschaftsführer mit der Bitte um Unterstützung.
‘Herrm
Gesellschaftsführer Reinhardt.
Wie jedes Jahr, so bitte ich auch in diesem Jahr in einem Schreiben die Erlaubnis zum Einsammeln
einer Weihnachtsgabe von den Mitgliedern der Gesellschaft, obwohl ich infolge des
Krieges als Zieler in Schießbetrieb und Besorgungen in Gesellschaftsangelegenheiten sehr wenig
zu tun hatte. Wenn auch nur ein Wochenlohn zusammenkommt, bin mit der kleinsten Gabe
zufrieden.
Gleichzeitig bitte ich Sie in Ihrer Eigenschaft als Gesellschaftsführer in einem Nachsatz den
Mitgliedern der Gesellschaft zum Jahreswechsel zu gratulieren.
Heil Hitler
August Grempel
Zieler. ”%
Gesellschaftsführer Reinhardt kommt dieser Bitte selbstverständlich sofort
nach, schließt auch seine Glück- und Segenswünsche an die Mitglieder an, und
blickt dann recht optimistisch in die Zukunft:
‘Hoffen wir alle, das dieses Jahre 1941 dem deutschen Volk einen ruhmvollen Frieden
bringen wird.”
Noch hat er dazu scheinbar allen Anlaß, immerhin ist Frankreich besiegt, die
Wehrmacht rückt an allen Fronten vor. Der Krieg schränkt die Tätigkeit der
Schützen aber mehr und mehr ein. An große Volksfeste ist nicht mehr zu denken,
weshalb das Königsschießen am 2. und 3. August 1941 nur in kleinem
Rahmen gefeiert werden kann. :
‘Infolge der Kriegsverhältnisse und nicht zuletzt infolge der Munitionsfrage sind wir auch in
diesem Jahre gezwungen von der Abhaltung eines größeren Schießens, verbunden mit großem
Volksfest Abstand zu nehmen.”
Der Schützenkönig erhält die vom Vorgänger gestiftete Ehrenscheibe, die jedoch
Eigentum der Schützengesellschaft bleibt, und 20.- RM. Als neuer Schü-
-88 –
tzenkönig muß er eine Münze zur Schützenkette anfertigen und selbst eine
Ehrenscheibe für das nächste Jahr in Öl malen lassen.
Im Jahresbericht für die Zeit von April 1941 bis März 1942 wird auch von starken
Einschränkungen des Vereinslebens gesprochen: Es gibt kaum Veranstaltungen,
auch keine geselligen Treffen, und nur wenige Vorstandssitzungen. Inzwischen
sind vierundzwanzig Schützen eingezogen worden, unter ihnen am 3.
Oktober 1941 auch Gesellschaftsführer Max Reinhardt.!%
In der Vorstands- und Beiratssitzung vom 26. August 1943 geht es um die
Nutzung des Schützenhauses durch die KLN, vor allem anscheinend um das
Verhältnis der Schützengesellschaft zur SS, von der die KZ-Häftlinge und
Zwangsarbeiter gestellt werden.
‘Zu der Umbesetzung des Schützenhanses durch die KLN bezw. SS wurden verschiedene
Anfragen gestellt, die der Gesellschaftsführer zunächst durch V’erlesung des Vertrages mit der
KLN und der gepflogenen Schriftwechsel klarstellt. Daraus geht einwandfrei hervor, daß die
Einmietung der SS Sache der KLN ist.
Ehrenschützenmeister Knauer teilt noch mit, daß das Bühnenzimmer von der
SS ausgeräumt und benutzt wird.””1%
-89 –
Kriegseinwirkung u.Ableben
am N.April 1%5
gegeben von
Sranz Piebermann
Percy Dieter Grüß)
19 Kronach 6%
Scheibe von 1963
Wohnhaus von Ernst Liebermann
Ermst Liebermann Gedenk-Scheibe
Kriegseinwirkung und Ableben am 11. April 1945
Gegeben von Franz Liebermann
Gewonnen von Dieter Gläßel, Kronach
Gemalt von Ernst Greiner
Ernst Liebermann, 72 Jahre, wurde gemeinsam mit seiner Frau Anna, 74 Jahre,
bei dem ersten Luftangriff der US Air Force auf Neustadt am 11. April 1945 im
Keller seines Hauses Schellerstraße 8 getötet.!
-90 –
Ein Neuanfang
Zu den ersten Maßnahmen, die von den alliierten Besatzungstruppen in ganz
Deutschland angeordnet werden, gehört die Ablieferung aller Photoapparate,
Filmkameras, Filmvorführgeräte, sowie Waffen aller Art. Dazu gehört auch das
Arsenal der Schützengesellschaft und ihrer Mitglieder. Helmut Scheuerich
nennt sie in seiner Geschichte der Stadt Neustadt im 20. Jahrhundert „die alten
Donnerbüchsen der Schützengesellschaft.‘'“°
Scheibe von 1954
60cm
1945 mussten alle Waffen abgegeben und verbrannt werden, erst 1950 war
es wieder möglich Sportwaffen zu haben. Im Hintergrund das Schützenhaus
mit dem Muppberg
Gestiftet von Georg Messner
Gewonnen von Hermann Probst
Gemalt von Albert Schubert
-9-
Aber nicht nur die Abgabe der Schußwaffen wird befohlen. Die Schützengesellschaften
selbst werden aufgelöst, um ihren unheilvollen Einfluß auf die Bevölkerung
Deutschlands auszuschalten. Noch ist das Motiv der reeducation
(Umerziehung) bei den Alliierten lebendig, und gerade die dem völkischen, militaristischen
Lager zugerechneten Schützengesellschaften sollen endgültig beseitigt
werden.
Auch in der deutschen Bevölkerung ist nach dem Schock der Niederlage und
der Erkenntnis, was in ihrem Dritten Reich alles geschehen ist und was sie zu
verantworten haben, die Ablehnung der traditionellen Verbände und Gesellschaften
groß. Die Privilegierte Schützengesellschaft wird nach vierhundertjährigem
Bestehen zunächst ohne weiteres Aufsehen aufgelöst. Der wertvollste
Besitz der Gesellschaft, ihr Schützenhaus, wird nach dem Abzug aller Zwangsarbeiter
und Häftlinge von der Flüchtlingssonderverwaltung Coburg-Land vorerst
als Unterkunft für Flüchtlinge und Vertriebene genutzt.
Die exponierten Mitglieder der Schützengesellschaft, die sich besonders energisch
und fanatisch für den Nationalsozialismus eingesetzt hatten, sind in Neustadt
bekannt, und so wird die Entnazifizierung dieser Männer besonders aufmerksam
verfolgt, auch wenn sie erst Jahre nach Kriegsende abgeschlossen
wird.
Hermann Steiner wird auch hier wieder stellvertretend für die Schützengesellschaft
gesehen. Sein Entnazifizierungsprozeß vor der Spruchkammer Neustadt
führt nach langwierigen Zeugenbefragungen im Januar 1947 zu einem Freispruch
“da er entlastet ist”. Als Begründung dient die Beendigung seiner Parteimitgliedschaft
vor der Machtergreifung, als es noch keine Gewaltherrschaft gegeben
habe. Da er weiterhin vom Sonder-Ministerium bereits eine Sonderarbeitsgenehmigung
erteilt bekommen habe, und die Erledigung des Falles innerhalb
von 60 Tagen angeordnet wurde, wird das Verfahren eingestellt. Steiner ist
zu dieser Zeit bereits wieder als Fabrikant tätig, und damit als Arbeitgeber in
den schwierigen Nachkriegsjahren unentbehrlich.
Natürlich führt der Freispruch zu heftiger Empörung in der Bevölkerung. Die
SPD veröffentlicht eine Stellungnahme, in der alle Vorbehalte gegen die Person
des ehemaligen Direktors der Schützengesellschaft zusammengefasst werden:
“Dieser Freispruch löste unter der einheimischen Bevölkerung eine tiefgehende Erregung ans“,
und führt schließlich zur Einberufung einer öffentlichen Versammlung mit
etwa 1500 Personen. Außer der Demokratischen Partei sind alle anderen Parteien
mit prominenten Rednern vertreten, und auch der Sohn und die Tochter
Hermann Steiners können “zeitlich unbeschränkt und unbehindert sprechen.”
Über den Fall wird eine Entschließung “gegen nur vereinzelte Stimmen” angenommen,
in der auch die Schützengesellschaft wieder erwähnt wird:
“Jedermann in Neustadt weiß, daß Steiner der Vater der Nazibewegung in Neustadt gewesen
ist, daß er es war, der nicht ruhte, bis er Hitler zu einer Versammlung nach Neustadt
brachte, daß er seine Stellung in der Schützengesellschaft dazu ausnützte, für die Nazis fanatisch
zu werben und daß er der geistige Urheber und moralisch Verantwortliche dafür ist,
daß zahlreiche Nenstadter heute vor die Spruchkammer zitiert werden müßen und als
-2-
Miitläufer, Minderbelastete oder gar als Belastete zur Rechenschaft gezogen werden und daß in
der Auswirkung seines nationalsozialistischen Aktivismus mancher pflichttreue Beamte seine
Stellung verlassen mußte.
Das spätere Verhältnis Steiners zur Nazipartei mag beurteilt werden, wie es will, es kann
niemals das aufwiegen, was er als typischer Aktivist der Nazi in Neustadt für diese und die
Eroberung der Macht durch sie getan hat.
(.)
Wenn ein Aktivist wie Steiner entlastet werden kann, dann war die bisherige Anwendung
des Entnazifizierungsgesetzes gegen hunderte von harmlosen Pg’s in Neustadt ein Unrecht!
Durch die Entscheidung der Spruchkammer im Falle Steiner ist die pohtische Sanberung in
Neustadt, die bisher das Vertrauen der ganzen Bevölkerung hatte und allseits als gerecht anerkannt
wurde, in eine ernste Krise geraten. Wir erwarten vom öffentlichen Kläger, daß er gegen
das Spruchkammerurteil Berufung einlegt und dadurch den weiteren Fortgang der Entnazifizierung
in Neustadt vor dem sonst unvermeidlichen politischen Zusammenbruch. bewahrt….
107
Unbeobachtet kann Hermann Steiner nach dem Zusammenbruch des Dritten
Reiches nicht mehr in Neustadt aktiv werden. Für die Schützengesellschaft bedeutet
dies, daß er nie wieder eine offizielle führende Position in der Gesellschaft
einnehmen kann.
Hinter den Kulissen ist er jedoch weiterhin an der wenn auch verbotenen Schützengesellschaft
interessiert, und unterstützt seine Mitstreiter nach Kräften.
Oberste Priorität hat für sie das weitere Schicksal des Schützenhauses, das ohne
existierenden Schützenverein herrenlos geworden ist. Direkt nach Kriegsende
steht die Einquartierung der Flüchtlinge und Vertriebenen außer Frage, dafür
ist die Not viel zu groß. Sobald sich die Wohnungslage aber etwas entspannt,
melden sich schon erste Übernahmewillige, unter ihnen eine Gewerkschaft,
auch eine Partei zeigt sich interessiert.!08
Im Sommer 1948 beruft Bankdirektor Nußpickel, Mitglied der verbotenen
Schützengesellschaft, eine Versammlung ein, in der es vordergründig nur um
das Kinderfest und ein Volksfest geht. Das Schützenhaus rückt aber immer
weiter in den Vordergrund. Tenor der Versammlung ist jedoch, auch bei den
ehemaligen Mitgliedern, daß es nicht mehr möglich sei, die Schützengesellschaft
nach ihrer jüngsten Vergangenheit wieder zum Leben zu erwecken.
In ihren Ausführungen zeigen sich einige der Redner allerdings wenig beeindruckt
von den Erfahrungen des Dritten Reiches. Nach Ton und Inhalt ist das
Protokoll der Versammlung ein Dokument des Festhaltens an alten Auffassungen,
wie zum Beispiel der Ablehnung egoistischer Parteipolitik im Gegensatz
zur Volksgemeinschaft, und der Notwendigkeit, neue Wege zu finden,
ohne zu wissen, wohin es gehen könnte.
“Niederschrift über die Besprechung am 25.8.1948 im Schützenhaus Neustadt bei Coburg
wegen Olktober-Fest.
-93 –
Die Besprechung, zu der rund 150 Personen eingeladen worden waren, wurde um 20.20 Uhr
von dem Beauftragten, Herrn Direktor Nußpickel, eröffnet mit der Begrüßung der anwesenden
40 Damen und Herren unter gleichzeitiger Übermittlung seines Dankes für ihr Erscheinen,
insbesondere des Vertreters der Stadtverwaltung Neustadt und des Herm Kanfmann
Hermann Steiner.
Der Redner stellte seinen Ausführungen eine kurze Schilderung voran, wonach es Leute ge-
‚geben habe, die öffentlich behaupteten, Herr Nusspickel hätte jetzt keine andere Sorgen als zu
‚feiern. Die Wiiderlegung dieser bösen Zungen gipfelte in dem sehr wahren Wort: ‘Brot und
Spiele”, das schon im alten Rom der treibende Motor im Volke war. Herr Nusspickel hieß
dann in seinen folgenden Darlegungen klar und deutlich den Sinn und Zweck der heutigen
Zusammenkunft ersteben und wies daranf hin, daß wir seit einigen Wochen durch die Währungsreform
soweit sind, daß uns die dringendsten Sorgen und Nöte genommen sind und daß
ein Wunder geschehen sei, hauptsächlich für die aus der Ostzone kommenden Leute. Er unterschied
weiter zwischen 3 Dingen, nämlich
dem rein Geistigen — der Freude am Leben — dem rein Wirtschaftlichen
und fuhr fort, daß es eine große Aufgabe sei, andern Freude wieder zu vermitteln, die nach
langen Kriegsjahren und vielen Jahren der Sorgen und Entbehrungen jetzt wieder eine Daseinsberechtigung
habe.
Die heute anfgelöste Schützengesellschaft hat dazu schon immer einen wesentlichen Punkt beigetragen,
denn das oV gelschießen im August war tief im Herzen der Neustadter verankert,
genauso wie irgendwo anders z.B. in Rauenstein, Sonneberg, Coburg, Kronach usw. Die Tradition
des Nenstadter Vogelschießens als Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes ist Jahrhunderte
alt. Deshalb sei es auch der Zweck der heutigen Besprechung, alle die Menschen zusammenzuführen,
die die Pflicht in sich fühlen, etwas für die Allgemeinheit zu tun. Der
Referent betonte mit Nachdruck 3 inhalts- und schicksalsschwere Worte, die folgendermaßen
heißen:
- Neue Zeiten — Neu Gebräuche — Neu Notwendigkeiten – !
Unter Fortsetzung der bisherigen Tradition müßte heute etwas Neues ausprobiert werden und
das sei sehr schwer. Herr Nusspickel wies jedoch daranf hin, daß z.B. das Oktober-Fest in
München so große Bedeutung erlangt habe, daß man sogar Wechsel zu diesem Zeitpunkt
zahlbar gestellt hat. Dann fuhr der Redner fort, daß er bereits mit Herrn Heerlein und Fran
Marta Fleischmann gesprochen hätte, daß das Fest eben zu einem anderen Zeitpunkt, etwa
im September schon, stattfinden könnte, wenn es im Oktober nicht möglich sei. Vielleicht
könne man auch einmal dem Gedanken nähertreten, eine Angelegenheit nach dem Muster des
‘Hamburger Doms” aufzuziehen in Verbindung mit der hiesigen Puppenindustrie. Dies sei
zwar nicht so leicht, sagte Herr Nusspickel, doch erinnere er daran, daß in dieser Gaststube
des Schützenhauses schon mancher harte Kampf ausgetragen worden sei. Es denke da an das
Jahr 1935 und an die damaligen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, wo jeder seine Sor-
‚gen und Nöte hatte und nicht an die Allgemeinheit dachte. Er glanbt, daß Nenstadt heute in
einer ähnlichen Lage, jedoch viel zu träge ist, um irgendwie einen helfenden Anfang zu einem
rettenden Ausweg zu machen. Dann spricht Herr Nusspickel im besonderen von dem
Schützenhaus-Gebände und schlägt vor, einen Verein zu gründen, etwa einen Bürger-V’erein
oder sonstigen. Das kleine Gremium, das hente hier anwesend ist, sind die Anfänger. Der
Name der Vereinigung tut nichts zur Sache, die Hauptsache ist der Geist, für unsere Stadt
-94-
wieder einmal eine Vereinigung zu schaffen, die gewillt ist neben ihrem eigenen Geschäft und
Beruf, soviel Zeit zu finden, sich dem zu widmen, was unserer Stadt und unseren arbeitenden
Mitbürgern zugute kommt.
Nachdem Herr Nusspickel bei Abschluß seiner Ausführungen Herr Bürgermeister-Stellvertreter
Plitz die Weiterführung der Besprechung angetragen hatte, dieser jedoch dankend
ablehnte, trat eine kleine Pause ein.
Um 20.45 Uhr nahm Herr Kaufmann Steiner (Hermann) das Wort und begann damit,
daß er und wohl alle Anwesenden mit ihm noch unter dem Eindruck der Rede von Herrn
Nusspickel stehen.
Anschließend unterstrich Flerr Steiner wiederholt die Tatsache, daß diese Stunde eine Geburtsstunde
aller ersten Ranges sei. Er meinte, daß wir heute in ähnlichen Verhältnissen wie
im Jahre 1920 seien, wo wir damals auf eine Inflation zustenerten. Dann fing es ungefähr so
an wie heute. Wir waren alle arm, genau wie jetzt. Seinerzeit allerdings sei der Zeitgeist vorhanden
gewesen, der mit dem heutigen nicht zu vergleichen ist. Alles was damals geschah, war
mehr oder weniger getragen von dem tiefen Eindruck eines verlorenen Krieges und bis sich das
deutsche Volk wieder sammelte, das bedurfte allerlei Geburtswehen. So ähnlich ist es heute.
Im Jahre 1924 seien erstmalig die Pläne erwogen worden, ob die Saalverhältnisse noch zeitgemäß
erscheinen. Der Stadtrat erließ eine Auflage nach der anderen, wie dies und jenes gemacht
werden müfste.
Im Verlaufe seiner weiteren Ausführungen betonte Herr Steiner, er wolle nicht haben, daß
Jetzt die Meinung hinausgetragen wird, die alten Nazi oder die Schützen seien wieder auf dem
Plan. Es ist vielmehr so, daß im Vordergrund das Schützenhaus steht. Es war zwar ein
Wagnis, es damals zu bauen, doch heute steht es da und es steckt viel Schweiß‘, Arbeit und
Mühe darin. Aber, so meinte Herr Steiner, wir haben heute noch nichts zu melden, doch einmal
muß es ja wieder freigegeben werden, denn der Geist, der darin herrschte, war ein gesunder
Geist, getragen von der Vaterlandsliebe, doch die Zeit der Schützengesellschaft ist vorüber,
heute gibt es das nicht mehr. Es wäre wohl auch nicht das Richtige, wenn der nene Verein
Bürger-Verein hieße, denn damit würde ein Name für etwas Spezielles auftreten. Er warnte
deshalb, vorsichtig zu sein, bei all diesen Erörterungen. Anßerdem erinnert er noch daran,
daß der Sportverein und auch die SPD daran interessiert sind, das Gebände zu bekommen.
Abschließend sagte Herr Steiner, daß das Kinderfest nur hier gefeiert werden kann auf diesem
traditionellen Platz und auch in dem Gebände mit seinen Möglichkeiten. Er begrüßte es
daher, daß heute Herr Phitz da ist und verschiedene andere Herren.
Herr Steiner heß dann seine Ausführungen mit der Erwägung enden, daß vielleicht mancher
der jetzt Anwesenden vorher gedacht hat, heute wieder einmal etwas von seinem der Schützengesellschaft
zur Verfügung gestellten Gelde zu hören, was nun leider nicht der Fall ist. Es ist
eben gerade jetzt eine schwere Geburtsstunde, ähnlich wie damals, doch heute ist es noch viel
schwieriger.
Nunmehr forderte Herr Nusspickel verschiedene anwesende Herren zur Diskussion auf, was
zunächst keinen Erfolg hatte. Dafür ergriff Frau Marta Fleischmann das Wort und führte
aus, daß Feste wohl gefeiert werden müssen, weil die Schausteller dabei ihr Brot verdienen. Sie
-95 _
habe auch das Standgeld anlässlich des letzthin abgehaltenen Festes kassiert und damit fast
500 Mark eingebracht.
Herr Nusspickel dankte der Rednerin für ihre selbstiose Arbeit und Herr Steiner schaltete
ein, daß das Volksfest in Zukunft so gelegt werden muß, daß es vor dem Coburger Volksfest
stattfindet, damit die Schausteller von hier aus nach Kronach usw. gehen könnten, denn damit
sei die Route geschlossen.
In Fortsetzung der Diskussion, fragt Herr Kurt Müller an, worum es heute Abend eigentlich
‚gehe, um das Oktober-Fest oder um das Gebände Schützenhaus. Herr Nusspickel antwortete,
es ginge in erster Linie um das Fest, es sei dies das alte V’ogelschießen in neuer Form.
Herr Müller fährt fort: Zu dem Fest gehört auch ein Gebände. Die Jägersruh reicht nicht
mehr aus für Nenstadt. Das Schützenhaus wäre aus diesem Grunde von allen Vereinen sehr
erwünscht. Herr Müller sagte, er spreche als Vertreter der Box-Abteilung des Sportvereins
und wolle erreichen, daß mit den Box-Veranstaltungen der Schützenhaus-Saal wieder der
Allgemeinheit zugeführt werde. Von der Warte der Sportler aus betrachtet, wäre die Wiiedereröffnung
des Hauses nur zu begrüßen. Zu diesem Zwecke aber müßten zuerst die Flüchtlinge
aus dem Saal heraus. Es sei auch schon in München versucht worden, dieses Übel abzustellen.
Herr Müller meinte abschließend, wenn die Sache von der Stadtverwaltung ans richtig
angefaßt werden wird, so ist München (Flüchtlings-Kommissariat) bereit, Baracken aufzustellen.
Er erhebt die Frage: Wer ist die Rechtsperson? Wer soll sie werden? Die Finanzierung ist
das A und O!
Als weiterer Redner bat Herr Maurermeister Alfred Martin ums Wort und sprach:
Es ist anzunehmen, daß über kurz oder lang der Besitz der Schützengesellschaft zurückgegeben
wird. Dann erhebt sich die Frage, ob dem neuzugründenden Verein überhaupt das
Anwesen übertragen werden kann. Es sei daher notwendig, mit der Militär-Regierung Rücksprache
zu nehmen.
Hier schaltet Herr Nusspickel ein, daß es gar nicht wichtig ist, wer der Nachfolger der Schätzengesellschaft
wird. Die amerikanische Politik verfolge den Zweck, daß, wer die Arbeit geleistet
hat, auch die Früchte genießen soll. Wichtig sei, daß endlich einmal ein Anfang gemacht
werde. Er betonte nochmals, daß damit die Anfgaben erfüllt werden sollten, die notwendig
seien nicht nur für die eigenen persönlichen Interessen, sondern für die Gesamtheit der
Neustadter Bevölkerung.
Herr Nusspickel schlägt vor und fragt: Wollen wir etwas Neues beginnen!?
Daraufhin spricht Herr Emil Wolf und betont ausdrücklich, daß er nicht als Vertreter einer
Partei hier stehe. Er führte weiter aus, daß es notwendig sei, daß das Schützenhaus der breiten
Öffentlichkeit zugeführt wird, denn Coburg hätte schon mit seinem kürzlich dort abgehaltenen
Volksfest (V ogelschießen) eine gute Einnahme-Quelle gehabt. Damit machte er unseren
Stadträten den Vorwurf einer Unterlassungssünde, die sich praktisch so ausgewirkt
hätte, daß der Gemeindekasse allerhand an V’ergnügungsstener verloren gegangen sei. Erst
aber, so betonte Herr Wolf; müsse die Rechtsnachfolge geklärt werden. Er nimmt an, daß bei
der Militär-Regierung kein Erfolg zu erwarten sei. Jedenfalls aber, meinte er, gehe es nicht an,
-96 –
daß Einnahmemöglichkeiten brach liegen. Das Wichtigste jedoch wäre, daß erst einmal eine
Vereinigung gegründet würde, was dann wird, steht auf einem zweiten Blatt.
Herr Nusspickel dankt Herrn Wolf für seine verständisvollen Worte und erklärt, daß es
nicht auf die Partei, sondern auf den Menschen ankommt. Nach einer kleinen Abschweifung
vom eigentlichen Thema, die jedoch nicht uninteressant war, unterstrich er nachdrücklichst,
daß eine Plattform gefunden werden müßte, auf der weitergebaut werden könnte. Er bat sodann
Herrn Steiner, die Weiterführung der Besprechung zu übernehmen.
Nach einer eingeschalteten Abstimmung von allgemeiner Seite meldeten sich 30 Personen, die
für einen Nenaufbau waren.
Endlich erhob sich Herr Bürgermeister-Stellvertreter Pltz und dankte für die Einladung zu
dem heutigen Abend, wobei er das Fernbleiben des Herm Oberbürgermeisters Dr. Weppiler
entschuldigte. Er machte zunächst allgemeine Ausführungen und sagte schließlich, daß heute
nicht die rechte Zeit sei, Feste zu feiern, aber er erinnert doch an das Wort, das Herr Nuss-
Dickel schon zitierte, nämlich: Brot und Spiele. Er hob aber ganz besonders hervor, daß das
letzhbin abgehaltene Volksfest auf dem Schützenplatz kein Fest, sondern ein “Tingel-Tangel”
gewesen sei und daß Feste letzten Endes auch eine Einnahmequelle für die Stadt bedeuteten.
Ein Oktober-Fest abzuhalten, meinte der Redner, wäre vielleicht nicht das Richtige, ein Puppen-
und Spiehvarenmarkt wäre besser. Damit könnte unsere Produktion bekanntgemacht
werden. Er empfahl, einen Verein zu gründen, der sich mit der Fleimatpflege befasst. Jeder
Kastengeist sollte ausgeschaltet werden. Unter der Pflege der alten Sitten wollen auch die
Flüchtlinge mithelfen, in ihrer nenen Fleimat den Gemeinschaftsgeist zu fördern.
[Herr Plitz ist Mitglied der Wählergruppe der Überparteilichen, Flüchtlinge,
Evakuierten und Kriegsgeschädigten und Zweiter Bürgermeister von Neustadt;
die harten Worte, die in der Versammlung über die Einquartierten im Schützenhaus
geäußert wurden, werden ihm sicherlich nicht gefallen haben.]
Zur Frage des Gebäudes erklärte Herr Phitz, daß das Schützenhaus wieder ein Gesellschaftshaus
werden müsse. Die bisherigen T’heaterdarbietungen seien nur Schmierbühnen gewesen.
‚Außerdem, so betonte er, sei der Bau des Hanses wohl nicht so recht geglückt.
Herr Phitz wirft weiter die Frage anf: Wer kann Rechtsnachfolger der Schützengesellschaft
werden als Besitzer des Hauses?
Er schlägt vor, ein kleines Gremium interessierter Damen und Herren zu bilden.
Im übrigen habe er deswegen noch nicht mitabgestimmt, weil er noch nicht klar gesehen habe,
worum es eigentlich gehe und was überhaupt geschehen solle. Nach Klärung dieser Sachlage
versicherte er jedoch, daß die Stadträte dafür sind, das kulturelle Leben zu fordern.
Herr Nusspickel dankt Herrn Plhitz für seine interessanten Worte und stellte fest, daß Herr
Phtz wüßte, worum es ginge.
Darauf sagte Herr Hermann Steiner, daß auch er der Ansicht sei, daß Herr Phitz das Richtige
getroffen habe und daß zunächst einmal eine Vereinigung gegründet werden solle, was
auch bei dem Amerikaner günstigen Anklang finden würde. Vielleicht sei der Name
“Heimat-Verein”
-97 –
das Geeignete.
Herr Nusspickel erwiderte darauf, dieser Gedanke hätte ihm schon seit Jahren vorgeschwebt.
Nach wiederholten und vergeblichen Versuchen, das Wort zu bekommen , trat dann Herr
Kantor Fritz Müller auf und unterstützte die Ausführungen des Flerrn Plitz, nachdem dieselben
den Kern der heutigen Sache getroffen hätten. Er, so betonte Herr Müller, spreche als
Vertreter der Jugend und als ‘Musikant”. Er möchte noch das Wort “kulturell” mit in den
Namen des neuen Vereins hineingelegt wissen. Er führte noch aus, daß das Ziel der hentigen
Besprechung zwar klar sei, aber nicht die Form. Es sei vorerst notwendig, ein Gremium zu
bilden und dann das Weitere zu veranlassen.
Herr Kurt Müller schlägt anschließend ebenfalls vor, daß geeignete V’orschläge ans der Mitte
der Anwesenden gemacht werden sollten und benennt Herrn Hermann Steiner als Ersten für
das beabsichtigte Gremium. Dann könnte alles weitere beschlossen werden.
Herr Steiner wiederum macht den Vorschlag, daß Flerr Nußpickel der Mann sei, der alles so
weitermacht wie bisher.
Daraufhin schließt Punkt 10 Uhr Herr Nusspickel die Zusammenkunft und dankt allen
Erschienenen nochmals für das bekundete Interesse. Vielleicht, so endete Herr Nusspickel,
läßt sich später einmal eine Plattform finden, auf der man weiter aufbanen könnte.
Es folgte ein allgemeines Erstaunen und Ausrufe wie: “Was, so kurz!” und, Was ist überhaupt
los?” wurden laut.
Noch in die V’erwunderung aller Anwesenden hinein begann Herr Kaufmann Max Reinbardt
mit seinen Ausführungen, worin er zum Ausdruck bringen wollte, daß Herr Nuß-
Pickel eben einen Namen finden mußte für eine Sache, die nur um die Erhaltung des Hauses
geht. Herr Reinhardt schloß seine kurze Rede damit, daß er auch den Vorschlag mache, es
solle ein Gremium gebildet werden.
[Max Reinhardt ist ebenfalls Mitglied der Privilegierten Schützengesellschaft]
Daraufhin erinnerte Herr Nusspickel an die großen Vorarbeiten bei den Schützenfesten und
daß es nicht so einfach ist, Feste zu feiern, denn es gehörten viele Vorbereitungen dazu. Er
schlägt deshalb vor, Herrn Steiner zu bestätigen, der dann seine Mitarbeiter aussucht.
Nunmehr hält auch Herr Eritz Pechtold den Zeitpunkt für gekommen, das Wort zu ergreifen.
Nach seiner Anffassung sei es von Herrn Nusspickel nicht ganz demokratisch gewesen,
die Versammlung einfach aufzulösen. Er schlägt deshalb ebenfalls vor, daß ans den heute hier
Anwesenden ein Gremium gebildet wird, das den Zweck und das Ziel bestimmt.
Sein Vorschlag lautet: Herrn Nusspickel als ersten Mann!
Darüber soll abgestimmt werden, was Herr Steiner vornimmt. Sämtliche Anwesenden sind
bis auf 2 Gegenstimmen dafür.
Herr Pechtold schlägt dann weiter noch Herrn Plitz vor.
[Fritz Pechtold war während des Krieges 2. Stellvertreter des Führers der
Schützengesellschaft]
-98 –
Aus der nunmehr einsetzenden allgemeinen Debatte kristallisierte sich allmählich die übereinstimmende
Ansicht heraus, erst Vorschläge für das Gremium zu machen, das gebildet werden
soll. Dies wurde einstimmig angenommen.
Und jetzt läßt Herr Hermann Steiner über sämtliche aus der Mitte der V’ersammelten kommenden
Vorschläge einzeln abstimmen, was zu folgendem Ergebnis führte:
Es wurden für das in Frage kommende Gremium einzeln und nacheinander einstimmig
gewählt die Herren
1.) Herr Rudolph Nusspickel
2.) Herr Hermann Steiner
3.) Herr Phtz
4.) Herr Fritz Müller
3.) Herr Kurt Müller
6.) Herr Fritz Pechtold
7.) Herr Eduard Kramer
8.) Herr Erich Müller
9.) Herr Christian Hofmann.
[Christian Hofmann war 1. Stellvertreter des Führers der Schützengesellschaft]
Herr Fritz Pechtold schlägt dann vor, daß das Gremium in kürzester Zeit zusammentritt
und dann wieder Einladung ergehen läßt, um das Beschlossene vorzutragen.
Nach einer allgemeinen Beratung kam man zu dem Schluß, daß sich die dem neugewählten
Gremium angehörenden 9 Herren am Donnerstag, den 2.9.1948, abends 8 Uhr, bei Herm
Steiner im Büro treffen, um erst einmal die Vorbesprechungen zu den kommenden Ereignissen
durchzuführen.
Auf Grund der hierdurch eingetretenen Einmütigkeit aller Anwesenden schloß um 22.20
Uhr Herr Nusspickel nunmehr endgültig die Besprechung und dankte nochmals allen Erschienenen.
Nenstadt bei Coburg, den 23.8.1948
Nachrichtlich: Wittmann
Protokollführer.”’”
Kurze Zeit nach dieser Versammlung wird im Herbst 1948 das Verbot der
Schützengesellschaften durch die Amerikanische Verwaltung aufgehoben. Damit
ist es nicht mehr nötig, das Schützenhaus über den Umweg einer Vereinsgründung
vor dem Zugriff anderer Interessenten zu retten. Die Privilegierte
Schützengesellschaft Neustadt orientiert sich nach der Wiederzulassung sofort
neu, die bisher öffentlich geäusserte Meinung, eine Gesellschaft wie sie passe
nicht mehr in die Zeit, ist vergessen. Vorherrschend ist jetzt die Meinung, es
soll mehr oder weniger so weitergehen wie bisher. Auf der ersten Mitgliederversammlung
nach der Wiederzulassung werden die Beweggründe für die Gründung
des „Kulturbundes“ ganz klar ausgesprochen, und auch der „varterländische
Geist“ kommt nicht zu kurz.
99.
„Protokoll über die 1. Mitglieder-Versammlung der Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg
nach der Vermögensfreigabe am Donnerstag, den 4.11.1948, abends 8 Uhr im
Schützenhaus.“
Bei dieser Versammlung, die von Herrn Nußpickel als bisherigem Schatzmeister
einberufen wird, finden sich 28 ehemalige Mitglieder ein. Zunächst teilt der
Schatzmeister mit, “daß die ehemalige Schützengesellschaft kürzlich aus der Vermögenssperre
gem. Gesetz Nr. 52 von der Amerikanischen Mihtär-Regierung entlassen worden ist.”
Nußpickel stellt sich selbst als Vertreter des eingesetzten Treuhänders, Architekt
J.O. Berger aus Coburg vor. Wieso die Versammlung nicht vom ehemaligen
Direktor Max Reinhardt einberufen wird, geht aus den Unterlagen nicht
hervor, es könnte sein, daß Rudolf Nußpickel als politisch unbelasteter Mann
im Vordergrund stehen soll.
Erste Aufgabe ist die Annahme einer neuen Satzung für die Schützengesellschaft.
Die alte Einheitssatzung aus dem Dritten Reich ist nicht mehr tragbar.
Um eventuelle juristische Fragen zu klären, ist Amtsgerichtsrat Dr. Eberhardt
anwesend, der jedoch nur einige kleine Änderungen an der neuen Satzung vornimmt.
Herr Eberhardt war übrigens verantwortlich für den Entnazifizierungs-
Prozeß Hermann Steiners.
Nachdem dieser seine neue Satzung vorgelesen hat, meldet sich Rudolf Nußpickel
zu Wort:
‘Herr Nußpickel meinte, man könne diesem Entwurf Vertrauen schenken und er bittet um
Eintscheidung darüber, ob derselbe so angenommen werde oder ob irgendwelche Wünsche hinsichtlich
Abänderung oder Ergänzung bestehe.”
Für Hans Lunz ist der Zweck der Gesellschaft mit “Pflege der Geselligkeit und
historischen Sitten” za eng gefaßt, er möchte unbedingt die “Pflege des Feimatgedankens”
aufgenommen wissen.
“Außerdem halte er den Punkt, sich jeder politischen Tendenz zu enthalten, nicht für angebracht.
Es müsse unbedingt der vaterländische Geist gepflegt werden aber ohne Parteipohtik.”
Seine Anregungen werden ebenfalls allgemein akzeptiert.
Nachdem die Gesellschaft mit einer demokratischen Satzung versehen ist, kommen
die Mitglieder zur Wahl des Vorstandes. Max Reinhardt als bisheriger und
im Prinzip immer noch amtierender Vorstand schlägt die schriftliche Wahl des
Direktors und des Schatzmeisters vor. Bevor es zur Wahl geht, macht Hermann
Steiner noch einige Bemerkungen zum Gang der Dinge.
‘Herr H. Steiner machte einige Ausführungen aus der Vergangenheit und hebt hervor, daß
er immer mit Interesse an der Gesellschaft gehangen habe und auch heute noch der Sache
etwas schuldig ist. Er führte aus, daß im Frühjahr ds. ]s. wieder etwas an ihn herangetreten
sei. Das war die Innere Mission, die eine segensreiche Tätigkeit betreibt. Und die Angele-
‚genheit “Oktoberfest” habe ihn erst recht wieder auf den Plan gerufen. Damals wurde davon
gesprochen: wer ist der Rechtsnachfolger der Schützengesellschaft? Er kann nur aus der
Zwangsversteigerung hervorgehen! Das alles war dazu angetan, alle Kräfte zu entfachen, damit
diese Kreise ausgeschaltet wurden. Es ist ihm gelungen, bestimmte Kreise zu mobilisieren
und einen “Kulturbund” auf den Plan zu rufen. Das wäre ein Weg gewesen bis ihm dann ein- 100 –
Ausschnitt des Staatsanzeigers in die Hände fiel, wonach von den Militär-Regierungen die
Schützengesellschaften wieder freigegeben sind.”
Natürlich weiß Hermann Steiner, daß ihm der Weg an die Spitze der Privilegierten
Schützengesellschaft verbaut ist, seine Hilfe bietet er der neuen Gesellschaftsführung,
den “Männer(n) mit Ideahsmus“, aber trotzdem an.
‘Er macht den Vorschlag, daß der noch bestehende Vorstand wieder so gewählt werden soll,
wie er bisher war, wobei er noch besonders hervorhob, daß Herr Nusspickel bisher tatkräftig
eingegriffen habe und rettete, was zu retten war.
Herr Lunz machte den Vorschlag der Wiedergutmachung. Die Herren, die abtreten muften,
sollen wieder amtieren. Er bittet darum, sich auf Flerrm Max Reinhardt zu konzentrieren.”
Dieser Vorschlag ist natürlich besonders heikel: Dafür, daß die Führung für ihr
nationalsozialistisches Engagement während des Dritten Reiches nach der Kapitulation
abgesetzt und die Gesellschaft verboten wurde, sollen sie entschädigt
werden.
Die personelle Kontinuität bleibt bei der Wiedergründung gewahrt. Erst die
neuen Mitglieder, die als junge Männer nach 1948 eintreten, vollziehen den Generationen-
und Einstellungswandel. Diese jungen Schützen blicken nach vorne,
und versuchen, die jüngste Vergangenheit, wie beinahe alle in dieser Zeit,
ruhen zu lassen. Von den Ereignissen um die alte Schützengesellschaft wissen
sie kaum etwas.
„Nein, nein. Von Hermann Steiner und so gar nichts.“
(Interview Gerhard Limmer)
In den Vorstand werden am Abend des 4. November 1948, wobei jeder der anwesenden
Schützen zwei Stimmen hat, schriftlich gewählt:
Max Reinhardt 24 Stimmen (Direktor)
Hermann Steiner 1 Stimme
Christian Hofmann 2 Stimmen
Rudolf Nusspickel 26 Stimmen (Schatzmeister)
Hands Lunz 1 Stimme
insg. 54 Stimmen
‘Herr Nusspickel gibt bekannt, daß Max Reinhardt der Mann ist, der auch in schweren
Zeiten bereit war, das Ruder zu führen. Er überträgt Herm Reinhardt die Geschicke der
Gesellschaft und bittet ihn, dieselben weiter zu leiten in dem Sinne, wie schon sein Vater die
Gesellschaft geleitet hat.”
Für die weiteren Ämter werden auf Vorschlag des neuen Vorstands einstimmig
berufen:
Christian Hofmann Kassierer
Hans Lunz Protokollführer
Karl Müller Platzwart
Beisitzer Eduard Knauer und Ernst Blaurock
Hermann Steiner Ehrendirektor.- 101 –
Danach werden die eher praktischen Fragen angesprochen: Wie soll es mit den
Mitgliedsbeiträgen gehalten werden?
In der Einladung zur Sitzung hatte Nußpickel die ausstehenden Mitgliedsbeiträge
auch für die Jahre des Verbots angemahnt. Diese Aufforderung “war der
Prüfstein für die Treue der Mitglieder gegenüber der Gesellschaft”.
Er schlägt vor, für 1945, 1946, 1947 und bis zum 30. Juni 1948, dem Tag der
Währungsreform, eine Pauschale von 5.- DM zu erheben.
‘Herr Nusspickel sagt dann wörtlich: ‚Meine heben Kameraden! Ihr habt der Gesellschaft
die Treue gehalten und die wird Euch belohnt werden.“
Anschließend eröffnet der Redner gute Aussichten für die Zukunft. das Haus wird eines Tages
der Mittelpunkt der Stadt werden und die heute Anwesenden werden in dem Neugründungs-
Protokoll erscheinen. Es ist eine feierliche und denkwürdige Stunde für jeden, der heute
daran teilnimmt. Er freue sich darüber.”
Die Versammlung einigt sich auf 5.- DM für die Zeit bis Ende 1948. Ab 1949
soll der Monatsbeitrag dann 1.- DM betragen.
So wird die Privilegierte Schützengesellschaft nach und nach in den Normalzustand
zurückgeführt, mit einer bedeutenden Änderung. Die Kassenlage hat sich
durch die von Anton Rossa vor gerade einmal neun Jahren erreichte Umschuldung
und die Währungsreform scheinbar erheblich verbessert. Schatzmeister
Nußpickel erläutert die finanziellen Verhältnisse mit einem Einheitswert von
120.000.- Mark, einer Bankhypothek von 50.000.- RM, die durch die Währungsreform
auf 5.000.- DM abgewertet wurde. Die restlichen 45.000.- Mark fallen
dem Lastenausgleich zu. Die Hypothek der Reichelbräu ist inzwischen bis auf
3.000.- Mark abbezahlt.
“Weiter ungefähr 25.000.– Mark Hypothek von den Mitghedern Steiner, Hofmann, Elsner
usw. Dieselben sollen auf ihren Anteil verzichten. – Wir haben ein Vermögen von rund
150.000.- Mark zu verwalten.”
Es wird sich in den folgenden Jahren herausstellen, daß die Verhältnisse längst
nicht so geordnet und durchsichtig sind, wie es in den Ausführungen des
Schatzmeisters scheint. Erst 1953 erreicht die Schützengesellschaft eine endgültige
finanzielle Übersicht.
Andere Traditionen können unbelastet weitergeführt werden, so wird der Donnerstag
wieder als Gesellschaftsabend festgelegt, und auch das erste neue Mitglied,
Amtsgerichtsrat Dr. Eberhardt, kann bei der Gründungsveranstaltung
aufgenommen werden.
Zum Abschluß skizziert Ehrendirektor Steiner den zukünftigen Weg, den die
Schützengesellschaft mit Hilfe der neuen politischen Kräfte gehen soll, und
bringt zum Ausdruck, “daß sich die neue Vorstandschaft ein Ziel stecken muß. Der Kul-
Zurbund ist heute überholt. Er empfiehlt, die Verbindung mit Herm Oberbürgermeister Dr.
Weppler aufzunehmen, der wohl auch an dem Ziel der neugegründeten Gesellschaft mithelfen
wird. 110
Der Kulturbund, so kurzlebig er auch war, muß doch eine gewisse Aktivität- 102 –
entfaltet haben. In einer Vorstandssitzung am 27. Januar 1949 stellt sich heraus,
daß der kürzlich verstorbene Schatzmeister Robert Nußpickel auf Kosten der
Schützengesellschaft einen Flügel angeschafft hat, der im Grünthal aufgestellt
wurde.
“Ursprünglich sei das Geschäft im Namen des Kulturbundes abgeschlossen worden.”
Auch im Schützenhaus, das Zimmer für Zimmer geräumt wird, normalisieren
sich die Verhältnisse. Allerdings in Begleitung ständiger Reibereien mit den
Mietern und der Flüchtlingsbehörde. Mit dem ehemaligen Mieter Kabel- und Leitungswerk
Neustadt verhandelt die Gesellschaft längere Zeit über die Wiederherstellung
des früheren Zustandes des Schützenhauses, der durch die Nutzung als
Produktionsstätte arg gelitten hat. Hier wird es für die Schützen zum Nachteil,
das kurz nach Kriegsende eine Übergabe stattgefunden hat, in der weitere
Forderungen an das Kabelwerk ausgeschlossen wurden. In einer Aktennotiz
der KLN zur Begehung des Schützenhauses am 22. Juni 1945 heißt es:
‘Nachdem die letzten Ausländer [hauptsächlich Zwangsarbeiterinnen aus der
Ukraine] #2 16.6. das Schützenhans verlassen haben, hatte uns die Schützengesellschaft in
Verfolg unserer Kündigung vom 31.35.45 zu einer Lokalbesichtigung zum heutigen Tage aufgefordert,
um ihre Wünsche zwecks Herstellung des alten Zustandes der von uns teilweise geänderten
Räume zu übermitteln.”
Durchgeführt wird die Besichtigung von den Schützen Hofmann, Knauer und
Blaurock, die KLN wird vertreten durch die Herren Rode und Metz.
‘Die Arbeiten müssen schleunigst, jedoch ohne die Volksdeutschen zu schädigen, die seit 2
Tagen im Schützenhaus untergebracht sind, durchgeführt werden.”’2
Als sich herausstellt, daß sich gegen die juristisch sichere Position des Kabelwerks
nicht angehen läßt, akzeptiert der Vorstand der Schützengesellschaft ein
Angebot der KLN über vier Raten zu je 1000.- DM. Die laufenden Kosten des
Schützenhauses beginnen bereits wieder, der Schützengesellschaft über den
Kopf zu wachsen.
Auch mit der Stadt Neustadt und der Flüchtlingsbehörde des Landkreises Coburg
schlagen sich die Schützen wegen Schadensersatzansprüchen herum, die
durch eine viel zu enge Belegung des Hauses entstehen. Im großen Saal wird
von den Flüchtlingen und Vertriebenen die Bühne abgebaut, um damit Zwischenwände
für ihre „Wohnräume“ zu errichten. Außerdem wird so ziemlich
jeder brauchbare Gegenstand abgebaut, verheizt, verkauft oder sonstwie zweckentfremdet.
Für die Einquartierten Familien ist es bitterste Armut, ein endloser
Kampf ums Überleben, für die Schützengesellschaft die Zerstörung ihrer wirtschaftlichen
Basis. Aber wer muß jetzt dafür aufkommen? Und wie hoch darf
die Entschädigung ausfallen?
Als die letzten Flüchtlinge aus dem Schützenhaus ausgesiedelt werden, beruft
die Schützengesellschaft eine Versammlung der Mitglieder am 17. November
1949 ein. In dieser “@ußerst wichtigen Mitglieder-V ersammlung” gibt es nur einen einzigen
Tagesordnungspunkt:- 103 –
‘Die Räumung unseres Saales und die damit verbundenen Notwendigkeiten.
In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Angelegenheit muss ich bitten, dass alle Mitglieder
erscheinen.”
Ehrendirektor Hermann Steiner referiert über die Erkenntnisse der Fachleute
und Gutachter, die nach dem Auszug das Gebände besichtigt haben:
“Dieser führte ans, nachdem er etwas zurückgriff auf die Zeit,-wo das Schützenhans noch voll
unter der eigenen Verwaltung der Schützengesellschaft stand und knüpfte an, an die willkürliche
Episode, wo der Einfluss der Schützengesellschaft total ausgeschaltet und eine ganze
Reihe von Behörden und Machthabern willkürlich über die Habe der Schützengesellschaft
verfügte. Nachdem man auch nicht mehr von einer verantwortlichen V’orstandsführung in den
damaligen Zeiten reden konnte, war es weniger verwunderlich, dass es zu diesen grauenhaften
Zuständen kommen musste, wie wir sie heute in dieser granenhaften Weise hier vor uns haben.
Es waren Jahre gewesen, wo einer die Verantwortung auf den anderen schob. Keiner
wollte Schuld haben an diesen Zuständen, worüber sich sämtliche Mitglieder der Gesellschaft,
soweit sie Gelegenheit hatten einmal hineinzuschauen, orientieren konnten. Ich möchte heute
ganz besonders betont haben, dass der Schützengesellschaft aber auch in keiner Form Schuld
zuzuschreiben ist. Diese verheerenden Auswirkungen, diedurch die Belegung des Gebäudes
von allen möglichen Orgamisationen vorgenommen worden sind, müssen nun heute in irgendeiner
Weise ihrem Ziel entgegengeführt werden, damit die Schuld, die unwillkürlich vorhanden
151, gesühnt wird. (…)
Es muss auch in dieser denkwürdigen Versammlung klar heransgestellt werden, dass ohne die
Mithilfe des Herm Oberbürgermeisters Dr. Weppler es nicht möglich gewesen wäre, dass der
Saal bis zu diesem augenblicklichen Zustand überhaupt geräumt wurde.“
Er stellt weiterhin fest, daß die Verwüstungen und Schäden zu beseitigen sind,
und, da die Schützengesellschaft in ihrer derzeitigen Situation diese Aufgabe
nicht übernehmen kann, die verantwortlichen Stellen dafür aufkommen müßen.-
Es wurde einstimmig festgestellt, dass in den letzten 4 Jahren von den einquartierten Flüchtlingen
sämtliches Mobihar verbrannt wurde, Beleuchtungskörber sind „vernichtet, die Leitungen
herausgerissen, Öfen verschwunden, Kulissen nicht mehr vorhanden, selbst Gummibelage
der Kegelbahn und die Polsterungen fehlen. Die Küche, bei der Übergabe vom Kabelwerk
ein Schmuckkästchen ist heute als Küche weder erkennbar noch zu verwenden. Im-Saale
wurden offene Feuerstellen errichtet, dadurch ist der Parkettboden restlos zerstört. Gartenzäune
wurden abgerissen, überhaupt alles, was leicht abnehmbar war, ist verschwunden,
Tafelungen, Gesimse, Garderobenständer usw. (…) Die Mitgliederversammilung beauftragt die
Vorstandschaft, die Wiedergutmachung der durch die Sachverständigen festgestellten Schäden
umgehend bei den zuständigen Stellen in die Wege zu leiten und die Mitwirkung des Oberbürgermeisters
in Anbetracht des dringenden Bedürfnisses nach einem weiteren Saale in Anspruch
zu nehmen.”“3
Das Oberfinanzpräsidium Nürnberg als zuständige Stelle gesteht der Regierung
von Oberfranken, an die sich die Schützengesellschaft wegen der Schadenersatzansprüche
gewandt hatte, am 18. August 1950 zwar zu:
„Daß das Schützenhaus durch seine zweckentfremdende Inanspruchnahme größte Schäden er-
Jitten hat und bei seinem Zustand bei der Rückgabe zunächst erst nach großen Reparaturen- 104 –
und Möbelbeschaffung etc. wieder seinem alten Zweck zugeführt werden kann, steht außer
Zweifel nach den Unterlagen.”
Aber, es sei doch “völlig ungeklärt”, ob diese Schäden durch die Flüchtlinge verursacht
wurden, schon früher aufgetreten sind, oder durch normale Abnutzung
entstanden. Die Oberfinanzdirektion wünscht also eine Überprüfung des ursprünglichen
Zustandes vor der Belegung durch die Flüchtlingsbehörde. Aber
wie soll die Privilegierte Schützengesellschaft all die Änderungen in Innenausbau,
Mobiliar und deren Zustand genauestens Belegen?
Da die Finanzbehörde diese Schwierigkeiten durchaus einsieht, schlägt sie den
Schützen die Annahme eines Vergleichs vor.
‘Eine vergleichsweise Abgeltung der Ansprüche ist daher dringend zu empfehlen. Sie setzt jedoch
voraus, daß die Schützengesellschaft der Flüchtlingsverwaltung weitgehend entgegenkommt.
Die zunächst aufgestellten Forderungen können keinesfalls anerkannt werden und
würden vom Innenministerium, dem der Vergleich zur Genehmigung und Bereitstellung der
Mittel vorzulegen ist, auf keinen Fall anerkannt werden.”’*
Mit ihren finanziellen Problemen steht die Schützengesellschaft unter enormem
Zeitdruck. Ohne wirtschaftliche Nutzung des Schützenhauses fehlen ihr lebensnotwendige
Einnahmen, ohne die sie wiederum die Sanierung ihres Haushalts
nicht in Angriff nehmen kann. In einem Schreiben an Bürgermeister Weppler,
der ihnen in dieser Angelegenheit schon manchen Dienst erweisen konnte,
schildern sie, ebenfalls am 18. August 1950, ihre Situation:
‘Die Notlage der Schützengesellschaft mit Rücksicht darauf, dass unsere Schadenersatzansprüche
immer noch nicht erledigt sind, zwingt uns zu anssergewöhnlichen Massnahmen.
Der Schützensaal muss sofort wieder hergestellt werden, weil die daraus fliessenden Einnahmen,
nachdem die Mieten weggefallen sind, unentbehrlich sind, um die Existenz der Schützengesellschaft,
die aufs Schwerste gefährdet ist, zu retten. Die Vorbestellung auf Saalmieten
treten dauernd an uns heran, ohne dass wir bindende Verträge abschliessen können, weil wir
‚nicht wissen, wann der Saal in gebrauchsfähigem Zustand ist.”“>
Ohne Vorkasse gehen die Handwerker gar nicht an die Arbeit, und Geld zur
Leistung der Vorkasse hat die Gesellschaft nicht.
In dieser prekären Situation wird die inzwischen wieder normalisierte Beziehung
der Privilegierten Schützengesellschaft zur Stadtverwaltung und den meisten
politischen Repräsentanten genutzt, um den Vorteil, den die Stadt Neustadt
aus einem Kulturzentrum Schützenhaus ziehen könnte, deutlich zu machen.
In einer Rede am 20. Juli 1950 führt Ehrendirektor Hermann Steiner diese
Überlegungen aus. Fünfzehn Jahre lang habe er die Gesellschaft geführt und
ihr gedient, bevor er gehen mußte.
‘Mein Abtreten von diesem Posten war kein feiges oder Müdegewordensein, im Gegenteil, es
war in der Zeit des Naziregimes, daß ich von der herrschenden Kaste dieser Zeit als nicht
mehr tragbar an der Spitze dieses Vereins stehen könne nach nationalsozialistischer Ideologie.
Biutenden Herzens habe ich des öfteren aus der weiteren Entfernung meine Beobachtungen
über das Geschehen in diesem Hanse gemacht und ich glaube, dieses traurige Kapitel für mich
und für die Gesellschaft damit am besten zu kennzeichnen, wenn ich behaupte, an diesem
Neustadter Schützenhaus, seinem Ergehen in den zurückliegenden Jahren, seinem Zustand,- 105 –
wie wir es heute vor uns haben, erkennt man in einer geradezu erschreckenden Weise die ganze
Tragik des Niedergangs und des Zusammenbruchs unseres deutschen Volkes schlechthin.
(.)
Wenn ich diese Episoden aus der Geschichte der Schützengesellschaft nur am Rande streife,
so nicht, um damit darzutun, daß wir nun fortfahren in diesem militärischen Geist und den
Aufgaben, heute wieder daselbe tun zu müßen. Im Gegenteil! Wenn ich eingangs sagte, daß
ich nicht für möglich gehalten habe, noch einmal von diesem Orte aus zu den Neustadter
Schützen zu sprechen und ich habe Ihnen durch diese Ausführungen einen kleinen Blick. in
die Tradıtionsanfgaben der Schützengesellschaft, die auf nahezu 500 Jahre zurückgeht, so
möchte ich heute ebenso klar und deutlich herausstellen, daß die Schützengesellschaft von heute
ihr Aufgabengebiet in erster Linie darin sieht, daß sie, wie früher mit der Stadt in engster
Verbundenkeit bleiben will, daß sie aber nicht militärischen Zwecken dienen, sondern den
Kulturaufgaben der Stadt Neustadt mit dienen helfen will und ihr gerettetes Erbe gerne in die
Wagschale friedlicher Aufgaben stellt.”
Die friedlichen Aufgaben sind Kinderfest und Schützenfest, die unbedingt wieder
stattfinden müßen.
“Ansonsten aber möchte ich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht haben, daß dieses
Gesellschaftshaus keine Klassenunterschiede kennen soll, sondern unter seinem Dache und in
seinen Mauern sollen und wollen wir alle sein gleiche Brüder mit gleichen Zielen, dem Frieden
dienend und dem wieder näherkommend, was unsere Väter und Urväter so auszeichnete.”“°
Zunächst widersetzen sich die Schützen einem Vergleich, in der Hoffnung auf
ausreichende politische Unterstützung aus Neustadt und Bayreuth. Aber langsam
sehen sie doch ein, daß es besser ist, die angebotene Summe auch tatsächlich
zu erhalten, als ewig auf eine Wunschsumme zu warten.
‘Die Erwagung aller dieser Gedanken hat zu den einstimmigen V’orstandsbeschluss geführt,
dass den Erwägungen näher getreten wird, die durch einen Wergleichsangebot des Herrn
Flüchtlings-Kommissars Goss ausgelöst sind. Sind wir auch nicht im entferntesten bereit,
darauf einzugehen, dass uns DM 10,000.- unter Verzicht auf allen weiteren Ansprüche gezahlt
werden, so ergibt doch dieses Angebot eindeutig, dass mindestens mit diesen Betrag auch
von Seiten der Flüchtlings-Verwaltung gerechnet wird.”
Immerhin waren bereits 65.000.- DM im Etat des Regierungs-Flüchtlings-
Kommissars eingesetzt gewesen, allerdings unter gewissen Vorbehalten.
‘Wir haben daher beschlossen, die beigefügte Tratte zu übersenden und bitten deren Annahme
durch die zuständige Stelle herbeizuführen, damit wir uns auf diese Weise die nötigen
Mittel zum sofortigen Beginn der Renovierungsarbeiten verschaffen können. ”\
Als Anschubfinanzierung dient ein Kredit der Hypobank Neustadt in Höhe
von 10.000.- DM, gesichert durch Abtretung aller Ansprüche gegen das Flüchtlingsamt
(die voraussichtlich wenig über 10.000.- DM betragen würden), sowie
der Eintragung einer Briefgrundschuld von 18.000.- DM auf das Anwesen
Schützenplatz 1.
Im Kassenbericht für die Zeit vom 21. Juni 1948 — 31. Dezember 1951, aufgestellt
am 1. März 1952 durch das Büro Albert Arnold und Karl Hess, die
‘Tlelfer in Steuersachen” der Schützengesellschaft, wird auf drei Seiten die Vermögensentwicklung
unter Berücksichtigung sämtlicher steuerlicher Möglichkei-- 106 –
ten und buchhalterischer Vorschriften berechnet. Danach hat die Schützengesellschaft
in dieser Zeit für die Sanierung des Schützenhauses 25.909,09 DM
aufgewendet, davon kamen 14.000.- DM von Flüchtlingsverwaltung und KLN,
und 11900,09 DM von der Schützengesellschaft selbst.
Der Etat für 1952 sieht lediglich Einnahmen und Ausgaben in Höhe von jeweils
8644.- DM vor, wobei das Steuerbüro erhebliche Probleme in der weiteren
Finanzierung des Schützenhauses sieht.!!8
Im Oktober 1950 kann der Saal mit einem Heimatabend, zugleich Ehrenabend
für Albert Arnold, der Bevölkerung zugänglich gemacht werden:
‘Neustadt, den 14.10.1950 :
Liebe Schützenbrüder!
Es ist nun soweit. Am
Mittwoch, den 18. Oktober 1950
soll, wie Ihnen inzwischen bekannt geworden ist, unser neu renovierter Saal mit diesem Heimatabend
der Nenstadter Bevölkerung übergeben werden. Wir haben absichtlich diesen Start
gewählt, damit breiteste V’olksschichten daran teilnehmen können.
Es ist die moralische Aufgabe aller Schützenbrüder, mit dafür zu sorgen, daß der Saal voll
wird. Daher bitten wir die Schützenbrüder, jeder an seinem Teil mitzuhelfen, damit das
Haus voll werde, schon im Hinblick auf die zukünftige Frequenz der Saalbenutzung. Wir
bitten daher, daß jedes Mitglied wenigstens in seinem Bereich 10 Karten absetzt.
Wohl ist der Zeitpunkt weniger glücklich gewählt, aber es heß sich aus bestimmten Umständen
eine Verlegung auf einen Sonnabend oder Sonntag nicht ermöglichen und deshalb müssen
wir zu diesem Schritt greifen, daß jeder persönlich mithilft, den Abend zu einem vollen Erfolg
zu gestalten. j
Nicht abgesetzte Karten sind bis spätestens Mittwoch Nachmittag 16.00 Uhr bei Herrn
Lunz im Neustadter Tageblatt abzugeben.
Mit deutschem Schützengruß
Schützengesellschaft e.V.
Ehrendirektor Direktor.”““?
Vertreten durch ihr neues Mitglied Dr. Eberhardt verhandeln Schützengesellschaft
und Behörden über ein Jahr, bis am 13. Februar 1951 eine einvernehmliche
Regelung gefunden wird, die auf Seiten der Privilegierten eher zähneknirschend
angenommen wird, läßt sie doch etliche Hoffnungen und Wünsche
unerfüllt. Von der ursprünglich angesetzten Schadenssumme von 55.800.- DM
werden vom Freistaat Bayern, vertreten durch die Regierung von Oberfranken,
10.415.- DM anerkannt. Damit sind alle Schäden, die durch die Einquartierung
von Flüchtlingen verursacht wurden, abgegolten.!20
1952 wird dann auch der linke Flügel des Schützenhauses geräumt, in dem
noch Kreisjugendring und ein Teil der Berufsschule untergebracht waren.- 107 –
Die Anfänge der Schützengesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg:
Schießen mit Luftgewehren im Saal des Schützenhauses 1950.
Von links: Karl Müller, Max Wittmann, Wilhelm Bär, Max Reinhardt, Heinz
Bär, Hermann Witter, Viktoria Nußpickel, sitzend Eduard Knauer und Ernst
Witter.
Von der Gesellschaft zum Verein
‘Früher war das so, wer in Neustadt in der Gesellschaft was gelten wollte, mußte zu den
Schützen.”
(Interview Gerhard Limmer)
Bei ihrem ersten Schützenfest seit Kriegsende kann die Privilegierte Schützengesellschaft
Neustadt auf eine ganze Reihe langjähriger Mitglieder zurückgreifen,
die alle entweder bereits vor dem Ersten Weltkrieg in die Gesellschaft
eingetreten sind, oder doch kurz danach. Der größte Teil dieser Ehrenmitglieder
stammt aus dem gehobenen Bürgertum, es sind Fabrikanten, Angehörige
freier Berufe, nur wenige Arbeiter und kleine Angestellte finden sich darunter.
Ehrenmitglieder und außerordentliche Mitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft
Neustadt beim Schützenfest 1949:- 108 –
Ehrenmitglieder seit
Ernst Blaurock Puppenfabrikant 1910
Gustav Fröber Bossierer 1903
Carl Hofmann Fabrikant 1916
Eduard Knauer Fachschullehrer 1920
Ernst Langbein Rentner
Otto Lindig Konditor 1907
Louis Lipfert Landwirt 1910
Karl Nusspickel Spielwarenfabrikant 1919
Rossberg Direktor
Hermann Schmidt Uhrmacher 1904
Hermann Steiner Fabrikbesitzer 1919
Otto Töpfer Stadtbaurat i.R. 1907
Außerordentliche Mitglieder
Albert Anschütz Dr. med. 1912
Albert Eichhorn Fabrikant 1920
Albert Faber Kaufmann 1919
Max Knoch Klempner 1920
Hermann Knorr Brauereibesitzer 1920
Paul Krieg Angestellter 1922
Heinrich Lochner Apotheker 1923
Albert Seifert 1922
Carl Müller 1922.121
Noch etliche Jahre hält sich in der Schützengesellschaft auch das altgewohnte
Aufnahmeverfahren, die Ballotage, ein Wahlverfahren, bei dem die anwesenden
Mitglieder mit schwarzen (Nein) oder weißen (Ja) Kugeln, die in eine Holzkiste
gelegt werden, ihre Stimme abgeben.
„Wie beim Papst, aber der Schornstein hat nicht geraucht.“
(Interview Ernst Witter)
So geht es auch Ernst Witter, dessen Vater Hermann seit 1930 Mitglied der
Schützengesellschaft ist. Beim Wahlverfahren muß der Vater den Raum verlassen.
Den in der Satzung vorgesehenen schriftlichen Antrag müßen die Anwärter
allerdings nach dem Krieg nicht mehr stellen: –
„Überhaupt nicht. Wir haben uns entschieden, daß wir zu den Schützen gehen. Dann sind
wir eingeladen worden, und wir haben gewußt, wann die Versammlung ist, also Donnerstags,
wie es heute noch ist. Und dann sind wir in das Schützenhaus gekommen, dann ist vorgelesen
worden: Der und der bemüht sich um Anfnahme.
Und wenn schon einer da war, der gesagt hat, nein, den möchten wir nicht dabei haben, da
mujste der also schon ausscheiden. Eine Gegenstimme hat genügt, da ist der gar nicht angesprochen
worden.- 109 –
Aber im Prinzip ist es dann so gemacht worden, da haben die so einen Kasten gehabt, dann
haben sie Kugeln verteilt, eine weiße und eine schwarze, und da wujste man: Weiß war OK,
und schwarz war weg. (…) Dann ist vorgelesen worden, du bist aufgenommen worden in die
Schützengesellschaft.“
(Interview Gerhard Limmer)
Bürgen müßen vom Antragsteller ebenfalls gestellt werden.
“Sie mußten also schon jemand haben, der für sie die Hand ins Feuer gelegt hat. Der hat gesagt,
das ist ein prima Kerl, der paßt zu uns.“
Die Bürgen sind in der Regel auch der erste Kontakt außerhalb der Schützengesellschaft,
Bekannte oder Freunde, „die haben die Verbindung hergestellt.“
Gerhard Limmer ist einer der ersten, der 1949 im Alter von 19 Jahren nach
dem Krieg neu eingetreten ist.
„Kommst halt mal heraus, dann debatieren wir über dich, dann wird abgestimmt, und dann
bist du dabei.“
(Interview Gerhard Limmer)
Bei dem späteren 1. Schützenmeister Klaus Goßler, einem der ersten Arbeiter
in der Schützengesellschaft, bürgen Ernst Sommer, Schützenmeister von 1962
bis 1967, und Harald Heß.
In den folgenden Jahren entwickelt sich bald ein weiteres Aufnahmeverfahren:
“Wir [Werner Wittmann und Harald Heß] sind also als junge Burschen zum Leiern
[Transport der Schießscheiben zu den Schützenständen durch Schulkinder] zur
Gesellschaft gekommen. Die Schüsse, die erzielt wurden, mußten wir dann in die Schiefßkarte
eintragen, und das hat sich dann ganz automatisch ergeben. Da gab es keine Wahl oder so.“
(Interview Harald Heß)
Zuerst Helfer am Schießstand, danach automatisch in die 1956 neugegründete
Jungschützenabteilung, von dort in die Reihen der aktiven Schützen.
Werner Wittmann:
„Durch Klassenkameraden hat es sich herumgesprochen, die suchen welche.“
Das Wahlverfahren durch Ballotage wird nicht nur in Neustadt angewandt.
Auch in Weitramsdorf verläuft das Aufnahmeverfahren so ab. Mitglied kann
„jeder gesunde Mann werden, der das 18. Lebensjahr zurückgelegt und sich eines guten Leumunds
zu erfreuen hat.“
Er muß sich jedoch der Stimmabgabe mit schwarzen und weißen Kugeln stellen.!??
Die soziale Stellung der Privilegierten Schützen zeigt sich auch in der damaligen
Bezeichnung „Lackschuh-Schützen“, während die Schützen der Jägersruh
„Stäckeles-Schützen“ genannt werden.
(Interview Klaus Goßler)
Ab etwa 1960 wird es auch in der Privilegierten leichter, daß einfache Leute akzeptiert
werden, oder daß sie überhaupt den Wunsch verspüren, aufgenommen- 110 –
zu werden. Die sozialen Milieus der Stadt, die bis in das Dritte Reich prägend
waren, hier die Bürger und Fabrikanten, dort die Arbeiter, lösen sich in der sozialen
Marktwirtschaft langsam auf.
(Interview Harald Heß, Werner Wittmann, Klaus Goßler)
Ein Zusammenschluß mit der Schützengesellschaft Jägersruh wird 1954 allerdings
rundweg abgelehnt. Die Jägersruh-Schützen können sich bei der Privilegierten
Schützengesellschaft wie jeder andere Interessierte anmelden. Eine
Doppelmitgliedschaft in zwei Neustadter Gesellschaften ist jedoch nicht möglich.
Betroffen sind davon Hermann Schmiedeknecht, Fritz Witzel, Ernst Greiner
und Wilhelm Hauffe, denen die Privilegierte am 12. Mai 1954 mitteilt, daß nach
einstimmigem Mitgliederbeschluß der letzten Mitgliederversammlung die Mitgliedschaft
in zwei ortsansäßigen Schützengesellschaften nicht mehr zuläßig sei.
Die Herren dürfen sich bis zum 1. Juni 1954 entscheiden, ob sie weiterhin Mitglied
der Privilegierten bleiben wollen. Falls nicht, sollen sie sich bitte schriftlich
abmelden.!?
Erst 1961 kann sich die Privilegierte grundsätzlich mit einer Vereinigung aller
Neustadter Schützen anfreunden. Schützenmeister Wilhelm Müller strebt einen
Zusammenschluß an, um so die Neustadter Schützengesellschaft neben Coburg
und Kronach zur führenden Gesellschaft in Oberfranken zu machen. Nebenbei
könnten wohl auch die zunehmenden Finanznöte der Privilegierten abgebaut
werden.!?*
Gesellschaftsleben und Schießbetrieb nehmen wieder die aus Friedenszeiten gekannte
Routine an. Bis zum Jahr 1951 wächst die Privilegierte Schützengesellschaft
auf 119 Mitglieder an, während sich im Vorstand und unter den Beisitzern
die Generationen langsam mischen.
Neuwahlen bei der Hauptversammlung vom 7. Juni:
Direktor Max Reinhardt
Schatzmeister Christian Hofmann
- Schriftführer Gerhard Friedrich
- Schriftführer Hans Koppmeyer
- Schützenmeister Hermann Knorr jun.
- Schützenmeister Willi Federschmidt
- Schützenmeister Friedrich Schiller
Platzmeister Wilhelm Bär
Stellvertr. Platzmeister Karl Müller
Beirat für Rechtsfragen Dr. Eberhardt
Beisitzer:
Eduard Knauer Alfred Martin
- 111 –
Hermann Knorr, sen. Dir. Stolzenberg
Hermann Schmiedeknecht Franz Knoch
Richard Elsner Franz Ziebeck.!?5
Auch der gegenseitige Besuch der Schützengesellschaften auf ihren Vogelschießen
und Hauptschießen wird wieder aufgenommen. Von der Privilegierten
werden hauptsächlich die Schützenfeste der näheren Umgebung mit Deputationen
beschickt, wobei strengstens darauf geachtet wird, daß auch tatsächlich
ein Gegenbesuch auf dem Neustadter Hauptschießen stattfindet.
Werden die angemeldeten Besucher in der Zahl nicht erreicht, wird beim Gegenbesuch
entweder die Zahl der eigenen Deputierten gekürzt, oder der Besuch
dieses Schützenfestes wird bei wiederholten Verstößen gegen die Besuchsregel
sogar vollständig eingestellt.
‘Wenn wir mit vier Mann nach Weidhausen oder Sonnefeld gegangen sind, dann kommen
von denen wieder vier Mann zu uns. (…) Ich habe die Deputationen unter anderem mit eingeteilt,
da wurde genau Buch geführt, mit vier Mann bier, und wenn am Ende des Schützen-
‚festes Bestandsaufnahme gemacht wurde: Waren es auch vier Mann aus Weidhausen? Halt,
es waren nur drei! Dann kommen von uns im nächsten Jahr auch nur drei nach Weidhausen.“
Oder die betreffenden Schützengesellschaften wurden informiert:
‘Paßt mal auf, ihr müßt einen Mann anfholen!”
(Interview Ernst Witter)
“Depntationen waren ja nur möglich, weil die Brauerei ihren LKW zur Verfügung gestellt
hat.”
(Interview Georg Bunzel)
Da sich nur wenige Schützen zu dieser Zeit bereits ein eigenes Auto leisten
können, wird entweder auf den LKW der Brauerei zurückgegriffen, oder Kaufleute
und Handwerker der Schützengesellschaft, die einen Lieferwagen besitzen,
laden ihre Schützenbrüder hinten auf und fahren nach Coburg, Lichtenfels,
Kronach oder Weidhausen.
Die Anzahl der Deputationen pendelt sich bald auf einem recht hohen Niveau
ein.
Im Jahr 1955 werden 22 befreundete Vereine mit 131 Schützen besucht, 1956
sind es wiederum 22 Gesellschaften, zu denen 115 Neustadter Schützen. Im
Jahresbericht für das Jahr 1956, in dem die Schützengesellschaft 160 Mitglieder
hat, davon 54 Aktive, heißt es stolz über die große Anzahl der besuchten auswärtigen
Schützenfeste:
‘Daß wir trotzdem noch so viele auswärtige Schützen zu unserem Hanptschiefen begrüssen
konnten, verdanken wir in erster Linie der Einsatzfreudigkeit unserer aktiven Schützen, die
im Laufe des Jahres sich immer wieder durch Besuche der auswärtigen Schützen für die Belange
des Vereins eingesetzt haben.
Es wurden folgende auswärtige Hauptschießen besucht:- 112 –
Großgamstadt mit 3 Schützen
Weidhausen-Teil 11 Schützen
Michelan 4 Schützen
Weidhausen 58 13 Schützen
Marktzeuln 3 Schützen
Coburg 9 Schützen
Wildenheid 5 Schützen
Einberg 3 Schützen
Jägersruh Neustadt 6 Schützen
Rottenbach 4 Schützen
Grub a. Forst 2 Schützen
Redwitz/ Rodach 4 Schützen
Kronach 7 Schützen
Mönchröden 8 Schützen
Rodach 3 Schützen
Zimmerstutzen Neustadt 7 Schützen
Eibersdorf 8 Schützen
Staffelstein 6 Schützen
Rothenkirchen 4 Schützen
Hassenberg 5 Schützen
Insgesamt wurden demnach 20 Gesellschaften mit 115 Schützen besucht. „26
In Neustadt können die Besucher des Vogelschießens 1956 auf 10 Schießständen,
Entfernung 10m, und auf 4 Schießständen, Entfernung 50m, schießen.
Die Privilegierte Schützengesellschaft besitzt 6 Luftgewehre und 2 Kleinkalibergewehre.!?
Im Jahr 1957 stellt die Schützengesellschaft einen Besuchsplan auf, in dem alle
zu besuchenden Veranstaltungen aufgelistet werden. Die interessierten Schützenbrüder
der Schützengesellschaft tragen ihre Bereitschaft zum Besuch dieser
Veranstaltungen in der Liste ein.
Deputationsliste 1957:
Jägersruh 7 Schützen / Schney 3 Schützen / Großgarnstadt 2 Schützen /
Weidhausen Tell 3 Schützen /Rothenkirchen 2 Schützen / Wildenheid 6
Schützen / Coburg-Neuses 1 Schütze / Rottenbach 3 Schützen / Oes-lau 3
Schützen / Burgkunstadt 4 Schützen / Grub a. Forst 1 Schütze / Marktzeuln 4
Schützen / Rodach 3 Schützen / Weidhausen 88 7 Schützen / Coburg 6
Schützen / Hassenberg 4 Schützen / Kronach 7 Schützen / Staffelstein 5
Schützen / Ebersdorf 2 Schützen / NEC Zimmerstutzen 2 Schützen /
Mönchröden 3 Schützen.!28
Schützenfest Privilegierte Schützengesellschaft Neustadt 1956:
Gastvereine mit Anzahl der Schützen, insg. 32 Vereine; von der Privilegierten
Schützengesellschaft nehmen 75 Schützen teil.- 113 –
Schützen LG:
Mönchröden 7 / Haarbrücken 1 / Neustadt: Zimmer-Stutzen 4; Jägersruh 21 /
Wildenheid 12 / Weidhausen: Tell 5; Jungschützen 1; (ohne Namen) 2; 1888 9
/ Rothenkirchen 6 / Rottenbach 5 / Marktredwitz 2 / Wendelstein b. NÜ 1 /
Rodach 2 / Kronach 6 / Erlangen 1 / Sonnefeld 1 / Großgarnstadt 3 / Oeslau
4 / Staffelstein 4 / Ebersdorf 5 / Redwitz 1 / Burgkunstadt 4 / Selb 2 / Küps
3 / Einberg 1 / Hof: Andreas Hofer 1; (ohne Namen) 1 / Hassenberg 4 / Mitwitz
1 / Marktzeuln 1.
Schützen KK:
Mönchröden 5 / Neustadt: Zimmer-Stutzen 2; Jägersruh 6 / Wildenheid 2 /
Weidhausen (ohne Namen) 1; 1888 4 / Rothenkirchen 1 / Rottenbach 1 / Coburg
2 / Rodach 2 / Kronach 2 / Sonnefeld 1 / Oeslau 2 / Ebersdorf 3 / Selb
2 / Küps 1 / Hof 2 / Marktzeuln 1.
Liste der aktiven Mitglieder im Jahr 1955:
Reinhardt, Max geb. 1903
Messner, Geotg 1915
Müller, Wilhelm 1899
Hofmann, Christian 1895
Thumf Eduard 1898
Knorr, Hermann sen. 1900
Simon, Hermann j 1922
Nusspickel, Karl sen. 1883
Bär, Heinz 1923
Bauersachs, Hans 1929
Knorr, Hermann jun. 1923
Knorr, Edmund 1927
Martin, Hermann 1924
Dietz, Otto 1903
Limmer, Gerhard 1930
Limmer, Hans 1931
Liebig, Heinz 1932
Hinrichsen Dr., Karl-Heinz 1923
Witter, Hermann 1904
Witter, Ernst 1936
Hofmann, Alfred 1911
Süssenguth, Albert 1907
Nusspickel, Karl jun. 1909
Wohleben, Werner 1914
Langbein, Klaus 1930
Barnikel, Horst 1929
Federschmidt, Willi 1915- 114 –
Zitzmann, Hans 1914
Knoch, Ernst 1911
Putzke, Heinz 1931
Schneider, Ernst 1926
Grossmann, Robert 1928
Hessel, Berthold 1919
Sommer, Ernst 1909
Probst, Hermann 1934
Gutgesell, Kurt 1921
Höhn, Willi 1928
Fechner, Edgar 1924
Schilling Dr., Adolf 1920
Haase, Rudolf 1929
Schmiedeknecht, Joachim 1915
Witzel, Fritz 1895
Liehn, Karlheinz 1925
Sperschneider, Helmuth 1927
Köhler, Walter 1907
Schönfelder, Franz 1887
Sagert, Karl 1903
Öster, Hans 1898
Rehm, Karl 1909
Thein, Otto 1901
Müller, Ernst 1928
Leistner, Alfred 1927
Lenk, Siegfried 1919
Neuefeind, Eugen
Nusspickel, Fritz 1918
Bunzel, Georg 1937
= 56 Aktive.!?
Neugegründete oder wiedergegründete Schützengesellschaften müßen natürlich
versuchen, möglichst schnell in dieses System der gegenseitigen Besuche aufgenommen
zu werden, um ihre Schützenfeste für alle Besucher attraktiv gestalten
zu können.
Aus Ebersdorf erreicht die Privilegierte Schützengesellschaft im Mai 1958 ein
Schreiben der dortigen Schützengesellschaft Ebersdorf 1883 e.V., in der die
Neustadter gebeten werden, sich doch mit einer Deputation am Hauptschießen
zu beteiligen, da „die Schützensache“ in Ebersdorf „noch in den Kinderschuhen“
steckt, obwohl sie in diesem Jahr bereits das 75-Jahre-Jubiläum feiern.- 115 –
Scheibe von 1962
& 60 cm
Königscheibe der Jungschützen 1962/63
Motiv aus der Heimat meiner Väter:
Dresden, Elbufer mit Brühlsch. Terrasse.
Gegeben von Karl-Heinz Bärschneider
Gewonnen von Walter Freyer
“Gerade weil uns die Unterstützung des Ortes fehlt, bitten wir Sie, uns zu unserem Festzug
gut, das heißt recht zahlreich zu besuchen. Ich brauche kein Versprechen, wie „Gegenbesuch
ist Ehrensache‘ anzuführen, dafür sind die Namen der Ebersdorfer Schützen bestimmt gut.
Genan wie wir, werden auch Sie Besuch, Gegenbesuch und Nachkanf registrieren.”
Nachkauf bedeutet den weiteren Kauf von Schüssen auf die Scheiben außerhalb
der festgesetzten Schießeinlage, die Anfangs bezahlt wird, und bedeutet
damit auch Geld für die Schießkasse der einladenden Gesellschaft.
Ausnahmsweise bittet der Ebersdorfer Vorstand auch um baldige Besprechung
und Antwort.- 116 –
„Wenn ich selbst solche Karten erhalte, antworte ich auf lange Sicht nicht gerade gern.“
Wegen des Jubiläums dürfte aber doch ein besonderer Fall vorliegen.
„Ich darf noch am Rande vermerken, daß wir ein zugkräftiges Programm bringen werden,
mit einer Eihrenscheibe, die auch halt, was ihr Name verspricht.”
Ähnlich ergeht es der wiedergegründeten Schützengesellschaft Weismain 1910,
die natürlich noch keine eigenen Besuche vorweisen kann, für ihr eigenes Schützenfest
aber den Zuspruch der umliegenden Gesellschaften sucht. In der Einladung
vom 1. September 1956 wirbt die Vorstandschaft für ihr Anliegen:
‘Wir brauchen wohl Ihnen nicht zu erzählen, mit welchen Schwierigkeiten es immer verbunden
ist, einen Verein unter den hentigen Umständen wieder lebensfähig zu gestalten.
Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, wenn wir bisher aus den besagten Gründen leider
noch nicht imstande waren, alle Hanptschiessen so zu besuchen, wie wir dies gewünscht hätten.
Selbstverständlich wird es für uns Eihrensache sein, Ihr Hauptschiessen im nächsten Jahr
entsprechend zu besuchen.”
Als besonderen Vorteil für die Besucher können die Weismainer auf ihre zehn
Laufstände verweisen, “die in der geräumigen Turnhalle eingebaut sind, sodass wir praktisch
vom Wetter vollkommen unabhängig sind.”
Die Schießeinlage beträgt 7,50 DM, dafür erwerben die Schützen:
10 Schuß Glück, 2 Serien Meister, 1 Schuß Ehren, 1 Schuß Bier-Scheibe, 10
Schuß Adler tief und 10 Schuß Adler Serie.!3!
Ganz nebenbei haben die Deputationen auch noch andere Auswirkungen.
‘Das war meine schönste Zeit. Da habe ich meine Frau kennengelernt. Sie war in Weidhausen
bei den Schützen, ich war in Nenstadt, und da haben wir Depntationen gemacht, und
die kamen zu uns, und so hat sich das dann ergeben.”
(Interview Gerhard Limmer)
Im Jahresbericht für das Jahr 1955 ist die Kassenlage zwar nicht ausgeglichen,
der sportliche Erfolg stellt sich aber wieder ein:
Ausgaben 25742,73 DM
Einnahmen 24994,92 DM
Fehlbetrag 747,81 DM.
Schießbericht:
“Voraus gesagt, war das Jahr 1955 in schießsportlicher Hinsicht ein Glückliches und Er-
Jolgreiches. Die Schießbeteihigung der einzelnen aktiven Schützen war sehr rege. Im Gegensatz
zu den Vorjahren, brauchte das Sch.M.A. in diesem Jahr.nicht mehr zum Schiessen auffordern,
sondern ein gewisser Kreis akt. Sch. hat von allein und aus eigener Initiative Woche
für Woche ihre Schießtage eingelegt. Kleine Preisschießen etc. Ich mußte sogar manchmal
bremsen diesen Übereifer. Der Erfolg wird bei den auswärtigen Schießen 1956 nicht ausbleiben.”- 17 –
Jede Woche findet ein Schießen statt, in manchen sogar zwei. Außerdem werden
immer wieder größere Schießveranstaltungen durchgeführt. Am 16. und 17.
April zunächst das Anschießen Luftgewehr und Kleinkaliber, am 24. April der
Städtefernwettkampf, vom 21. bis 25. Juli das Hauptschießen Luftgewehr und
Kleinkaliber, am 15. und 16. Oktober das Schießen um die Stadtmeisterschaft
gegen Jägersruh und Zimmerstutzen, “für unsere Gesellschaft ein besonderer Erfolg”,
und am 9. und 10. Oktober schließlich das Abschießen Luftgewehr und Kleinkaliber.
Das Jahr wird abgeschloßen mit dem Weihnachtsschießen am 26. und
- Dezember, “verbunden mit der Tombola. Alle dies Schießen brachten im Anschluß
anch ein kleines ges. Ereignis in der Form eines gemütlichen Beisammenseins mit Preisver-
/eihung. 32
Entsprechend kann die Schützengesellschaft auch einige Ehrungen vornehmen:
Leistungsnadeln
in Bronze 7 Stück
in Silber 11 Stück
in Gold 6 Stück
große Goldene 2 Stück.
Die Jungschützenabteilung im Jahr 1961.
- 118 –
Mit dem Aufbau einer Jungschützenabteilung steigt auch der Bedarf an passender
Ausrüstung, der mit Hilfe des Stadtverbandes für Leibesübungen finanziert
werden soll:
‘Betrf.: Zuschuss für den Erwerb von 3 Luftgewehren leichterer Bauart.
Die Privilegierte Schützen-Gesellschaft Neustadt bei Coburg hat mit dem Jahre 1956 ihrem
Verein eine Jung-Schützenabteilung angegliedert.
Da die jungen Leute im Alter von 14-18 Jahren stehen, übersteigt eine Handhabung des normalen
Lufigewehrs mit dem Gewicht von 4 kg ihre Kräfte. Eine normale Übungsfolge ist damit
nicht gewährleistet. Die Gesellschaft ist daher gezwungen, 3 Luftgewehre leichterer Banart
mit dem Gewicht von ca. 2,6 kg anzuschaffen. Hierzu erbittet sie einen Zuschuß von DM
250.-
Da die Gesellschaft in den letzten Jahren bereits ca. 5000.- zur Errichtung eines Luftgewehrstandes
und Wiederinstandsetzung eines Kleinkaliberstandes bereitstellen musste, hofft sie Reine
Fehlbitte getan zu haben.
Mit deutschem Schützengruss!
Das Schützenmeisteramt
- Schützenmeister.
Die Zusammenarbeit mit der Stadt gestaltet sich in der Regel problemlos, soweit
möglich werden die Zuschüße auch gewährt.
Mitgliederentwicklung der Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg:
250-
200
150
100
50 0 Hmmm RR
1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000
- 19°-
Beim Zirkeln 1961
Von links: 1. Schützenmeister Ernst Müller, Ehrenschützenmeister Hermann
Witter, Beisitzer Karl Nusspickel, der neue Schützenkönig Hermann Simon.
“Ganz unmöglich ist das sogenannte Königs-Zirkeln. Eine Änderung wird ausgearbeitet und
Jächstens vorgelegt. Dieses Auszirkeln muß in einem geschlossenen Raum erfolgen und der
Kreis recht klein gehalten werden. Die wahre Feier, die Königs-Proklamation, am Sonnabend
mit Ball ist für Alle gedacht und muß erreicht werden, daß sämtliche Schützenbrüder an der
Feier des Jahres teilnehmen, denn das Ansehen unserer Gesellschaft erfordert eine würdige und
große Feier.”
(Bericht über das Schützenfest 1961)
“Um dem neuen Schützenkönig weiterhin entgegenzukommen, soll von einer finanziellen Belastung
anläßlich des Auszirkelns Abstand genommen werden. Selbstverständlich sind seiner
Gebefreudigkeit keine Grenzen gesetzt.”
(Jahresbericht 1962)
Auch im Gesellschaftsleben der Stadt nimmt die Privilegierte Schützengesellschaft
wieder ihren Platz ein. Dazu gehört auch die Repräsentation bei festlichen
Anlässen, wie der Einweihung des neugebauten Freibades. Bürgermeister
Weppler, dem die Schützen in den ersten Jahren nach dem Krieg vieles zu verdanken
hatten, bittet um recht zahlreiche Beteiligung beim Festumzug zur
Eröffnung des Bades ‘in entsprechender Aufmachung in Sportdress usw.”, ’ um “damit- 120 –
die Bedentung des für die Volksgesundheit und damit für die Allgemeinheit geschaffenen
Werkes zu unterstreichen.”
Speziell die Privilegierte Schützengesellschaft bittet er noch um die Mitführung
ihrer Fahne im Festumzug. In solchen Fällen müßen die auswärtigen Schützengesellschaften
auch zurückstehen. Zwar können nicht allzuviele Schützen am
Festumzug teilnehmen, weil sich eine erhebliche Anzahl bereits seit längerem
für das Schützenfest in Weidhausen angemeldet hat, dafür werden die übrigen
Schützen in Neustadt selbstverständlich mit ihrer Fahne aufmarschieren.’3*
Scheibe von 1956
& 60 cm
Das Neustadter Freibad mit Blick auf die Stadt und auf den Muppberg
Königs Scheibe 1956
Gestiftet von Gerhard Limmer
Gewonnen von Hans Zitzmann
Gemalt von Albert Schubert- D1-
Sichtbar begonnen hat die Versöhnung zwischen der Schützengesellschaft und
der Neustadter Bevölkerung im Jahr 1953, als zum ersten Mal nach dreizehn
Jahren Zwangspause wieder ein Schützenauszug durch die Stadt durchgeführt
wird. Auch die überlieferten Insignien der Gesellschaft können in der Öffentlichkeit
wieder gezeigt werden.
Der Schützenauszug 1953.
Der Vorstand bittet zu diesem ersten Schützenauszug die Gesellschaftsmitglieder,
daß sich möglichst viele Schützen Uniformen beschaffen sollen um entsprechend
auftreten zu können. Weiter werden neue Rangabzeichen festgelegt:
Der Direktor erhält geflochtene Achselstücke mit goldener Schnur ohne Sterne,
der erste Schatzmeister, 1. Schriftführer, 1. Schützenmeister und der Platzmeister
geflochtene Achselstücke mit zwei Sternen. Zweiter Schatzmeister, 2.
Schriftführer und 2. Schützenmeister geflochtene Achselstücke mit 1 Stern.’35
‚Politisch hat sich die Wiederaufnahme der Schützen in Neustadt mit Unterstützung
des Oberbürgermeisters schon früher so gut angelassen, daß die Schü-
- –
tzen am 10. November 1950 ihre Rückkehr in die Förderstrukturen der Stadt
Neustadt beantragen:
‘Die Schützengesellschaft Nenstadt b/ Coburg e.V. bittet um Wiiederanfnahme in das
Stadtamt für Leibesübungen. ”°
Damit ist die Schützengesellschaft wieder in der Lage, städtische Zuschüße für
ihre Arbeit zu erhalten, und wird in alle städtischen sportlichen Veranstaltungen
eingebunden.
Viktoria Adelheid von Sachsen-Coburg und Gotha bei ihrem Besuch in Neustadt
im Jahr 1963. Sie wird begrüßt von Schützenmeister Ernst Sommer (2.
von links), Ehrenschützenmeister Hermann Steiner (Mitte) und Oberbürgermeister
Ernst Bergmann (rechts).- 23 –
Der Hauptmann der Fließer Schützenkompanie Alois Morherr den Fließer Schützen aus Tirol.
g ist Ernst Sommer.
Schützenauszug 1965 mit
Schützenköni
124 –
Mit den beiden anderen Schützengesellschaften Neustadts, der Jägersruh und
den Zimmerstutzen-Schützen, beginnt 1952 die Austragung von Stadtmeisterschaften
in den verschiedenen Schießdisziplinen. Ausgangspunkt ist die Anregung
der Gesellschaft Jägersruh, die am 7. Februar 1952 der Privilegierten ein
Vergleichsschießen zunächst nur dieser beiden Vereine vorschlägt, das in einem
Hin- und einem Rückwettkampf ausgetragen werden soll. Aus diesem Vergleichsschießen
soll eine Neustadter Städtemannschaft herausgehen, bestehend
aus den zehn besten Schützen, “die in absehbarer Zeit mit den Mannschaften der
umliegenden Städte in Wettbewerb treten werden.”
Bis auf den vorgeschlagenen Termin, er fällt auf die Faschingsveranstaltungen
der Privilegierten, scheinen beide Seiten mit dieser Regelung einverstanden gewesen
zu sein.!38
Aus diesen Anfängen entwickeln sich jährlich ausgetragene Stadtmeisterschaften,
an denen sich auch die Zimmerstutzengesellschaft beteiligt.
Im Jahr 1955 werden die drei Gesellschaften auf Samstag, den 15. und Sonntag
den 16. Oktober geladen, verbunden mit einem Kleinkaliber-Vergleichsschie-
Ben. Geschossen wird auf die zehnkreisige KK-Scheibe auf 50 Meter, stehend
freihändig, die Einlage beträgt 1.- DM. „Ein einmaliger Nachkauf von 10 Schuß zu
DM 1,50 ist gestattet.“
Zwei Drittel der Einnahmen, allerdings ohne die Einnahmen aus dem Munitionsverkauf,
werden an das erfolgreichste Drittel der Schützen als Preise ausgegeben.
Jeder Schütze kann nur einen Preis erhalten, nur „die drei ersten Schützen
erhalten ausserdem noch eine Erinnerungsgabe. “
Für die technische Ausrüstung ist gesorgt: „Gewehre neuester Banart stehen zur Ver-
‚fügung. „>?
Ergebnisse Sportschießen Stadtmeisterschaft 1960:
Luftgewehr | Mannschaft | . | |
ISchürzenklasse. Pins | sine
0 2. Jägersruh I I. 1518 Ringe
Pen. SchGIT — ‚500 Ringe
Jugendklasse I. PivSshG | . 471 Ringe
Pe |Einzel Ä a . W u
Schützenklasse L . Wolfgang Schnelle ed | 140 Ringe
— IE —_ _ —_
-125 –
- Ernst Witter Priv. 137 Ringe
l 013 Heinz Wicklein Priv. 1135 Ringe
Jugendklasse 1 2 Joachim Sauerbrey | Priv. . 1127 Ringe- Heinz Bärschneid |Priv. | 124 Ringe i
L — | |
I \ Lutz Resch Priv. 120 Ringe
| Altersklasse 1. Hermann Witter Priv. 129 Ringe
002 Wilhelm Müller Fe u | 117 Ringe
| 3. Arno Bergmann | ZimmSt. 1 12 Ringe
| Kleinkaliber Mannschaft | | u .
Schützenklasse 1. . Priv. . | 414 Ringe |
u 12. Jägersrih | [381 Ringe
3 Zimmerstutzen 335 Ring
Einzel | | |
| Schützenklasse |1. . Wolfgang Schnelle Jägersruh 123 Ringe |- Werner Faber Jägersruh 108 Ringe
| 3. Heinz Wicklein Priv. 101 Ringe Ä
Jugendklasse 1. Joachim Sauerbrey Priv. 118 Ringe
g, Heinz Bärschneid |Priv. 108 Ringe- _ /H. Günther Burger Priv. (68 Ringe |
ze) —ı —_ BE —_ |
Altersklasse 1. Hermann Witter Priv. 79 Ringe |
u 2 0 Arno Bergmann | Zimm.St. 60 Ringe
3, |Wilhelm Müller Priv. 55 Ringe
- 126 –
In die erfreuliche Entwicklung der Privilegierten Schützengesellschaft und ihre
sportlichen Aktivitäten platzt wie ein Kanonenschlag im April 1957 ein Gutachten,
das von R. Gronemann, öffentlich bestelltem und vereidigtem Sachverständigen
aus Fürth, über die Schießanlage der Privilegierten erstellt wird. In
diesem Gutachten wird die weitere Benutzung der Schießanlagen ohne grundsätzliche
Verbesserungen der Sicherheitseinrichtungen nicht gestattet. Natürlich
ist die Schützengesellschaft zunächst schockiert, und läßt dann über ihren
Rechtsberater, Dr. Hinrichsen, eine Antwort aufsetzen:
“Sie werden verstehen, dass Ihr Gutachten bei allen Vorstandsmitgliedern eine nicht nnerhebliche
Bestürzung hervorgerufen hat, da seit dem Ban der Schiessanlage und der Abnahme
durch die Stadt Neustadt bei Coburg die bisher unwidersprochene Meinung vertreten werden
konnte, dass die Anlage nicht nur allen schiesstechnischen Erfordernissen, sondern auch den
Wünschen und Ansprüchen der einzelnen Schützen in hohem Masse genüige.
Umso unverständlicher war uns daher Ihre grundlegend andersgeartete Stellungnahme.
Um für die fernere Zukunft jede Möglichkeit einer Haftung für die Gesellschaft auszuschliessen
…”
Aber selbstverständlich werde die Schützengesellschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten
alles tun, um den “Rarschlägen” des Gutachters nachzukommen. Nur
ein Problem gibt es bei der ganzen Angelegenheit:
‘In wenigen Wochen — Mitte Juli — findet unser Schützenfest statt, das als gesellschaftliches
Ereignis ersten Ranges in Nenstadt bei Coburg erfahrungsgemäss auch den Besuch zahlreicher
auswärtiger Schützen mit sich bringt.
Sie werden verstehen können, dass die Tage des Schützenfestes und das damit verbundene
Hauptschiessen, die wesentliche wirtschaftliche Grundlage für den Verein bilden.”
Herr Gronemann soll doch mitteilen, welche Maßnahmen die Schützengesellschaft
in der kurzen Zeit bis zum Schützenfest durchführen kann, um Schäden
und vor allem Haftung auszuschließen. An der Schießanlage können dabei naturgemäß
keine großen Veränderungen vorgenommen werden.’*!
Gronemann bemüht sich auch, der Schützengesellschaft das weitere Vorgehen
soweit möglich zu erleichtern.
“Es tut mir leid, daß ich Ihnen die ungünstige Beurteilung Ihrer Schießanlage übersenden
mußte. Der Stand ist aber wirklich der schlechteste, den ich bezüglich Sicherheit im Laufe der
letzten 2 Jahre überhaupt gesehen habe. (…) Es ist mir auch unverständlich, wie der Stand
von der Stadt Nenstadt abgenommen werden konnte. Jedenfalls ist es ein Zeichen dafür, daß
der zuständige Beamte von den Vorschriften für zinen Schießstandbau so gut wie keine
Ahnung hat.”
Er wird selbstverständlich gerne beratend tätig werden, damit die Schützengesellschaft
ihr Volksfest veranstalten kann, “ohne allzusehr bezüglich der Gefährdung
der Umgebung besorgt sein zu müsssen.
Für die Schießstände gibt er Anweisungen für Umbauten oder Absperrungen,
hauptsächlich links und rechts der Schießbahn, mit denen eine mögliche Gefährdung
größtenteils, aber eben nicht vollständig, ausgeschlossen werden
kann. Für das bevorstehende Schützenfest mag es ausreichend sein, auf die Ge-- 27 –
sellschaft kommen danach aber doch weitere Maßnahmen zu. Für den Luftgewehrstand
sieht er vor:
“Eine Abschirmung des links seitlich vor dem Schützenstand stehenden Wohnhanses wird
kaum möglich sein, da dies eine ziemlich hohe und vor allem lange Seitenblende erfordern
würde.
Fine Abdeckung der Fenster dieses Hauses allein ist Raum angängig, da sich die Bewohner
dieses wohl nicht gefallen lassen und außerdem auch unnötig auf die jetzt bestehende Gefahr
hingewiesen würde. Es müßte in diesem Falle genügen, wenn während des Schießens die Aufsicht
ganz besonders streng durchgeführt wird und darauf achtet, daß insbesondere beim Laden
der Waffen diese nicht in Richtung auf das Hans gehalten werden.“
Für den Kleinkaliberstand:
‘Für das beabsichtigte Schießen könnten die Kleinkahberstände noch einmal in ihrer jetzigen
Form, d.h. mit den Schießluken verwendet werden, obgleich Schießluken an sich grundsätzlich
verboten sind.
Das Gelände müßte in Schießrichtung bis 1300m gesperrt werden, das bedeutet in Ihrem
Falle mindestens bis zur Kuppe des Berghanges. Der unterhalb der Bergkuppe laufende Fußweg
muß während des Schießens unter allen Umständen abgesperrt werden. Die Erlaubnis
hierzu müssen sie versuchen von der Polizei zu bekommen.“
Seitlich der Schießbahnen muß bis zu etwa 15° abgesperrt werden, soweit das
Gelände aus den Schießluken heraus eingesehen werden kann.
‘Da Sie bis zu diesem Schießen noch keine elektrischen Scheibenzugeinrichtungen einbauen
können, müjsten die Anzeigerdeckungen wieder hergerichtet werden.”
Dabei muß besonders darauf geachtet werden, daß die Anzeiger auch nicht
durch Querschläger oder Splitter der Deckung verletzt werden können. Es gibt
keinen geschützten Weg zur Anzeigerdeckung, weshalb beim Wechsel der Anzeiger
und beim Hereintransport der beschossenen Scheiben das Schießen eingestellt
werden muß.
Er war am 13. April in Neustadt, hat sein Gutachten bereits am 16. April erstellt,
“.. habe aber hente nicht mehr alle Einzelheiten so genan im Kopf, daß ich Ihnen eine
Aufstellung geben könnte, die absolute Sicherheit gewährleistet. Die Herren der Schützengesellschaft
selbst wissen ja anch woranf es ankommt und müssen die Absperrung usw. Sinngemäß
durchführen.”
Er bietet noch an, daß er gerne vorbeikommen würde, falls er vor dem Volksfest
zufällig in der Nähe ist.!#
Diese zweite Besichtigung wird auch am 25. Mai durchgeführt, es bleibt auch
bei seinen vorher gegebenen Sicherheitsbestimmungen, mit denen letztendlich
die Verantwortung für das Schießen bei der Schützengesellschaft in Neustadt
bleibt.
‘Ich weise noch einmal daranf hin, daß die vorgenannten Sicherungsbedingungen nur für den
Ansnahmefall des bereits geplanten Schießens gedacht sind und keinesfalls zu einem Danerzustand
werden dürfen. Der Stand entspricht, das möchte ich nochmals ausdrücklich betonen,
in seiner jetzigen Verfassung keinesfalls den zu stellenden Anforderungen bezüglich Sicherheit
und muß unter allen Umständen umgebaut werden.- 28 –
Wenn das für Juli geplante Schießen unter Nichtbeachtung der in meinem Schreiben v. 15.5.
und der oben stehenden Angaben durchgeführt wird, so geschieht das auch Verantwortung des
Vereins.
Meine Spesenrechnung erlanbe ich mir beizufügen.
Mit Schützengruß!*
Die Schützengesellschaft beantragt daraufhin die empfohlene Sperrung öffentlicher
Wege hinter dem Schießstand bei „Poäzeichef Seifert“ im Rathaus Neustadt.
1#
Es gibt auch weitere Umbaumaßnahmen, vor allem im Bereich der Trefferanzeige,
auf die vom Vorstand bei der Einladung der Schützen hingewiesen wird:
„Wir haben neu die modernsten Selbstbedienungsstände für K.K. erstellt. Wir erwarten, daß
recht viele Schützenbrüder zum Gewehr greifen, um damit nicht nur der edlen Schützensache
zu dienen, sondern auch unserer Gesellschaft gegenüber ihre Verbundenheit zum Ausdruck
bringen. Auch in finanzieller Hinsicht ist die Unterstützung notwendig. ‘“s Kaum ist diese Überraschung verdaut und mit erheblichem finanziellen Aufwand geregelt worden, im Jahresbericht für 1957 wird für die Modernisierung des Schießstandes eine Summe von 2264,22 DM aufgeführt, folgt der nächste Schlag. Aus Zirndorf informiert die Fa. J.M. Röschlein, daß es neue Vorschtiften für elektrische Apparate und Maschinene gebe, die unter anderem Vorsehen, daß bei den „e/ektroautomatischen Scheibentransportanlagen“ der Schützengesellschaft ein Transformator eingebaut werden muß. „Die neuen elektrischen Geräte habe ich bereits in Auftrag gegeben. Sobald sie eintreffen, werde ich Ihnen dieselben zusenden zwecks Einbau. Die Scheibenanlagen sind in dem jetzigen Zustand solange zu sperren und außer Betrieb zu setzen bis die Umstellung vorgenommen ist.“ Auf Bitten der Stadt Neustadt nimmt Gutachter Gronemann im Oktöber 1958 die Schießanlagen endgültig ab. Bis auf wenige kleinere Veränderungen kann die Schützengesellschaft endlich alles beruhigt in Betrieb nehmen.!
Für die umfangreichen Erdbewegungen auf dem Schießstand versucht die
Schützengesellschaft, die Hilfe der amerikanischen Armee zu erhalten. Vor
allem der Ausbau des Großkaliberstandes, der bis 1945 in Betrieb war, wäre für
„Zoll, Grenzpolizei, Stadtpolizei, Bank- und Jägerkreise“ sehr erwünscht. Die gerade
durchgeführten Umbauarbeiten der Kleinkaliber- und Luftgewehrstände haben
die Kasse der Gesellschaft dermaßen belastet, daß eine Fortsetzung der Baumaßnahmen
ausschließlich in eigener Regie nicht möglich sei.
„Wie uns aus Schützenkreisen bekannt geworden ist, soll mit Filfe der amerik. Truppen in
verschiedenen Städten Bayerns der Ausban solcher Schießstandanlagen vorgenommen worden
sein. Die Mithilfe der Truppe erfolgte im Zuge des militärischen Ausbildungs- und Planierungsdienstes
und bestand meistens in der Ausführung der Erd- und Planungsarbeiten.““®
Fünfunzwanzig Jahre später, beim Neubau des Schützenhauses in der Halskestraße,
wird wieder auf die Hilfe amerikanischer Pioniere für die Erdarbeiten
zurückgegriffen.- 29 –
Mit ihrem eigenen Verband können die Neustadter Schützen aber gar nicht zufrieden
sein. Auf scheinbar mehrfache Nachfrage wird vom Bayerischen Sportschützenbund,
Bezirk Oberfranken, Gau Nord-Coburg, am 26. Januar 1959
mitgeteilt:
„Gewährung von Zuschüssen zum Schieß-Standbau:
Die eingereichten Anträge wurden seinerzeit befürwortend nach München weitergeleitet. Eine
ablehnende oder zusagende Antwort ist in keinem Fall eingegangen. Auf eine Anfrage in
München liegt ein Bescheid noch nicht vor. “’5®
Einer der Verantwortlichen im Vorstand der Privilegierten Schützengesellschaft
hat dazu am Rand bemerkt: „Sehr interessant“ und versieht seine Notiz mit einem
riesigen Ausrufezeichen. Die ausstehende Antwort aus München ist im Archiv
der Schützengesellschaft nicht erhalten.
Der Kommers der Schützengesellschaft 1951 im Saal des Schützenhauses.- 130 –
“.. zumal gerade der Neustadter nach dem Grundsatz ‚rauh aber
herzlich‘ nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen pflegt.”
In einer Gesellschaft wie der Privilegierten, in der sich nach und nach Mitglieder
aus allen Bevölkerungsschichten Neustadts einfinden, zeigen sich Veränderungen
der bundesdeutschen Gesellschaft auch in Reibereien, ausgelöst durch
unterschiedliche Auffassungen über das Wesen der Gesellschaft und über die
persönliche Bindung an sie.
Natürlich gibt es daneben auch immer wieder private Streitereien, in den strukturell
bedingten internen Querelen zeigt sich jedoch die Entwicklung von der
Gesellschaft zum Verein, die nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt einsetzt.
Einer der Vertreter der älteren Generation, die noch am überlieferten Wesen
der Gesellschaft festhalten, ist Schützendirektor Max Reinhardt, Jahrgang 1903.
In einem Konzept für eine Besprechung der aktiven Schützen am 15. März
1956 listet er kurz die wichtigen Themen auf, in denen die alte Gesellschaft lebendig
wird:
“Enntgleisungen. Verhalten gegen Schützenbrüder. ]schü. Gegen Frauen. Verhalten auf dem
Stand. Lockerung der guten Sitten. Betrugsfälle. Schiessen kein Erwerb, sondern Sport.
Erfolge Preise nicht Gelderwerb. (Turnerbuna).”‘>‘
Gegen diesen weitreichenden Anspruch auf Autorität rebellieren einige der
jüngeren Schützen. Nicht immer mit Protest, häufiger mit Nichtbeachtung,
Ignorieren, einfach anders machen. Darunter fallen auch früher geübte Praktiken
wie das Exerzieren mit dem Gewehr, das Auftreten in Uniform, die Beibehaltung
der Geselligkeit nach dem Schießen. Der Wandel zieht sich bis in die
heutigen Tage hin.
‘Da haben wir fein geübt: „Präsentiert das Gewehr‘, ein paar mal in der Woche, vor dem
Schützenfest. (…) Da war irgendwie noch eine gewisse Zucht und Ordnung.”
(Interview Gerhard Limmer)
Für die Schützengesellschaft bedenklich werden diese Streitigkeiten dann, wenn
sie den Zusammenhalt ernsthaft gefährden. Zu den nicht nur in der Privilegierten
Schützengesellschaft üblichen Ursachen für Unfrieden gehören persönliche
Beleidigungen, Verdächtigungen, Antipathie, in einer übersichtlichen Gemeinde
wie Neustadt sicherlich auch familiäre oder geschäftliche Konflikte, die in die
Gesellschaft hineingetragen werden. Oft läßt sich die eigentliche Ursache nicht
mehr erkennen, nur die Auswirkungen ziehen sich durch den Schriftwechsel
der Schützengesellschaft.
Zu den nicht tolerierten Verhaltensweisen gehört eindeutig respektloses Auftreten
gegenüber Mitgliedern. der Schützengesellschaft in der Öffentlichkeit,
gleichgültig ob von Schützenbrüdern oder Außenstehenden. Schlimmer noch,
wenn es von Schützenbrüdern gezeigt wird: der Gedanke der Gesellschaft, die
immer zaeinander hält, ist stark, und darf nicht mißachtet werden.
Als respektloses Betragen wird beispielsweise das Verhalten des Pächters Gött-- 131 –
ling im Sommer 1955 angesehen. Fritz und Elli Göttling waren „als Ostflüchtlinge
nach Neustadt gekommen, hatten 1950 unter erheblichem persönlichen
Einsatz die Gaststätte im Schützenhaus übernommen, und gehörten nach fünf
Jahren zu den Pächtern, die schon längere Zeit im Schützenhaus tätig waren.
Fritz Göttling wird nun vorgeworfen, er hätte Direktor Max Reinhardt bei einer
Besichtigung der Lokalitäten in betrunkenem Zustand auf das Übelste beleidigt,
was dieser in seinem Amt nicht auf sich sitzen lasse wolle.
‘Da sich Herr Göfttling in der verflossenen Zeit wiederholt in ausfälliger Form und in be-
Irunkenem Zustand Schützenbrüdern und auch Vorstandsmitgliedern gegenüber höchst un-
‚gehörig betragen hat, bedauere ich Ihnen mitteilen zu müssen, dass der letzte Vorgang in mir
die Gewissheit geschaffen hat, dass ein weiteres Zusammenarbeiten unter diesen Umständen
nicht möglich ist. „>?
Allzu schwerwiegend kann dieser Vorfall trotz der Empörung nicht gewesen
sein, die Schützengesellschaft verlängert kurz danach den Pachtvertrag mit dem
Ehepaar Göttling bis zum 31. März 1956.
Ruhe kehrt in der Gaststätte deswegen trotzdem nicht ein. Auch der Nachfolger
der Göttlings kommt mit dem Vorstand nicht zurecht, oder umgekehrt. Bereits
ein knappes Jahr später sieht sich der Vorstand gezwungen, für eine außerordentliche
Sitzung ein Ausweichquartier aufzusuchen:
‘Die Herren des Vorstandes u. Ausschusses werden gebeten, zu einer kurzen, geheimen V’orstandssitzung,
die ausnahmsweise im
Lokal Alfred Knorr, am Donnerstag, d. 10. a 37
nachmittag 5 Uhr,
stattfindet, zu erscheinen.
Verhandelt werden soll über die Wirtsfrage.
Mit Schützengruß. >
Die Einigkeit in der Schützengesellschaft wird ein Jahre später dagegen erheblich
stärker belastet. Ernst Sommer, zweiter Kassier und Verwalter der Schützenkasse,
berichtet am Ende des Jahres über den Stand der Schießkasse:
‘Nach dem Hauptschießen gingen die Einnahmen immer weiter zurück. Dies ist insbesondere
darauf zurückzuführen, weil durch die Uneinigkeit innerhalb der Schützengesellschaft
vor allen Dingen beim Abschießen 1957 nur 80,50 DM vereinnahmt wurden, während das
Jahr vorher 656,65 DM einbrachte, obwohl sogar eine Auflagescheibe nen aufgestellt wurde.
Trotz Rückgang der Einnahmen wurden alle Veranstaltungen, deren Durchführung mir finanziell
oblag, ohne Verlust abgeschlossen.
Leider war es nicht möglich aufgrund der geringen Einnahmen, hervorgerufen durch die Interessenlosigkeit
der Mitglieder, Ausgaben zu tätigen, die für den Schießsport erforderlich gewesen
wären. ‚>*
In seinem Kassenbericht wehrt er sich auch gegen Vorwürfe, die Vorstandschaft
würde die Gesellschaftskasse zum eigenen Vorteil nutzen.
‘Ich muß bier wieder erwähnen, daß für den persönlichen Aufwand der Vorstandsmitglieder
nicht ein Pfennig aus der Kasse ausgegeben wurde. Die zum Teil nicht unbeträchtlichen Ans-
‚gaben werden in anerkennenswerter Weise von den Voorstandsmitgliedern selbst aufgebracht.”
-32-
Der Vorstand der Privilegierten Schützengesellschaft 1958.
Uneinigkeit und Interesselosigkeit eines Teils der Mitglieder liegen in der Art
der Gesellschaftsführung begründet, sowie im Festhalten am alten Schützenhaus,
das von den Kritikern zunehmend nur noch als Belastung gesehen wird,
und zeigen sich in einer Mischung aus persönlichen Angriffen und Anträgen
zur Satzungsänderung.
Höhepunkt der Auseinandersetzung ist eine Äußerung Max Reinhardts über
Waffenwart Heinz Bär, die diesem von Mitgliedern des Vorstands hinterbracht
wurde. Weil Bär in der Bezeichnung Gifispritzer eine persönliche Verunglimpfung
sicht, fordert er eine Entschuldigung des Direktors.
Die Mitteilung, Heinz Bär wüßte über diese Vorkommnisse von Mitgliedern
des Vorstands, wird von Max Reinhardt kommentiert:
‘Personen, Vorstandsmitglieder, die entgegen unseren Satzungen, aus der Sitzung, ausge-
‚plaudert haben.
‚Vorstandssitzungen sind streng geheim.“
S 17 Abs. 7 Seite 11 der Satzung!!’“>>
Zu einer Entschuldigung ist Max Reinhardt auch sofort bereit. An Rechtsanwalt
Ernst Bergmann, der Heinz Bär vertritt, schreibt er am 13. Februar 1958,
daß er bereits in seinem Jahresbericht auf der letzten Generalversammlung gesagt
habe, “dass ich jeden Einzelnen der Mitgheder um Verzeihung bitte, falls ich ihn im
Laufe des Geschäftsjahres einmal hart ansprechen musste, oder ihn beleidigte.”- 133 –
Da Herr Bär mit dieser generellen Erklärung nicht einverstanden sei, bittet er
ihn nun schriftlich ausdrücklich um Verzeihung. Bei aller Direktheit, die teilweise
die Grenzen des Erlaubten überschreiten mag, fühlt sich Max Reinhardt
der Privilegierten Schützengesellschaft verbunden, und kann dafür auch persönliche
Vorbehalte zurückstellen.
Der Vorstand hingegen solidarisiert sich mit dem Direktor, zeigt sich über den
Schritt Heinz Bärs überrascht:
‘Ihnen war bekannt, daß Herr Direktor Max Reinhardt in der vorher abgehaltenen Generalversammlung
unserer Gesellschaft in mannhafter Art und Wise für alle etwa vorgekommenen
Fälle von Misshelligkeiten und Kontroversen die er im Rahmen seiner Tätigkeit als
Direktor nicht vermeiden konnte, entschuldigte.”
Auch Heinz Bär habe seinerseits kein Blatt vor den Mund genommen.
‘Dabei sei insbesondere daran erinnert, dass Sie erklärt haben, Sie würden nie mehr schie-
‚fen, denn ‚die‘ seien es ja nicht wert.
Detartige Äusserungen dürften für einen Ausschluß vollauf genügen.
Das Ergebnis vorstehender Ausführungen, die Gegenstand der Erörterungen der Vorstandschaft
in der Sitzung am 20.2.58 gewesen sind, ist, dass die Vorstandschaft Ihnen mit Ausnahme
des Platzmeisters Wilhelm Bär, der während der Behandlung dieser Angelegenheit die
Sitzung verlassen hatte, durch einstimmig gefassten Beschluss die Missbilligung ausspricht und
Ihnen nahelegt, Ihren Austritt aus der Gesellschaft zu erklären.”
Daß Wilhelm Bär, Vater von Heinz Bär, als Platzmeister Mitglied des Vorstands
ist, macht die Angelegenheit nicht einfacher.
Allein steht Heinz Bär mit seinen Vorbehalten jedoch nicht. Im März 1958 wird
eine außerordentliche Mitgliederversammlung, in der es um Satzungsänderungen
geht, abgebrochen. Es mögen weniger die von Vorstand und Beirat vorgesehenen
Änderungen gewesen sein, die den Zorn der Mitglieder geweckt haben,
als vielmehr das nicht abgesprochene Vorgehen. Anscheinend kam es auf dieser
abgebrochenen Sitzung nicht zu einer Aussprache über die neue Satzung, weshalb
sich zweiundfünfzig Schützen, unter ihnen auch Heinz Bär, am 28. März
1958 in einem Brief an Direktor Reinhard wenden:
“Sehr geehrter Herr Direktor!
Unter Bezugnahme auf die gestern stattgefundene und abgebrochene außerordentliche Mitgliederversammlung,
bitten wir nachstehend und untenstehend unterzeichnete Mitglieder um
ordnungsgemäße Einladung zu einer außerordentlichen Mitghederversammlung mit folgender
Tagesordnung:
Aussprache und Beratung über Satzungsänderungen
Wir fühlen uns zu diesem Antrag veranlaßt, weil auch der Miitgliederversammlung
Gelegenheit gegeben werden muß, über Satzungsänderungen zu diskutieren.
Für promte Erledigung im Voraus dankend
mit deutschem Schützengruß. “>”
-134 –
Gegen diese offene Aufforderung setzt sich der Vorstand mit den Regelungen
der Satzung zur Wehr. Robert Steiner, Initiator des Antrags, wird informiert,
daß es gar nicht möglich sei, eine außerordentliche Mitgliederversammlung nur
unter Angabe des Zwecks aber ohne Angabe der Gründe einzuberufen. Den
Zweck, die Satzungsänderung, hat er zwar angegeben, aber keine Begründung
für seinen Antrag, auch wenn viele Schützenbrüder unterschrieben haben. Die
haben Herrn Reinhardt inzwischen angesprochen, daß sie zwar unterschrieben
haben, den Grund für die Sitzung aber gar nicht wüßten.
‘Die Ausserachtlassung dieser Vorschrift würde dazu führen, dass in einer dennoch anberaumten
Versammlung eine produktive und objektive Arbeit nicht geleistet werden könnte.”
Die Vorstandschaft muß also seinen Antrag ablehnen, er darf aber gern einen
ordnungsgemäßen Antrag neu stellen.!5#
Was Robert Steiner auch sofort macht:
‘Für die von Ihnen näachstens sicherlich einzuberufende außerordentliche Mitgliederversammlung
bitte ich auf die Tagesordnung zu setzen:
„Aussprache und Beratung über Satzungsänderung‘
Ich bitte, der Dringlichkeit halber, diesen Antrag nicht als letzten Punkt der Tagesordnung
aufzuführen, sondern so anzusetzen, daß genügend Zeit zur Diskussion ist.
Ihnen im voraus bestens dankend, begrüjse ich Sie
mit deutschem Schützengruß
Robert Steiner. >?
Begleitet wird sein neuerlicher Antrag mit einem Schreiben an Max Reinhardt
persönlich, in dem Robert Steiner zwischen seinen möglichen Schritten und
dem dadurch ausgelösten öffentlichen Eindruck zu Lasten der Schützengesellschaft
abwägt. Am Ende siegt der Wille zum versöhnlichen Weg.
“Es wäre mir ein Leichtes, über den Weg der Feststellungsklage beim Amtsgericht, oder aber
über einen Antrag auf Einberufung der Versammlung gemäß $ 37 Absatz 2 BGB vom
Amtsgericht Klarheit schaffen zu lassen, wer hier im Recht ist.
Das Ansehen unserer Gesellschaft und die Verbundenheit der Mitgheder untereinander gebieten
mir aber, von diesem Schritt vorläufig noch Abstand zu nehmen.
Ich füge deshalb diesem Schreiben einen Antrag für die nächste außerordentliche Mitgliederversammlung
bei, mit der Bitte um Berücksichtigung.”
Auch vom Vorstand kommen Zeichen des Einlenkens. Rechtsanwalt Hintichsen
bittet Steiner im Auftrag des Vorstands, doch erst in einem klärenden
Gespräch seine ihm so am Herzen liegenden Wünsche zu erläutern. Sobald klar
sei, was genau er zu ändern wünsche, könne es auch auf die Tagesordnung gesetzt
werden.!®
-1335 –
Privil, Schützengesellschaft a…- Neustadt bei Coburg –
gegr. 1533
Fest, unser großes Vogelschiessen
„ Die grosse Arbeit der Vorbereie
wir uns noch an Euch!
life und Unterstützung zum Gelingen
Es ist wieder einmal soweit!
nimmt in wenigen Tagen seinen An
tungen liegt hinter uns. Nun wende;
Jeder muß durch tatkräftige kit
beitragen. s
Legt Fahnen- und Hausschmuck an
Nachbaren, umsomehr, da ab diesem
äurch die Stadtverwaltung beflags
Beteiligt Euch zahlreich am Sch:
des Schützenmeisteramtes weisen w
schiessen nicht umsonst waren, Bei
Preisverteilung der Ruf erschallen?t
Vor allen Dingen aber muß unse
und die Einigkeit unserer Gesellsch
fehlen; auf jeden einzelnen kommt &
Damit jeder Schützenbruder über
nau informiert ist, geben wir wied
Seid hier beispielgebend für die
auch die öffentlichen Gebäude
erden.
ssen, Auf das beiliegende Schreiben
hin. Zeigt, dass Zuere Übungs=
jeder Scheibengattung muß bei der
- Preis ….. Privilegiertel
zug wieder die Kraft und Stärke
repräsentieren. Keiner darf
N.
ie wichtigsten Programmpunkte ge=
hierzu Einzelheiten bekannt:
Wittwech ab 13.30 Uhr Zapfenst: ı mit Ständchen.
te “ 17.00 “ Br Festbieres durch die Zeltka=
Bash r pelles 2 5 4
„418.00 “ Anstich des Festbieres durch unser Stadtober=
haupt Nerrn OB Dr, Weppler. – An=
schliessend gemütliches Beisammensein.
Donnerstag ab 6.00 Uhr Weckruf.
.t. „9,00 “ Treffen im 3ahnhofshotel,
“ 40.00 “ Abholen des Schützenkönigs. Während der Ab=
wesenheit der Ehren-Abteilung konzertiert die
Zeltkapelle vor dem Auszugslokal.
“ 12.00 “ Auszug zum Schützenhaus.
“ 13.00 “ Festtafel und Ehrungen.
” Anzun zum Auszug: Schützenjoppe, Schützenhut mit Adlerflaum,
unkle Hose, weisses Hemd, weisser Binder, weisse liand=
schuhe, schwarze Schuhe, – Eigene Gewehre sind mitzubringen,
Auszugteilnehnmer heiten an Zuwendungen: 4 Bratwürste und
zafelmarken a. 2.00 iM, — Bratwurstmarken können nur im
Auszugslokal eingelöst, werden! – Am Donnerstag ist erst=
Bis ein Schiessen, uamit die Xafel ungestört ausklingen
ann.
Hiensine ab 20,00 Uhr Schützenball mit Proklamation des neuen Schüt=
“te zenkönigs. Anzug gerau wie am Auszug, — Ein«
ladungskarten für Nichtmitglieder (M 2.50) bei
Schützerkamerad Koppmeyer.
Wegen der üblichowVeranstaliungen dürfte Klarheit bestehen,
Wir wünschen Euch und uns schönes Wetter, gute Laune und sichere
. Hand; und am Kittwoch, wenn die Musik durch die Stadt zieht, ist für
eine Woche lang für uns Schützen Feiertag,
Der Aufruf des Vorstandes an alle Mitglieder der Schützengesellschaft,
gemeinsam zum Erfolg des Schützenfestes 1956 beizutragen.
„Vor allen Dingen aber muß unser Auszug wieder die Kraft und Stärke und die Einigkeit
unserer Gesellschaft repräsentieren.“ \°‘
Bei allem Ärger und Streit, der 1957 in der Privilegierten Schützengesellschaft
spürbar wird, gibt es doch immer wieder Anlaß, die Beständigkeit und Kraft der
Gesellschaft zu würdigen. Eduard Knauer, Mitglied seit 1907, wird im Jahr
1957 mit einer Schützenscheibe geehrt:
- 136 –
Scheibe von 1957
50 Jahre trenes Schützenmitglied Eduard Knaner
Eduard Knaner Scheibe 1957
Gestiftet von Hans Banersachs
Gewonnen von Wilh Federschmidt.
Für eine Krise im Zusammenhalt der Gesellschaft um das Jahr 1957 gibt es
weitere Anzeichen im Bericht des Schatzmeisters Christian Hofmann, in dem er
unter anderem ausführt, daß das persönliche Engagement sogar bei Mitgliedern
des Vorstandes zu wünschen übrig läßt:
„Zum Schluß möchte ich noch erwähnen, daß ich an einer Weiterführung der Kassengeschäfte
nur interessiert sein kann, wenn vorher geklärt ist, ob ich nach den Satzungen handeln muß- 137 –
und hierin die Unterstützung der Mitgheder und der Vorstandschaft habe, andernfalls ich
das Amt nicht mehr begleiten kann. Die Satzungen sind eventuell zu überprüfen. (…)
Für alle größeren Festveranstaltungen sind die Ausschußmitglieder zu verpflichten, jede
Diensteinteilung die durch den Schützenmeister und durch die Schatzmeister eingeteilt werden,
auszuführen. Nur so kann wieder eine einwandfreie Abwicklung wie Schießanfsicht, Saaldienst,
Schießkassendienst, evtl. Schreiberdienst für Schießveranstaltungen usw. hergestellt
werden. Es geht nicht an, daß es wie bisher weitergeht, daß Vorstands- und Ausschufßmit-
‚glieder jeden Dienst bei größeren Veranstaltungen ablehnen. Im übrigen würde hierbei eine
Erhöhung der Einnahmen und eine Einsparung von Ausgaben erzielt. Auch bier muß ich
um die Kameradschaft der Schützenbrüder bitten. “2
Das Nachrücken jüngerer Schützenbrüder in der Gesellschaft und die damit
verbundenen generationenbedingten Spannungen lösen sich erst in den nächsten
Jahren. Ein Anfang wird mit den Vorstandswahlen im Jahr 1960 gemacht.
Für die Vergangenheit der Schützengesellschaft steht Hermann Steiner, der
noch einmal geehrt wird:
“Einer ganz besonderen Pflicht habe ich mich hente noch zu entledigen. Unser ehemaliger
Schützen- und jetziger Ehrendireletor Flermann Steiner, konnte vor zwei Tagen das seltene
Fest der goldenen Hochzeit feiern. Eine Abordnung überbrachte die Grüsse der Gesellschaft.”
Für die Zukunft der Schützengesellschaft stehen die neuen Vorstandsmitglieder,
die ein anderes Verständnis des Schützenwesens in die Gesellschaft bringen.
Im Jahresbericht heißt es weiter:
“Ganz besondere Höhepunkte im verflossenen Jahr waren unter anderem die V’erjiingung der
Vorstandschaft anlässlich der durchgeführten Wahlen im Jahre 1960. Wir hoffen, daß die
Zusammenarbeit eine bessere werden möge, als dies seither der Fall gewesen ist.
Ganz besonders soll aber auf die Erfüllung des jahrelangen Wunsches der Schützenbrüder
und der Vorstandschaft hingewiesen werden, den 1. Stock in einen kleinen Saal umzubanen.
Mit diesem Umban haben wir wesentlich dazn beigetragen, daß das Schützenhaus wirtschaftlicher
gestaltet und auch für die Pächter eine bessere Einnahmequelle geschaffen wurde.
Ich bin überzeugt, daß der Umban noch nicht der letzte Schritt sein kann unser Gesellschaftshaus
zweckmäßig und für die gesamte Bevölkerung gedacht, einzurichten und zu gestalten,
wenngleich wir im Augenblick aus finanziellen Gründen recht sparsam. sein müssen.”®
Um den Tendenzen zur Fraktionsbildung und dem nachlassenden Trainingseifer
entgegenzutreten, wird vom Vorstand zugleich ein regelmäßiges monatliches
Beisammensein der Schützen mit ihren Frauen beschlossen:
‘Maßnahmen zur Hebung des sportlichen und gesellschaftlichen Lebens
An jedem ersten Sonnabend im Monat, also erstmalig am 7. Oktober 1961 findet ein gemütliches
Beisammensein mit unseren Frauen statt. Essen zwanglos mit Musik im kleinen Saal.
Besondere Werbung dieserhalb muß sofort einsetzen.
Ein Aushangkasten wird im Schützenhans angebracht, in dem das Veranstaltungspro-
‚gramm eingelegt wird. Jeder Schützenbruder kann sich dann entsprechend vorbereiten. (…)- 133 –
Im Monat sind 2 Werbe- und Übungsschießen, erstmalig am 14.9. und sodann am 28.9.
vorgesehen. Außerdem soll das Münchner Oktoberfest mit einer Gemeinschaftsfahrt besucht
werden. (…)
Bei der Festtafel wurde von Herm Oberbürgermeister E. Bergmann angeregt, einen Zusammenschluß
der Neustadter Schützen herbeizuführen. Verhandlungen wurden aufgenommen,
über die Ergebnisse werden wir zur gegebenen Zeit berichten. Auch der Bezirksschützenmeister
Müller in Hof machte uns darauf aufmerksam und bat um entsprechende Maßnahmen.”
%*
Schützenball 1957.
Der Umbau des Kleinen Saales im Schützenhaus gibt auch wieder einmal Anlaß,
den häufigeren Besuch der Vereinsgaststätte anzumahnen, nachdem das
Ehepaar Knorr, die Besitzer der Geussenbräu und ebenfalls Mitglieder der
Schützengesellschaft, das Wirtsehepaar eingewiesen und dabei „erhebliche Kosten“
und viel Zeit aufgewendet haben.
“Bei dieser Gelegenheit muß ich an die Schützenbrüder appelieren, das Schützenhaus mehr
zu besuchen, um damit die Geselligkeit zu fördern und die Wirtschaftlichkeit damit einträglicher
gestalten zu helfen. Das Ehepaar Dellemann ist im Dezember mit der Bewirtung,
durch unsere Brauerei ‚Knorr‘ beauftragt worden. …besonders sei darauf hingewiesen, daß der
Donnerstag wieder mehr als ein Gesellschaftstag der Schützen Geltung erlangen muß.”
Nachdem Max Reinhardt sein Amt als Direktor der Privilegierten Schützengesellschaft
Anfang 1961 aus Gesundheitsgründen niederlegt, übernimmt zu-- 139 –
nächst ein mehrköpfiges Gremium die Leitung, bestehend aus Ernst Sommer,
Erich Müller jun., Albert Strauß und Fred Leistner. Ernst Sommer gibt für diese,
nicht satzungsgemäße Lösung, als Grund mangelnde Erfahrung bei den Mitgliedern
des Vorstandes an. Als Bestandteil eines „Vier-Männer-Gremiums“ fühlen
sie sich der Aufgabe eher gewachsen.
An diesem Provisorium entzündet sich ein Streit mit dem Rechtsberater der
Schützengesellschaft, Rechtsanwalt Hinrichsen, der auf Einhaltung der Satzungs-
Paragraphen achtet, und dabei die Nöte der Vorstandsmitglieder aus
den Augen verliert. In einem Brief weist er den Stellvertretenden Direktor Sommer
am 21. Februar 1961 darauf hin, das Vier-Männer-Gremium könne nicht
einfach so die Aufgaben des Direktors übernehmen:
“Eine solche Übertragung der dem einzelnen Vorstandsmitglied und damit dem Gesamtvorstand
durch Wahl eingeräumten Rechte und Pflichten, ist nach der Satzung nicht möglich.
Nachdem die Vorstandschaft die Führung der satzungsmässigen Aufgaben der Gesellschaft
nur durch Merhheitsbeschlüsse vornehmen kann, fehlt es bei allen Massnahmen, die durch das
sogenannte ‚V’ier-Männer-Gremium‘ getroffen werden, an der rechtlichen Grundlage.
Die rechtliche Situation, die sich aus der Verhinderung des Direktors ergibt, ist in der Satzung
dadurch geregelt, dass er durch den Schatzmeister in seinen Aufgaben vertreten
wird, 166
Wieder prallen unterschiedliche Ansichten und Charaktere aufeinander, mit
dem Ergebnis, daß Rechtsanwalt Hinrichsen sein Mandat als Rechtsberater niederlegt
und die Schützengesellschaft verläßt.
MAX REINHARDT
|. GEDCÄHTNISSCHIESSEN
Vom 19.Juli
Während des e .
Schützenfestes 1967 wird bis 24. Juli
ein Gedächtnisschießen ;
zu Ehren des 1961
verstorbenen Direktors
Max Reinhardt
durcheeführt.
der Priv. Schützengesellschaft
von 1533 Neustadt/Coburg
anläßlich des Schützenfestes 1967
Der Vorstand im Jahr 1963.
Das Zitat in der Überschrift dieses Kapitels stammt übrigens aus einem Brief,
den die Schützengesellschaft am 11. Juli 1958 an die Sanitätskolonne Neustadt
tichtet. Vorausgegangen waren Differenzen über die Höhe des Standplatzes,
den das Rote Kreuz beim Vogelschießen an die Schützengesellschaft zu bezahlen
hat, und anscheinend eine Überlegung auf Seiten der Sanitäter, die ihre Leistungen,
die sie während des Schützenfestes für die Besucher erbringen, der
Schützengesellschaft gerne in Rechnung stellen würden. Nicht nur die Schützen
benötigen Geld.
“Wir glauben deshalb auch, dass vereinzelt vorgekommene Kontroversen nicht tragisch genommen
werden sollten, zumal gerade der Neustadter nach dem Grundsatz ‚rauh aber herzlich!
nicht jedes Wort aufdi e Goldwaage zu legen pflegt.“
Die Kolonne bekommt seit Jahren einen Platz zum Losverkauf während des
Schützenfestes für 40.- DM Standmiete zugewiesen, “obwohl uns die Vergabe dieses
Platzes an auswärtige Schausteller, Losverkäufer etc. gut und gern 200-250 DM eingebracht
hätte.”
Demnach ist die Schützengesellschaft der Kolonne immer entgegen gekommen,
und hätte erwartet, daß die Sanitäts-Kolonne “in der niedrigen Bemessung des
Platzgeldes eine freundschaftliche Geste erblickt.“
Ein Problem für die Schützengesellschaft liegt darin, daß sie die Leistungen der
Sanitäter während des Schützenfestes in Anspruch nimmt.
-141 –
‘Es ist selbstverständlich, dass wir Ihnen ihre Auslagen und Ihre Mühewaltung vergüten
würden, wenn wir die Möglichkeit ausschöpfen würden, Sie bei der Benutzung unseres Platzes
unseren anderen Mietern gleichzustellen.
Wir haben bisher die Beobachtung gemacht, dass der vor Ihnen anlässlich des Schützenfestes
unterhaltene „Glückshafen‘ sich gerade aus Schützenkreisen regsten Zuspruches erfreut. Dies
nicht zuletzt, weil wir unsere Mitglieder in angemessener Weise auf die mit Ihrem Betrieb verbundenen
edlen Zwecke aufmerksam gemacht haben.
Selbstverständlich steht Ihnen auch in diesem Jahre wieder zu den gleichen Bedingungen ein
Platz zur Verfügung.”
Meo“
7 DT SR BRUCH Des BRAN,, UM
FBRUAR 1985 um ©
Scheibe von 1985
Das „Alte Schützenhaus“ nach dem Brand
Zur Erinnerung an das Alte Schützenhaus 1985
Ausbruch des Brandes: 22. Februar 1985 um 0 Uhr 30
Gestiftet vom Schausteller Ehepaar Helga und Herbert Lenz
Gemalt von Maaser.- 143 –
Neustadt und Thüringen
Für Neustadt beginnt mit dem Beginn des Kalten Krieges ein tiefer Einschnitt
in seiner Geschichte. Direkt an der neuen Grenze gelegen, entfällt ein großer
Teil des gewohnten Umlandes mit Verwandtschaft, Freunden, Arbeit und Geselligkeit.
/N
Scheibe von 1920
Maße: 40 x 40 cm
Stadtwappen und Bayernwappen
Anschluß des Herzogtums Coburg an Bayern
Hauptschießen August 1920
Gewidmet von dem nenen Schützen Lonis Lipfert
Gewonnen von Lonis Lipfert
Gemalt von M. Derra.- 144 –
Eine erste Veränderung ist zwar schon der Anschluß an Bayern 1921, trotzdem
bleibt eine enge, manchmal auch etwas zwiespältige Beziehung zu Sonneberg.
Verbindend sind die gemeinsame Spielzeugindustrie, und die vielfältigen verwandtschaftlichen
und geschäftlichen Beziehungen. Belebend und ärgerlich ist
der Ehrgeiz, der jeweils anderen Stadt doch etwas voraus sein zu wollen, was
Sonneberg mit der größeren Einwohnerzahl und der städtischeren Erscheinung
gelingt, auch wenn sich Emil Herold in seiner Festschrift zur feierlichen Eröffnung
des vergrößerten Schützenhauses der Privilegierten Schützengesellschaft
1925 lustig macht über die Träume der Sonneberger:
„Man muß über die andern hinansragen und wär’s bloß mit einem Wolkenkratzer, der dann
auf Iumpige sechs Stockwerke zusammenschrumpft (schließlich bleibt’s gar bei dem Loch, das
man in der Nahe des Bahnhofs gegraben hat.‘
Scheibe von 1962
Maße: ® 60 cm
Motiv: Das Lutherhaus in unserer Nachbarstadt Sonneberg — Thüringen
Königs Scheibe 1962
Gegeben von Hermann Simon
Gewonnen von Ernst Witter
Gemalt von Greiner- 145 –
Scheibe von 1957
Motiv: Der Schlossberg in Sonneberg
Königs Scheibe 1957
Gegeben von Hans Zitzmann
Gewonnen von Georg Bunzel- 6-
- 197 –
g
E
8
=‘ e $
m
no
Scheibe von 1975
Motiv: Der Blick nach Drüben von Bergdorf (Brüx) nach Rückertswind
Gegeben von Harald Hess
Gewonnen von Alfred Wenzel
Gemalt von Ernst Greiner
Der Verlust der Nachbarn in Thüringen wird scherzlich erfahren, und immer
wieder erinnern Schützenscheiben an diese Auswirkung des Dritten Reichs.- –
Die Schützenscheiben sind nicht nur kulturgeschichtlich ein wunderbarer Fundus,
auch ästhetisch werden sie immer wieder einmal zu Werbe- und Dekorationszwecken
genutzt. Dies allerdings in einer Zeit, als der konservatorische
Gedanke noch nicht ausschlaggebend war für den Umgang mit den Scheiben.
Die Firma Hermann Steinmann, Damenkleidung in Coburg, bedankt sich am 14.
August 1962 bei der Privilegierten Schützengesellschaft für die Überlassung
einiger Schützenscheiben:
“Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns noch einmal recht herzlich für die freundliche Leihgabe Ihrer Traditions-
Schießscheiben für unsere Ferbst-Dekoration.
Nachstehend wollen wir Ihnen noch einmal die genaue Anfstellung der Mengen anzeigen,
sodaß Sie selbst einen Beleg in Händen haben.
Ein Duplikat der Aufstellung wollen Sie bitte an Herrn Langbein weiterleiten.“
Es folgt eine Auflistung der Jahre, aus denen die Scheiben stammen: 1763,
1768, 1772 etc. bis 1921, insgesamt handelt es sich um 41 Scheiben.
‘Wir versichern Ihnen, daß die Scheiben bestens behandelt werden und in gereinigtem
Zustand wieder nach Nenstadt zurückgebracht werden. ”°
Die Schützengesellschaft als wirtschaftliches Unternehmen – der
Idealismus und seine Finanzierung
“.. es geht aber der Schützengesellschaft wie heutzutage den meisten Geschäftslenten: sie sind
verhältnismäßig reich, aber sie haben kein Geld.”
(Jahresbericht 1953)
Nach dem Zweiten Weltkrieg und des zeitweisen Verbots sämtlicher Schützengesellschaften
durch die amerikanische Militärregierung muß die neuformierte
Vorstandschaft zunächst Klarheit in die finanzielle Situation der Schützengesellschaft
Neustadt bringen. Dies erweist sich als besonders mühevolles Unternehmen.
Die Verhandlungen mit dem Kabelwerk Neustadt über Wiederherstellungskosten
nach dem Abzug der Zwangsarbeiter aus dem Schützenhaus,
und dem Flüchtlingsamt über Renovierungskosten, die durch Abnutzung und
Beschädigungen von den einquartierten Flüchtlingen verursacht wurden, ziehen
sich über mehrere Jahre hin. Erschwerend kommt hinzu, daß der damalige Kassenführer,
Bankdirektor Nußpickel, ein manchmal undurchsichtiges Finanzsystem
aufgebaut hat, in dem zahlreiche Konten unterschiedlicher Zuordnung geführt
werden, bei denen die Ermittlung der Hypotheken, Schulden, Einnahmen
und sonstigen Transaktionen für seine Nachfolger nicht immer leicht ist. Als
sein Nachfolger, Schatzmeister Christian Hofmann im Juni 1949 seinen ersten
Kassenbericht vorlegt, muß er zum allgemeinen Erstaunen von einem Schul-- 149 –
denstand von 4372,23 DM berichten.
‘Diese Tatsache hat uns natürlich alle tief erschüttert. Wir haben nun alle Hebel in Bewegung
gesetzt, um aus diesem Chaos herauszukommen und folgendes unternommen…”
Letztendlich zieht es sich bis in das Jahr 1953 hin, bevor der Vorstand mit dem
Kassa-Bericht am 17. Februar 1954 Rechenschaft ablegen kann:
„Liebe Schützenkameraden!
Am Anfang möchte ich feststellen, dass sich unser StenerbAelbrerat tAernrold unendlich viel
Mihe gemacht hat, um Klarheit in die komplizierten V’ermögensverhältnisse unserer Gesellschaft
zu bringen.
Dies ist ihm voll gelungen. Wir sind jetzt in der Lage, über jedes Hypothekenkonto, sowie
über Grundschuldverpflichtungen usw. mit genauen Zahlen über Zinsen- und Tilgungen zu
operieren.
Hierfür gebührt ihm besonderer Dank.”
Der Kassabestand beträgt am 31.12.1953 146,77 DM
Das Bank-Debetsaldo beträgt -1389,82 DM.
Vermerkt wird auch ausdrücklich, daß es bei den 150 Mitgliedern so gut wie
keine Rückstände mehr bei den Beiträgen gäbe.!”!
Aus der Jahresbilanz sind die wichtigsten Einnahmequellen und Kostenfaktoren
zu ersehen. Nicht überraschend ist, daß der Schießsport bei einem Ausgabenvolumen
von insgesamt 19315,78 DM nur 1422,82 DM ausmacht, also gerade
einmal 7,36% der Ausgaben der Schützengesellschaft, wobei in diesem
Jahr eine aufwendige Hut- und Abzeichenaktion mit 318,27 DM durchgeführt
wurde. Für den Haushalt ausschlaggebend ist nicht die Schützengesellschaft als
schießende Vereinigung, sondern die Schützengesellschaft als Wirtschaftsunternehmen,
auch wenn die wirtschaftliche Aktivität der Schützen auf ihrer gesellschaftlichen
Stellung und Funktion beruht, also nicht profitorientiert ist.
Der verhältnismäßig geringe Anteil des Schießens an den Ausgaben der Schützengesellschaft
fällt natürlich auch den Mitgliedern auf, und führt offensichtlich
zu kritischen Äußerungen gegenüber der Vorstandschaft. Im Jahresbericht
1958 weist der Kassenführer deshalb auch nochmals darauf hin, daß der
Schießsport keineswegs vernachlässigt würde gegenüber den anderen Aufgaben
der Gesellschaft. In Gruppe II des Etats wird aufgeführt:
Schießbetrieb
Einnahmen 237.- DM
Ausgaben 2377.- DM.
Zuzüglich einer noch offenen Rechnung des Zimmergeschäfts Müller über
1240.- DM ergibt sich insgesamt ein Zuschuß aus der Hauptkasse an die
Schießkasse über 3617.- DM.
“Ich glaube, diese Tatsache ist dazu angetan, Meinungen in der Richtung, als wenn von der
Kasse für den Schießsport zu wenig getan wird, zu zerstrenen.”’?- 150 –
Aber ohne das Wirtschaftsunternehmen Schützengesellschaft gibt es keine Förderung
des Schießsports.
N aurd
Aufgliederung der Einnahmen und Ausgäben nach der Bilanz und Gewinn und
Verlustrechnung sowie der Buchkonten für das Jahr 1953.
Einnahmen
Miete Wohnungen .„.v.cse.000. 2823.00
Pacht Göttling „2… er.000crrnenee 4200.00
Miete Kino …sccese0cn0n 4500.00
Platzmiete Kinderfest 1107.00
Mitglieder Beiträge . 1489.50
Schützenfest _ laut Abrechnung:
Platzmieten …s.rcr..: “ren. Dmk. 2040.00
Schießeinnahme ……ccs:0.. r a 28
BaLle: \eree einieie # ie a era miwrerie mil anne
Spenden …..:.. oe a SeeBi eie es 8 &58:22 4351.49
ZINSEN us sen nee en nie eine ıe aa wien “. 19.30
Schadensvergütung besnees kerneneniene 30.00
Festkonto .ceeeeeesnereennr.. solae e e 17.88
Verkaufte Pfandbriefe ….z.2c0… 19.30
Ausgaben Ural – lie 7.4
Zinsen: Hypothek Hypobank „ssceer er… DMk. 234.03
Ay Tai Alyate HGA Hypo & Reichel ……… „2167.24 _
Bankzinsen & Wechselspesen … .80 2676.07
Tigungen:Hypothek Hypobank nn… 4.4
HGA Hypo Reichel Mtglieder 1105.84 1180.33
Steuern :Grundsteuer _…..-.:.:… ss da 1630.
Umsatzsteuer …seeroreo.nnere. . 178.65
Vermögenssteuer …..::2220: 97.00
Soforthilfe Abgabe …c.r. 0… 96.60 |
Körperschaftssteuer .s…….. 29.00 2332.17
Hausreparaturen: Elektrisch … .00
Klempner …… 590.00
Pflasterer …. 45.00
Sandabfuhr ……. 48.00
Schreiner …sr… „70.00
Maler ec. 150.00
Zimmermann „sure. 219.00
Vers. Kleinreparaturen 463.60 2051.60
Schießsport: Munition & Scheiben .20
« Gewehr & Gewehrreparat. 546.95
Gewehr Versicherung 36.80
Deputationen eg 355.60
Abzeichen & Hutaktion … 318.27 1422.82
Restabzahlung auf Wechsel …..enc.c0n. aha ne pre ae wi. 2200.00
Abzahlung auf Gläubiger (Anton Müller) „cersereeren 780.63
Schützenfest: Unkosten laut Abrechnung 4248.09
inl.Karten,Inserate,die nicht
in der Abrechnung sind 473.40 4721.49
Sonstige: Haftpfl.Wasser & Brandversicherung ……….. 283.90
Müllabf.Schlotf.Grubenreinigung,Rattenbek. 387.10
Geschenke ,Kränze ete. ….erceenesseneeren.e si 105.90
Reisekosten … (Würzburg) „eeeeeoonenenereeen 22.00
Stempel & Lagenbuch I Muer@art……. en scene 117.06
Beiträge Bund ..ccu un ecuccnese ah ae
Beiträge Gema Jahrespauschale ….
Gebühren,Notar & Stadt ……..
Beratungskosten Arnold „sercuceceee
Feuerversicherung Mobiliar …..»
Kleinreparaturen ..ecccsceesecnnnnne
Inkasso seosssuss rien en
Ausgaben
Einnahmen
Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen um
Yun da afı inne a a rn
N)
Km Aah ea i
/
Betr lern rd ger eure ,
Die Jahresabrechnung 1953.
-B51-
Unterhalt und Nutzung des Schützenhauses bilden den Hauptbestandteil dieses
Wirtschaftsunternehmens. Auf der Einnahmenseite sind hier vor allem zu finden:
Miete Wohnungen 2823,- DM
Pacht Gaststätte 4200,- DM
Miete Kino 4500.- DM.
Als weiterer umfangreicher Einnahmeposten folgen die Platzmieten bei den
Volksfesten (Kinderfest und Schützenfest):
Kinderfest 1107,- DM
Schützenfest 2040,- DM.
Die Mitgliedsbeiträge selbst bringen immerhin die beachtliche Summe von
1489,50 DM ein.
Der frühere Krisenherd Gaststätte hat sich in den Jahren nach dem Zweiten
Weltkrieg etwas beruhigt. Die Pächter bleiben länger, das Schützenhaus wird
auch wieder als Treffpunkt der Neustadter Bevölkerung anerkannt. Bis es so
weit ist, müßen die ersten Pächter allerdings eine längere Durststrecke überstehen.
Pächter Fritz Göttling bittet den Stadtrat am 28. November 1950 um
Erlaß oder zumindest um eine “wesentliche Senkung” der Schankerlaubnissteuer in
Höhe von 425.- DM. Der Grund: Er mußte alles Nötige für den Betrieb der
Schankstätte selbst mitbringen, da keinerlei Inventar mehr vorhanden war.
“Genan wie die Schützengesellschaft die ehemaligen Wohnruinen mit äußersten Opfern und
in der Erwartung, daß der Staat hierfür seine Zahlungen leistet, renoviert hat, so mußte ich
mit dazu helfen, die Bewirtschaftung auf die Beine zu bringen. „>
Göttling selbst ist Ostflüchtling, und nur unter größten Anstrengungen in der
Lage, die Voraussetzungen für einen geregelten Schankbetrieb im Schützenhaus
zu gewährleisten.
Die Schützengesellschaft wechselt auch die Brauerei, nachdem der Vertrag mit
der Reichelbräu ausgelaufen ist, mit der sie trotz aller Differenzen die Umschuldung
vor dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich durchführen konnte. Jetzt
kommt die Geussenbräu zum Zug, mit der ein Vertrag abgeschlossen wird, in
dem sich die Brauerei verpflichtet, an Mobiliar 550 feste Stühle, 200 Klappstühle,
40 Klapptafeln und 22 Klappbänke zur Verfügung zu stellen. Damit
werden die Schützen erheblich entlastet. Dafür verpflichtet sich die Schützengesellschaft
künftig nur noch Bier von der Geussenbräu zu beziehen und ausschenken
zu lassen. Die Bierbezugverpflichtung der Schützengesellschaft dauert
bis zur völligen Amortisierung des Wertes der durch die Geussenbräu gelieferten
Einrichtungsstücke, mindestens jedoch 15 Jahre von Beginn der Bierlieferung
an. Das Verhältnis zur Brauerei gestaltet sich harmonisch und erfolgreich,
nicht zuletzt deshalb, weil das Ehepaar Knorr als Besitzer der Brauerei auch
Mitglieder der Schützengesellschaft sind.!7*- 152 –
Das Lichtspieltheater im Schützenhaus
Vor dem Krieg wurde die Bühne des Schützenhauses für Theatervorführungen
des Landestheaters Coburg genutzt, die vom Neustadter Publikum gerne angenommen
wurden. Nach dem Krieg ist an eine theatertaugliche Herrichtung des
großen Saals mit Bühne noch nicht zu denken. Aber statt des Theaters meldet
sich ein neues Medium zu Wort, das Kino. Noch gibt es kein Fernsehen, und
so werden auch auf dem Land in passenden Räumen Lichtspieltheater eingerichtet.
Die Interessenten in Neustadt sind zunächst zwei Sudetendeutsche, Frau Kunicht
und Herr Klar, die beide in der Tschechoslowakei Kinos geleitet hatten,
Frau Kunicht in Aussig, Herr Klar in Landskron und in Grulich. An Erfahrung
sollte es ihnen also nicht mangeln. Als die Schützengesellschaft nach einem Geschäftskonzept
ihrer Firma „Neue Filmbühne““ fragt, mit welcher Rechtsform
die beiden auftreten wollen, und wie ihr Unternehmen finanziell abgesichert
werden soll, kommt eine zeittypische Antwort. Als Garantie für die Schützengesellschaft
soll die neue unbelastete Wohnungseinrichtung von Frau Kunicht
16.000.- DM dienen, weiterhin ihr Schmuck, ihre Markenporzellane, ihr Kristallglas,
zwei fabrikneue Revolverwechselstühle, 186cm Blattbreite mit Schaufelschaftmaschine
und Antrieb im Wert von 11.000.- DM.
“Schliesslich die Ersparnisse aus meiner mehrjährigen Tätigkeit als Disponentin.”
Herr Klar möchte seinen Anteil mit einem Kredit absichern:
“Sein genehmigter Flüchtlingsieredit in Höhe von DM 8.000.- der ihm am Ort seiner
Unternehmertätigkeit ausgezahlt wird.””>
Die Bundesrepublik ist ein Land im Umbruch. Von einem Flüchtlingskredit als
Grundlage einer unternehmerischen Tätigkeit hätte zehn Jahre früher niemand
zu träumen gewagt, nach der Katastrophe wird jede sich bietende Gelegenheit
ergriffen, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die Wirtschaftswunderjahre
lassen die ökonomische Basis bald sicherer werden. Auch die Schützengesellschaft
profitiert von dieser Entwicklung, und ist in der Lage, den Mitgliedsbeitrag
zu verdoppeln. Ab dem 1. Januar 1955 beträgt der neue Beitrag 2.- DM im
Monat.!76
Mit den ersten Interessenten für das Lichtspielhaus im Schützenhaus bricht die
Schützengesellschaft die Verhandlungen im Oktober 1952 allerdings schnell ab.
Es gibt keine realistische Grundlage, nachdem Frau Kunicht zwar schon einen
Entwurf für einen Mietvertrag an die Gesellschaft schickt, sonst aber keinerlei
Angaben über nötige Umbaumaßnahmen, Hinterlegung von Kaution etc. gegeben
hat.
Daß es der Schützengesellschaft so leicht fällt, die Bemühungen aufzugeben,
liegt an einer weiteren Bewerbung aus der Kinobranche. Werner Mahler, dessen
Frau Inhaberin des Münchner Unternehmens Süd-Ton GmbH ist, kann ein
Konzept und die geforderte Kaution von 3000.- DM vorlegen.!7- 153 –
Das Kino wird in den folgenden Jahren zum größten Einnahmeposten des
Schützenhauses, der bis zu 12.987,29 DM im Jahr einbringt (1957). In der Regel
liegt die Einnahme jedoch um 7000.- DM im Jahr. Ärgerlich ist die unregelmäßige
Zahlung der monatlichen Miete durch das Ehepaar Mahler, wodurch
sich die Schützengesellschaft immer wieder gezwungen sieht, vor allem gegen
Ende des Jahres, um einen Ausgleich des Kontos zu bitten, was in der Regel
nach einiger Zeit auch erledigt wird. Im Jahresbericht 1957 heißt es über den
Kassenbestand:
‘Der Kassabestand ist deshalb so hoch, weil die Kinobesitzer am 30. Dez. mit einer Zahlung
von DM 2839.– ihre sämtlichen Rückstände beglichen haben. ””®
Für den Vorstand wiegt das positive Ergebnis der Kinovermietung den sporadischen
Ärger sicherlich auf.
Mit den erzielten Einnahmen muß die Schützengesellschaft vor allem das Schützenhaus
erhalten, und Schritt für Schritt weiter ausbauen, eine Aufgabe, die
kontinuierlich anwächst. Im Kassenbericht 1957 wird lapidar festgestellt, daß
die im letzten Jahr vorgesehenen Renovierungskosten von 13.000.- DM um
2.500.- DM überschritten werden mußten.
An nötigen Bauarbeiten wurden inzwischen wieder durchgeführt:
Renovierung der Kegelbahn 1500.- DM
Modernisierung des Schießstandes 3600.- DM
Pflasterung der Auffahrt 760.- DM
insg. 5860.- DM.
Im Dezember liegen noch unbezahlte Rechnungen über 4700.- DM vor, die
nur zu 80% aus dem Jahresendbestand bezahlt werden können. Der Rest muß
aus laufenden Einnahmen beglichen werden. Der Kassenwart sieht sich
gezwungen, an die Haushaltsdisziplin in der Gesellschaft zu apellieren.
‘Zum Schluß möchte ich noch sagen, daß die Gesellschaft wohl in der Lage ist, ihren Verpflichtungen
nachzukommen, trotzdem möchte ich aber den Vorschlag machen und den
Wunsch aussprechen, daß in Zukunft über Ausgaben, die der V’erschönerung dienen, erst beschlossen
wird, wenn die benötigten Mittel bereits vorhanden sind.”’?
Weil die benötigten Mittel zunehmend nicht mehr vorhanden sind, beschließt
der Vorstand die Aufnahme eines Kredits über 25.000.- DM, der über die
Hausbank abgewickelt wird. Vorgesehen sind Fenster- und Bodenrenovierung,
Einbau einer Warmwasser-Heizungsanlage, Einbau eines Heizölbehälters und
der Einbau einer Speiseaufzugsanlage mit elektrischem Antrieb.!®
Die Situation, in die die Schützengesellschaft mit den Renovierungskosten gerät,
erinnert fatal an die Verschuldung vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Einnahmen
hinken den Ausgaben immer weiter hinterher, die Saalmieten können
das investierte Kapital nicht wieder amortisieren, auch wenn die Nutzung des
Saales kulturell lobenswert ist.
-154 –
Im Juni 1960 bittet Margarethe Rautenberg, Inhaberin der Tanzschule Rautenberg
in Coburg, den Schützensaal für Anfang Juli zu reservieren:
„An diesem Abend soll den interessierten Eltern Neustadts der Gymnastik-Unterricht und
der Kinderballett-Unterricht der Tanzschule Rantenberg vorgeführt werden. ‘’®‘
Die Saalmiete bringt der Schützengesellschaft jedoch nur 75.- DM ein, viel zu
wenig, wenn der Saal nicht permanent ausgebucht ist.
Abrechnung der Saalmieten 1958/1959/ 1960:
1958 290900
IE EEE | EEE RE .
Fa. Hermann 11. 60-DM — I-==
Steiner |
Gesellschaft der 18.1. 140-DM |22.1. 140.-DM |22.1. 140.- DM
Musikfreunde 21.6. 80.-DM _ h_
Glockenberger 3.2. 100.-DM |19.1. 100.-DM 122.2. 100.-DM |
10.11. 60.-DM ‚9.11. 70.- DM |
Neustndter 30.4. 80-DM — En
Gemeinsch.
Stadtkapelle 46. 50.DM 125.5. 50. u 1
Kinderfest
ADAC 12411. 60.-DM 10.11. 60.-DM |—-
Liederkranz 81. 60.- DM
Frau Rautenberg® 9.7. 75.- DM
Flouenverein . | 5.10, 125,- DM
Insg. 630.- DM 420.- DM 500.- DM
Die zweite, in den Augen der Schützen beinahe öffentliche Aufgabe der Privilegierten
Schützengesellschaft ist die Abhaltung des Schützenfestes, des größten
Volksfestes in Neustadt.- 155 –
Das Schützenfest
“Wenn am Mittwochnachmittag die schmissige Musikkapelle durch den Zapfenstreich das
NEUSTADTER VOGELSCHIESSEN der priv. Schützengesellschaft eröffnet, dann
darf es keinen Schützenbruder geben, dem das Herz nicht höher schlägt und der nicht mit
voller Begeisterung unser V’ogelschießen mitfeiert.”
(Rundbrief zum Schützenfest 1953)
Das Zitat oben stammt aus einem der Rundbriefe, die jedes Jahr von der Vorstandschaft
an alle Mitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft gehen, um
eine rege Beteiligung am Vogelschießen zu sichern. Aus der Sicht der Mitglieder
könnte das Kapitel Schützenfest auch überschrieben sein mit
„Da ist er wieder, der Brief vom Direktor …“
Das Schützenfest ist natürlich die beste Gelegenheit, der Bevölkerung Neustadts
die Bedeutung der Schützengesellschaft vor Augen zu führen. Dazu gehört
selbstverständlich geschlossenes Auftreten der Schützen in Uniform, Teilnahme
am Schießen, Präsenz auf dem Festplatz, Teilnahme an den Bällen, und
so sieht sich der Direktor Jahr für Jahr genötigt, für den nötigen Schwung zu
sorgen. Max Reinhardt weiß wohl, daß die Schützen seinen Rundbrief erwarten,
der zum Schützenfest 1959 genau so beginnt:
“Da ist er wieder, der Brief vom Direktor. Nun wird’s ernst, wird jeder sagen. Und es ist so!
Also bitte aufgepaßt!
Allen Mißhelligkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz wollen wir in diesem Jahr unser Fest
„Das Neustadter V ogelschießen‘ wieder gemeinsam miteinander und mit der Bevölkerung zusammen
feiern.
Am Mittwoch, den 22. Juli 1959 wird es wieder lebendig in Neustadt. Es erklingen die
munteren Weisen der Kapelle Gotzel, die für uns auch in diesem Jahr die Musik stellt.
Beihiegend findet Ihr unser Festprogramm, das nach genanerem Studium sofort in der frisch
aufgebügelten Schützenjoppe verstaut werden muß, um bei Bedarf immer zur Hand zu sein.
(+)
Zur Einholung des Festbieres am Mittwoch hätte die Vorstandschaft gerne eine stärkere Beteiligung
der uniformierten Schützen ab Brauerei gesehen (Treffen ab 17 Uhr).
(.)
Am Donnerstag früh treffen wir uns ab 10.00 Uhr zum Frühschoppen bei Schützenbruder
Neuefeind (Leuchtturm) in Festkleidung (Weißer Binder, weifse Handschuhe usw.) und gegen
11.00 Uhr holt die Ehrenabordnung wie üblich unseren König ab. Gegen 13.00 Uhr wird
die Ehrenabordnung das Auszugslokal wieder berühren, um dort verbliebene Schützenbrüder
im Zug mit zum Schützenhaus zu nehmen. Ab 14 Uhr steigt die Tafel mit Ehrungen. Zur
Tafel erhält diesmal jedes teilnehmende Mitglied eine Tafelmarke im Wert von DM 4.00. Im
Auszugslokal 2 Bratwürste.- 156 –
Nun kommt wieder eine Neuerung. Am Sonntag, den 26. Juli versammeln sich die Schützen
ab 11.00 Uhr im Schützenhaus um gemeinsam mit den auswärtigen Schützenabordnungen,
die wir recht zahlreich erwarten, um 13.00 Uhr den Schützenanszug zu starten. Es ist notwendig
und Ehrensache, daß jeder Einzelne von uns, der eine Uniform besitzt, sich am Anszug
beteiligt, denn es ist damit zu rechnen, daß wir am Sonntag eine starke Zuschauerkulisse
haben werden und wir wollen doch bei dieser Gelegenheit den Beweis erbringen, dajß die
“Privilegierte” die führende Gesellschaft in Neustadt ist. (…)
Volksbelustigungen und Bierzelt werden ihre Anziehungskraft unter Beweis stellen.”
Der „Leuchtturm“ ist die Gaststätte von Schützenbruder Neuefeind in der Heubischerstraße.
Die Bierabholung 1959- 157 –
PRIV. SCHÜTZENEBSELLSCHLAFT
1533 B.V. NEUSTADT B. GBE.
Mitglied des Bayerischen und des Deutschen Schüenbundes
FESTPROGRAMMI
zum Schütjen- und Volksfest
in Neustadt bei Coburg vom 18. bis 27. Juli 1959
Wir beehren uns, Sie zu unserem diesjähri H hiefen herzlich
einzuladen und erlauben uns, auf das gut ausgestattete Schießprogramm
besonders hinzuweisen. Über Ihren Besuch würden wir uns sehr freuen.
Mit deutschem Schüßengruß!
Max Reinhardt
Direktor
Christian Hofmann Ernst Müller
- Schahmeister 1. Schüenmeister
Festerdnung
Sonnabend, 18. Juli 195914 bis 19 Uhr Schiefjen
Sonntag, 19. Juli 19599 9 bis 12 Uhr Schiehen
13 bis 19 Uhr Schießen
Montag, 20. Juli 1959 14 bis 19 Uhr Schießen
Mittwoch, 22. Juli 1959 14.30 Uhr Zapfenstreich,
bei den Schi d
18.30 Uhr Anstich des Festbieres und
gemütliches Beisammensein im Bierzelt
Donnerstag, 23. Juli 1959 7 Uhr Wecken
10 Uhr Z ft im A lokal „Leuch iu
11 Uhr Abholung des Schüenkönigs
14 Uhr Festtafel mit Ehrungen
Freitag, 24. Juli 1959 14 bis 19 Uhr Schiehen
20 Uhr Treffen der Schüten mit Damen im Bierzelt
Sonnabend, 25. Juli 195914 bis 19 Uhr Schiehen
20 Uhr Offentlicher Festball
Sonntag, 26. Juli 19599 bis 11.30 Uhr Schießen
14 bis 19 Uhr Schieken
13 Uhr Auszug der Schüfen vom Schüyenhaus
15 bis 18 Uhr Konzert in den Schüenhaus-Anlogen
20 Uhr Offentlicher Fesiball
Montag, 27. Juli 1959 9 bis 17 Uhr Schießen
20 Uhr Offentlicher Ball mit Preisverteilung
Großes Brillant. bei Einb der ikelheitl
Sonnabend, 1. Aug. 1959 20 Uhr Geschlossener Schüßenball
mit Proklamation des Schühenkönigs
Die Musik wird ausgeführt von der Stadtkapelle Coburg unter persönlicher Leitung
des Stabsmusikmeisters a.D. Heinz Gotjel — Bälle: „Klingende Fünf”
- 158 –
Die Schützengesellschaft bewirbt bereits ihr Vogelschießen vom 11.-15. August
1938 mit den angebotenen Attraktionen der Schausteller:
“Das altberühmte Neustadter V ogelschiessen steigt in diesem Jahre wieder in seinem alten
traditionellen Glanz.
Mehr denn je hat sich heuer die Elite der S chansteller auf dem Festplatz eingefunden.
Hier nur eine kleine Auslese aus dem was der Festplatz den Besuchern bietet:
U-Boot-Flotille, das Neueste auf diesem Gebiet.
Beutlers Sensation “Kapitol”, noch nie dagewesen
Haas mit seinem erstklassigen Zirkus-V’arietee
Buchinger’s weltberühmte Lustspiel- u. Attraktionenschan,
stündlich neues Programm
Häüertels Schiesspalast, heuer 40 Jahre auf dem Platz
Russisches Rad! – Taifun — wunderbare Sache — Höhns Luftschaukel
Kinder-Karusells — Schiessbuden ersten Ranges — Tierschau –
Kasperl-Theater! Seit Jahrhunderten allgemein beliebt.
Glücksbuden usw. usw.
Pleyer’s Strandpromenade, ganz gross! S timmungskapelle!!
Alles auf zum Neustadter V’ogelschießen!!! ‚183
Der Fetsplatz 1951.- 159 –
Zuständig für die Anziehungskraft der Volksbelustigungen ist der Platzwart der
Schützengesellschaft, der die Standplätze an interessierte Schausteller vermietet.
Sein Gespür und seine Verbindungen sind ausschlaggebend für den Erfolg des
Volksfestes bei den Besuchern und damit auch in der Kasse der Gesellschaft.
Ein weiterer gut zu überlegender Faktor ist der Zeitpunkt des Festes. Wie fügt
es sich in den Ablauf der großen regionalen Schützenfeste in Coburg, Kronach
und Lichtenfels? Wie paßt es zum Termin des Kiliansfestes in Würzburg, von
dem die Privilegierte in einem Brief an das Verkehrsamt Würzburg 1953 meint,
es sei der Anhaltspunkt für die Schützenfeste im nördlichen Oberfranken, und
um den Termin für das Jahr 1954 bittet.
Manchmal kommen sich jedoch schon die beiden Schützengesellschaften Neustadts
in die Quere. Der „Süddeutsche Verband reisender Schausteller und
Handelsleute e.V.“ in Nürnberg, mit dem die Neustadter zusammenarbeiten
wollen, fragt am 19. November 1951 bei der Privilegierten Schützengesellschaft
wegen des Termins an:
‘Betr. Termin des Neustädter Schützenfestes
Soviel mir von Herrn Mölter mitgeteilt wurde, Konnte eine Einigung zwischen Ihnen und der
anderen Schützengesellschaft von Neustadt nicht erreicht werden. Es wird nach meiner Ansicht
am besten sein, ich werde in dieser Angelegenheit persönlich nach dort kommen und
schliesslich den Versuch unternehmen, um zwischen den beiden Gesellschaften eine Verständigung
in der Abhaltung des Schützenfestes herbeiführen zu können.
Nach meinem Dafürbalten ist es unverantwortlich, in Nenstadt 2 derartige Feste durchzuführen,
denn eines davon muss immer ein Fiasko werden.”
Die Verhandlungen sollen baldmöglichst fortgesetzt werden, wobei Direktor
Reinhardt an den Verband schreibt:
‘Ich persönlich glanbe, daß es gut wäre, wenn Herr Schweitzer vor der Versammlung in
Kulmbach |die Herbstversammlung der Schützenvereine Oberfrankens] zach Neustadt
käme und zwar erst zu uns und dann anschliessend zur Schützengesellschaft Jägersruh.
Wir könnten dann erst nochmal genau alle Möglichkeiten durchsprechen.”’®*
Die Absprachen mit dem Verband sehen vor, daß sechs Wochen vor dem
Schützenfest, das in die Zeit zwischen 14. September und 1. Oktober 1952 gelegt
wird, keine weiteren Veranstaltungen auf dem Schützenplatz stattfinden
dürfen. Im Gegenzug kann die Schützengesellschaft eine sichere Mieteinnahme
von 1500.- DM verbuchen, da sich der Verband in eigener Regie um die Bestückung
des Platzes kümmert, und das Risiko für die Schützen wegfällt. Sie
müßen nur für Strom und Wasser auf dem Platz sorgen, und im Falle höherer
Gewalt, also „Epidemie, politische Ereignissed‘i e Miete wieder zurückzahlen.!85
Zu diesem Arrangement mit dem Schaustellerverband findet sich die Privilegierte
Schützengesellschaft bereit, weil das Schützenfest 1951 gerade wegen der
Terminüberschneidung in Neustadt die Erwartungen enttäuscht hatte.
“Es ist eine Tatsache, dass das verflossene Schützenfest ein Misserfolg war und zwar ans dem
Grunde, weil der seinerzeit festgelegte Termin fast mit dem der Schwestergesellschaft zusammenfiel
und für die Schansteller ungünstig war. Wir haben es deshalb vorgezogen, den Termin- 160 –
des diesjährigen Schützenfestes rechtzeitig mit den Schaustellern festzulegen und damit dürfte
etwas Positives geschaffen worden sein.
Ihrem Versprechen, dass Sie eine Ebener Firma mit dem Rotor nach Neustadt bringen,
konnte wenig Verständnis entgegengebracht werden.
Das in Ihrem Schreiben erwähnte Globalabkommen wurde in unserer letzten V’orstandssitzung
einstimmig angenommen. Seien Sie versichert, dass die Satzungen der Schützengesellschaft
beachtet werden, obwohl es nicht immer leicht ist, das in Seenot geratene Schifflein zu
STEHEern.
Ihr Antrag an den Stadtrat ist selbstverständlkich weitergeleitet worden und erhalten Sie in der
Anlage eine Abschrift der Beantwortung.
Mit Deutschem Schützengruß!
Direktor”“’86
Bei der Firma aus Ebern, die den Rotor anbietet, handelt es sich um die Fa.
Hoffmeister. Ihre Erfindung aus dem Jahr 1949, ein Zylinder mit einem Durchmesser
von 4,60m, der sich bis zu 27 Mal pro Minute dreht, und so die Fahrgäste
bei abgesenktem Boden allein durch die Fliehkraft an der Wand festhält,
erfreut sich größter Beliebtheit. Ihr Werbeslogan lautet: „Menschen kleben an der
senkrechten Wand wie die Fliegen bei ihnen zubanse!‘’® Weshalb Direktor Reinhardt
so wenig angetan ist von dieser sehr beliebten Attraktion ist leider nicht bekannt.
Der Antrag an den Stadtrat, den er erwähnt, ist die Bitte, auch von städtischer
Seite aus in den sechs Wochen vor dem Schützenfest keine Veranstaltungen auf
dem Schützenplatz zu veranstalten. Zugesagt werden schließlich vier Wochen.
Die bereits erwähnten „Helfer in Steuersachen“ Albert Arnold und Karl Hess,
die nach dem Tod des Kassierers Bankdirektor Nußpickel die Finanzen der
Schützengesellschaft wieder in Ordnung bringen, kommen in ihrem Bericht
1952 zu dem Schluß:
“Auf jeden Fall muß daranf gesehen werden, dass sich das Schützenfest selbst finanziert.
Unter dieser Voraussetzung ergibt sich nachstehender Etat für 1952:
Einnahmen 8644.- DM
Ausgaben 8644.- DM. “188
Der Druck auf die Schützengesellschaft wächst, weil sich etliche neu- oder wiedergegründete
Schützenvereine daranmachen, ein eigenes Schützenfest auf die
Beine zu stellen. In einem Artikel der Coburger Neuen Presse aus dem Jahr
1957 mit einer Übersicht sämtlicher Volks- und Schützenfeste der Umgebung
heißt es:
‘Zu den älteren traditionellen Schützen- und Volksfesten, die nun alle wieder eingerichtet
sind, haben sich durch das Anwachsen der Zahl der Schützenvereine noch etliche kleinere
Orte hinzugefunden, die ihr Hanptschießen mit Volksfesten veranstalten. ”’®- 161 –
”. ” A r
Im li
Im Festzelt beim Schützenfest 1959- 162 –
Auch die Schausteller müßen sich in einem harten Wettbewerb durchsetzen, in
dem Stammplätze hartnäckig verteidigt werden, und Neuankömmlinge schlechte
Chancen haben. Das Volksfest in Neustadt, eines der großen regionalen
Feste, wird zu einem begehrten Termin, um den es sich zu bewerben lohnt.
“Willi Fleischbaner Jun. Auto-Skooter, Kassel und Bad Wildungen”, wendet sich im
Mai 1956 irrtümlich zuerst an das Rathaus in Neustadt. Er möchte gerne sein
ganzes Sortiment an Attraktionen mitbringen, inklusive Geisterbahn, und legt
der Stadtverwaltung ans Herz, nur nicht die Schausteller aus München zu
engagieren, “..sind wir doch hier in der Gegend auf die paar Festlichkeiten angewiesen. (…)
Wir haben genau die sauberen modernen Geschäfte wie die Münchner. Nur mit dem Unterschied,
daß wir in München keinen Platz bekommen.
Ich bitte doch die Stadtverwaltung mal um etwas Berücksichtigung im nächsten Jahr.”
Die Schützengesellschaft, an die der Brief weitergeleitet wird, gibt ihm den Rat,
sich nächstes Jahr für das Volksfest zu bewerben.!?
Welche Vielfalt an Schaustellern das Neustadter Volksfest zu bieten hat, sieht
man an einer Aufstellung aus dem Jahr 1960. Als Generalpächter fungiert Artur
Mölter aus Coburg, der an die Schützengesellschaft 2000.- DM Pacht überweist,
und über die Weitervermietung der Standplätze an seine Kollegen seine Kosten
wieder deckt. Außerhalb seines Monopols finden sich nur das Bierzelt Sauer,
der Wiener Eispalast und Schausteller Dölle.
Aufstellung der Schausteller und ihrer Beiträge für das Feuerwerk 1960:
Platzgeld Vorausz. 1961 Feuerwerk 1960
Artur Möltner, Coburg 2000.- DM — —
Bierzelt-Sauer, Regensburg 900.- DM — 100.- DM
Feldl-Weltenbummler — — 35.- DM
Eduard Fischer, Neustadt – 10.- DM
Herr Wild, Nagelei — — 5.- DM
Ludwig Kinderkarusell, CO — — 20.- DM
Harald Mölter, Coburg — – 25.- DM
Rotes Kreuz, Neustadt — — 10.- DM
“Liebling-Tierschau” — — 20.- DM
Niederländer (2 Losbuden) — — 50.- DM
Herbert Haase, Ringwerfer — — 15.- DM
Korn, Neustadt ini — 10.- DM
Adamosch, Coburg — — 10.- DM
Fleischmann, NEC — – – 10.- DM
Hofmann, NEC — — 7.- DM
Schießhalle-Backer, CO — — 20.- DM
Emil Thams, CO — — 25.- DM
Distel, Wurfhalle —_ — 20.- DM
Knauer, Imbißhalle — — 60.- DM
Haas-Schau — —_ 40.- DM
Fertsch Imbißhalle, CO u om 20.- DM
Herb. Haase, Landshut – 30.- DM —
Dölle 180.- DM – 30.- DM
Keller — — 20.- DM
Wiener Eispalast 100.- DM — 30.- DM
3180.- DM 50.- DM 592.- DM
gesamt 3822.- DM.“!
In der rechten Spalte sind die Beiträge der Schausteller zur Finanzierung des
Feuerwerks eingetragen. Nachdem die Schützengesellschaft von der Notwendigkeit
eines Feuerwerks überzeugt ist, im Jahresbericht 1960 heißt es, “für die
Durchführung des Feuerwerkes, dessen Anziehungskraft auf die Bevölkerung nicht verkannt
wird, sowie für das Gartenkonzert dürfen keine zusätzlichen Kosten entstehen”, wird zumindest
ein Teil der Kosten auf die Schausteller umgelegt. Kostendeckend ist
der Beitrag nicht, den 592.- DM Umlage stehen 700.- DM Kosten gegenüber,
die Schützengesellschaft macht also wieder ein Minus von 108.- DM. Auch die
Bälle können nur mit Verlust abgeschlossen werden: Einnahmen 777.- DM,
Ausgaben 1031,15 DM, macht einen Verlust von 254,15 DM. Für das Schützenfest
insgesamt ergibt sich bei Einnahmen von 5548,25 DM und Ausgaben
in Höhe von 5918,41 DM ein Fehlbetrag von 610,36 DM.‘??
Zu den unbedingt nötigen, aber ebenfalls nicht kostendeckenden Angeboten
der Schützengesellschaft zählt auch die musikalische Umrahmung des Schützenfestes
mit Kapellen und Musikgruppen der näheren Umgebung. Aus Coburg
wird für das Volksfest 1958 die Stadtkapelle “in Stärke von 18 Herren” unter
Leitung ihres Kapellmeisters Heinz Gotzel engagiert. Sie spielen an vier Tagen
am 23.7. 16-19 Uhr Ständchen
am 24.7. 6-9 Uhr Ständchen
am 24.7. 10-17 Uhr Schützenauszug und Festtafel
am 27.7. 15-18 Uhr Konzert
und erhalten dafür einschließlich Fahrtkosten 1467.- DM.!%
Für die Musik im Bierzelt ist Wirt G. Sauer aus Regensburg zuständig, der sich
bei Platzmeister Wilhelm Bär nach dem genauen Termin erkundigt, “das meine
Damenkapelle rechtzeitig dort ist. Ich lasse 7000 Handzettel machen wenn Sie etwas besonderes
haben schreiben Sie es mir dan kann ich es noch mit aufnehmen (Hiühnerbraterei) Zelt-
‚größe 800 qm 40/ 20.”’%*
Die Schützengesellschaft nimmt das Angebot der gemeinsamen Werbung gerne
an und läßt in seine Handzettel einsetzen, daß am Montag, den 28. Juli, “en
Brillant-Fenerwerk abgebrannt wird. Hoffentlich klappt alles mit schönem Wetter.”
-164. –
Weniger Aufwendig ist die Verpflichtung der Kapelle „Klingende Fünf“ aus
Einberg, die trotz ihres Namens aus sechs Musikern besteht. Sie erhalten für
vier Tage mit insgesamt neunzehn Stunden Darbietung ein Honorar von 26.-
DM pro Stunde.!?
Die Anziehungskraft des Schützenfestes und der dabei abgehaltenen Bälle verliert
sich in den Nachktriegsjahrzehnten. Gegen die Konkurrenz neuer Unterhaltungsmöglichkeiten
und Vorlieben haben es die traditionellen Fahrgeschäfte,
Schießbuden und Karusells schwer. In der Privilegierten Schützengesellschaft
besteht trotzdem der Wille, aus Traditionsbewußtsein am Schützenfest festzuhalten.
Eintrittsgelder für ihre Bälle können sie nicht zu hoch ansetzen, Musiker
und Schausteller haben ihre Kosten und Honorare, so bleibt an Einsparungspotential
hauptsächlich das weite und komplizierte Feld der Abgaben und Steuern.
Mit Hilfe ihrer Rechtsberater geht die Bitte der Schützengesellschaft um
Berücksichtigung ihrer besonderen Verpflichtung und Lage hauptsächlich an
den Bürgermeister der Stadt Neustadt.
„Bereits im vergangenen Jahr |1959] baben wir ein Defizit von ca. 500.- DM festgestellt,
und es erhebt sich manchmal die Frage, ob anf die Dauer gesehen das seit altersher durchge-
‚führte V’ogelschießen aufrecht erhalten werden kann. Wir sind aber der Meinung, daß Tradition
verpflichtet und wir von dem seither geüübten Brauch nicht abgehen wollen und können.
(…) Vorteilhaft wirkt sich jedoch das Schützenfest für die am Schützenfest beteiligten Gewerbetreibenden
(Schansteller) und dadurch auch indirekt auf die Stadt selbst aus. Das
Schützenfest zählt neben dem Kinderfest zu dem ältesten Volksfest der Stadt und wird nicht
nur von der einheimischen Bevölkerung sondern auch von auswärts Wohnenden besucht. ‘‘?°
Nach diesem Hinweis auf den kulturellen und wirtschaftlichen Wert des Schützenfestes
für die Stadt kommen die Schützen direkt zur Sache: Es geht um Abgaben
und Steuern, die von der Stadt gefordert werden.
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Wir hatten bereits Gelegenheit, Sie vor längerer Zeit darauf hinzuweisen, daß die nns all-
Jährlich bei der Durchführung des Vogelschießens entstehenden Unkosten so hoch sind, daß
wir uns veranlaßt sehen, alles zu unternehmen, um diese Unkosten auf ein Mindestmaß zu
beschränken.
Zn den Unkosten zählen auch die an die Stadtverwaltung zu zahlenden Abgaben, die durch
die Abhaltung von Bällen entstanden sind, wie:
Erlanbnisgebühr 75.- DM
Sperrstunenverl. 45.- DM
Norteroschen 35,90 DM
Notgroschen 6,50 DM
Verenügungsstener 334,75 DM
497,15 DM.“- 165 –
Besonders belastend ist die Vergnügungssteuer, die in schlechten Jahren den
gesamten Gewinn aus Volksfest und Bällen aufzehren kann. Vorbildlich für die
Schützengesellschaft ist die Lösung aus dem Jahr 1958, als wegen ausbleibender
Gewinne die Stadt sogar auf die Erhebung der Vergnügungssteuer vollständig
verzichtete. Eigentlich, so die Schützengesellschaft, wäre es begrüßenswert,
„wenn die Stadt in diesem Jahr noch einmal unter Bezugnahme auf Artikel 25 aaO. Von
der Erhebung der V’ergnügungsstener absieht und wenn für die Zukunft mit meiner Mandantin
eine Pauschalvereinbarung getroffen werden könnte. ‘“‘?’
Das eigentliche Problem der Besteuerung liegt im öffentlichen Charakter der
Bälle. Nur geschlossene Veranstaltungen sind von der Vergnügungssteuer befreit,
aber gerade die Einbeziehung der Öffentlichkeit in das Schützenfest ist
doch das Ziel der Schützengesellschaft. Unter dem Druck der Kosten überprüft
die Schützengesellschaft den Kartenverkauf und stellt fest, daß sie viel zu wenig
Karten an Nichtmitglieder absetzen, um die dadurch anfallenden Steuern auszugleichen.
Eine tatsächliche Beschränkung des Eintritts nur für Mitglieder der
Schützengesellschaft würde gar nicht so viele Neustadter schmerzen, wie befürchtet.
Kräftig befördert wird diese Einsicht durch den Entscheid des Stadtrates vom
- Januar 1959 auf den Antrag der Schützengesellschaft, die Vergnügungssteuer
zu erlassen.
„Auf Grund der vorliegenden Abrechnung über das Schützenfest 1960 konnte der Senat bei
voller Anerkennung der von Ihnen vorgebrachten Argumente einen Erlass der V ergnügungsstener
in Höhe von 334,75 DM im Hinblick auf die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes
nicht aussprechen.
Die Stadt Neustadt bedauert Ihrer Gesellschaft keinen anderen Bescheid geben zu können
und bittet, für die Ablehnung ihres Antrages Verständnis zu haben.
Hochachtungsvoll
Bergmann
Oberbürgermeister. ‘’%®
Die Zurückweisung ihres Antrags führt bei einigen Schützen zu einer genaueren
Suche nach weiteren Möglichkeiten, neue Einnahmequellen zu erschließen.
Eine Alternative schlägt Ernst Sommer auf der Jahreshauptversammlung 1960
vor: Die Mitgliedsbeiträge, zur Zeit 2.- DM im Monat, sollen angehoben werden.
Außerdem müßte die Pacht, die von den Schaustellern beim Kinderfest,
Frühlingsfest und dem Vogelschießen verlangt wird, erhöht werden. Fündig
wird die Schützengesellschaft auch im wirtschaftlichen Verhältnis zur Stadt.
Wieso, so die Idee, könnte man nicht Platzmieten für das Kinderfest verlangen,
das von der Stadt auf dem Platz der Schützen veranstaltet wird?
Aufgebracht hat diese Idee Hermann Steiner, der zur Hauptversammlung 1961
geladen wird, und danach dem Vorstand seine Vorstellungen erläutert:
„Gestattet mir bitte, die an der Hauptversammlung vorgebrachten Komplexe nach meiner Art
noch einmal zu präzisieren und zu kommentieren.“
- 166 –
Sein Vorschlag läuft darauf hinaus, die Stadt ebenfalls zur Kasse zu bitten, in
der sicheren Erwartung, daß eine Absage des Kinderfestes nicht in Frage kommen
wird. Steiner setzt auch gleich einen Musterbrief auf, den das Vierer-Gremium
an Bürgermeister Bergmann richten soll:
„Nachdem es der Schützengesellschaft und ihren Vertretern nicht gelungen ist, trotz mehrmaliger
V’orsprachen bei allen in F’rage kommenden Instanzen die seit Jahren für die Gesellschaft
von Seiten der Stadt erhobenen Forderungen wieder rückgängig zu machen und den
Status herzustellen, der zwischen der Stadt und der Gesellschaft schon immer bestanden hat,
sieht sich die Gesellschaft außerstande, ihren Platz der Stadt für die Abhaltung des Kinderfestes
weiterhin kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Die Platzmiete für diesen Tag bewegt sich in der gleichen Flöhe wie die von der Stadt der Gesellschaft
zusätzlich aufgebürdeten Belastungen.
Bei dem derzeitigen Arbeitskräftemangel in Verbindung mit den hoben Löhnen, die heute bezahlt
werden müssen, entstehen für die Gesellschaft für die Aufräumung des Platzes nicht unerhebliche
Belastungen. ‘’”
Als Beleg ihrer Belastung legt die Schützengesellschaft eine Auflistung der Abgaben
und Steuern aus zwei Jahren vor:
1959 1960
Gebühr für Haupt- u. Preisschießen 200.- 200.-
Erlaubnisgebühr: Abhalten von Bällen
Tanz Schützenfest 75.- 120.- DM 120.- DM
Sperrstundenverlängerung 45.- DM
Vergnügungssteuer 334,75 DM 131,25 DM 377,15 DM
Notgroschen 35,90 DM 37,80 DM
Notgroschen 6,50 DM 10,80 DM
Gebühren für Festtafel 42.- DM 71.- 81.- DM
für Konzert 18.- DM
geschlossener Ball 21.- DM
Gebühren an Stadt 2x 2.50 DM 5.- DM 5.- DM
575,25 DM 783,15 DM- 167 –
Im Brief an die Stadt wird schließlich ein Betrag von 400.- DM gefordert, den
der Kinderfest-Ausschuß „zn seinen finanz-technischen Planungen“ berücksichtigen
soll.200
Der Stadtrat zeigt sich allerdings wenig geneigt, auf diese Forderung einzugehen.
Juristisch steht er auch auf der sicheren Seite, weil er einen Vertrag mit
der Schützengesellschaft vorlegen kann, den Hermann Steiner als Direktor
1927 ausgehandelt hat.
“Sehr geehrte Herren!
Ich bestätige den Eingang Ihes obigen Schreibens und bin über den Inhalt desselben sehr verwundert,
zumal Ihnen doch der zwischen Ihrer Schützengesellschaft und dem hiesigen Stadtrat
unterm 12.2.1929 abgeschlossene Vertrag bekannt sein dürfte.
In diesem Vertrag ist ausdrücklich festgelegt, daß Ihre Gesellschaft sämtliche Anlagen, insbesondere
den oberen Schützenplatz, die Gartenanlagen und den Saal zur Abhaltung des
Jährlichen Kinderfestes unentgeltlich überläßt. Außerdem ist noch festgelegt, daß für die Schntaufführungen
(jetzt Freiübungen) nach Anweisung der Leitung der Schulen der erforderliche
Raum auf dem oberen Schützenplatz freizuhalten ist.”
Bisher hätte es noch nie Differenzen zwischen der Schützengesellschaft und
der Stadt Neustadt gegeben, “abgesehen von den Differenzen hinsichtlich der Platzrenovierung.
Die Platzrenovierung selbst wird schon seit Jahren vor dem Kinderfest ausschließlich
von und auf Kosten der Stadt durchgeführt. Unsere diesbezüglichen Bemühungen, an diesen
Kosten auch Ihre Gesellschaft teilweise mit zu be-teiligen, sind leider ergebnislos geblieben.”
Auch auf Seiten der Stadt wird nach Geldquellen gesucht, ebenfalls gegen den
Widerstand der Betroffenen. Dabei gibt die Stadt einen erheblichen Betrag aus
für die Finanzierung des Kinderfestes, Nutznießer sind andere, “%.a. auch Ihre
Gesellschaft.” Als Beispiel führt der Bürgermeister die Musikkapelle an, die im
vorderen Schützengarten spielt, und so die Besucher in das Schützenhaus lockt,
zur Freude des Pächters der Schützengesellschaft.
“Auch die Erhebung der Standgelder muß hierbei erwähnt werden, denn diese Einnahmen
kommen doch ausschließlich Ihrer Gesellschaft zu Gute.
Ich glaube, weitere Beispiele, aus denen der finanzielle Vorteil für Ihre Gesellschaft anläßlich
der Durchführung des Kinderfestes ersichtlich ist, brauche ich nicht mehr anzuführen.
Aus all diesen Erwägungen heraus ist es leider nicht möglich, die von Ihnen für die Abhaltung
des Kinderfestes geforderte Platzmiete von 400.- DM zu bezahlen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Bergmann
Oberbürgermeister.”2®‘
Nachdem die Stadtverwaltung den Vertrag von 1927 vorlegen kann, werden in
einem klärenden Gespräch zwischen Ernst Sommer und Bürgermeister Bergmann
die Mißhelligkeiten ausgeräumt, es bleibt jedoch bei der Steuerpflicht der
Gesellschaft.- 168 –
Buchstäblich ein Nebenkriegsschauplatz der Steuer- und Finanzstreitigkeiten
zwischen Stadt und Schützengesellschaft ist der sogenannte „Bratwurstkrieg“,
der 1958 mit seiner besonderen emotionale Bedeutung des Kinderfestes und
der Traditionen in der Stadt die Neustadter aufwühlt, ohne daß die Schützen
wirklich dafür verantwortlich sind. Lange Zeit war es üblich, daß die Bratwürste
zum Kinderfest 45 Pfennige kosteten. Dieser Preis wurde zwischen der Fleischerinnung
und der Stadtverwaltung ausgehandelt, da Schulkinder von der
Stadt einen Gutschein über eine Bratwurst erhielten, die Stadt dafür nur 45
Pfennige vergüten wollte. Im Jahr 1958 bringt die Neue Presse am 11. Juni die
Bevölkerung und etliche Stadträte mit der Meldung auf, das Sozialamt habe
mitgeteilt, “die Fleischerinnung habe in der dem Fest voransgegangenen Mitglhiederversamm-
Jung beschlossen, den Preis der Bratwürste zum Kinderfest auf 50 Pfennige festzusetzen.”
Stadtrat Ernst Bauer stellt daraufhin den Antrag, diese Sache genau zu untersuchen,
ob es sich nicht um verbotene Preisabsprachen handelt, und stellt an
die städtischen Beamten die Aufforderung, sie “möchten doch in solchen Sitnationen
mit etwas mehr wirtschaftlichem Geschick arbeiten, um einen für die Stadt günstigen Preis
herauszuholen.”
Die Fleischerinnung unter Innungsobermeister Putzke, der zugleich Mitglied
der Privilegierten Schützengesellschaft ist, wehrt die Vorwürfe ab. Es gibt keine
Preisabsprachen, im Gegenteil, das Sozialamt hätte auf der letzten Innungsversammlung
vor dem Kinderfest den Wunsch geäußert, die Bratwurst solle für
nur 40 Pfennige verkauft werden.
„Eine solche Zumntung aber hätten die Mitglieder abgelehnt und erklärt, sie könnten die
Bratwürste nicht unter 50 Pfennige verkanfen. Fieran trügen die hohen von der Schützengesellschaft
geforderten Standgelder, die Vertenerung der Bratwurstdärme und der Semmeln sowie
die Notwendigkeit, zusätzliche Arbeitskräfte für das Kinderfest einzustellen, schuld.“
Damit wird der Schwarze Peter elegant an die Schützengesellschaft weitergereicht,
die seit einiger Zeit dabei ist, die Stadt davon zu überzeugen, Kinderfest
und Schützenfest bringen, wenn überhaupt, kaum Gewinn.
Natürlich wendet sich der Vorstand postwendend an die Neue Presse, um über
die wahren Hintergründe des Bratwurstkrieges aufzuklären. Seit Jahr und Tag
verlangt die Schützengesellschaft 10.- DM pro Stand, ohne daß es zu Erhöhungen
gekommen wäre, von einer Schuld der Schützengesellschaft kann
also keine Rede sein.
„Wir halten uns zu dieser Feststellung für berechtigt, weil wir als mit der Nenstadter Bevölkerung
eng verbundener Verein, vermeiden wollen und müssen, für die Kalkulation der
Metzger-Innung mitverantwortlich zu sein.‘
Der Streit eskaliert schließlich ohne Beteiligung der Schützen, indem sich bei
den Brätern zwei Lager bilden, eines mit Preisbindung an den städtischen Preis,
und eines mit Anhebung des Bratwutstpreises.
Ob es mit diesem Streit zusammenhängt oder nicht, die Schützengesellschaft
erteilt wenige Tage darauf jedenfalls Knauers Imbiß-Halle aus Nürnberg die Erlaubnis,
Schaschlik auf dem Schützenfest verkaufen zu dürfen.- 169 –
„Diese serbische Spezialität wird auf den Festen immer mehr beliebt und gefragt.“
Im Wirtschaftswunderland erwacht das Interesse an fremdländischen Speisen,
an ersten Fernreisen nach Italien und dem Genuß des neuen Wohlstandes.
Der Vorstand der Schützen dankt für die Anfrage, „und sind selbstverständlich einverstanden,
wenn Sie hier in Neustadt b. Coburg das Schaschlik einführen wollen. FHoffentlich
glückt es Ihnen. ‘?®
Zunehmende Verschärfungen der hygienischen Auflagen erschweren die Abhaltung
der Feste zusätzlich. Die Provisorien früherer Jahre sind für die Behörden
nicht mehr tragbar, und so schreibt der „Vollzug des Gaststättengesetzes“
zwingend vor, Abwasser fachgerecht zu entsorgen.
„Die bisherige Übung, nämlich das Wasser einfach anf dem Fußboden anszuschütten, kann
nicht mehr geduldet werden. ‘?’*
Der Ausbau der Toilettenanlagen, die Absicherung des Festzeltes gegen eindringendes
Regenwasser, alles verschlingt mehr und mehr Geld, ohne daß der
Zuspruch der Bevölkerung zum Vogelschießen auf dem bisherigen Niveau gehalten
werden kann. Im Gegenteil, die Besucherzahlen stagnieren und gehen
dann sogar langsam immer mehr zurück.
Den Grund sehen die Schützen zum einen in der Vielfalt neuer Freizeitangebote,
mit denen die hergebrachten Jahrmarktsattraktionen nicht mehr mithalten
können. Was vor wenigen Jahren noch ein Segen für die Schützengesellschaft
war, die Überlassung des Platzes an einen Generalpächter, wird ihr jetzt zum
Verhängnis.
„Er war überall mit seinen Fahrgeschäften. Und die Jugend, die will immer etwas Neues.
Und der hatte immer dasselbe.“
(Interview Gerhard Limmer)
Zu den inhaltlichen Schwächen des Volksfestes kommen technische Mängel in
der Infrastruktur.
„Vor allem hatten wir nicht die Stromkapazitäten, die wir gebraucht hätten. Wir haben ja
immer mehr Saft ausgezogen.“
(Interview Harald Heß)
Die von der Stadt bereitgestellten zwei Verteilerkästen können den steigenden
Bedarf bald nicht mehr decken, „das war ein Witz.“
(Interview Harald Heß)
Verantwortlich für die zu schwache Ausstattung ist in diesem Fall aber nicht die
Stadtverwaltung, sondern die Ausrichtung auf den Generalpächter.
‘Die haben damals nach den Vorgaben des damaligen Platzmieter, das war der Mölter
Harald, von Coburg, nach dem seinen Angaben wurden damals der Strom, die Zuführungen
installiert. Und das war dann am Ende zu wenig. Der hat das nur für sich ausgelegt, was er
gebraucht hätte.“
(Interview Harald Heß)
Sobald größere Fahrgeschäfte kommen, Riesenräder und ähnliche Stromfresser,
kommt nicht nur das technische Personal ins Schwitzen. Der Kollege von Wer-- 1770 –
ner Wittmann ist in den heißen Sommernächten gezwungen, nachts um elf Uhr
die Sicherungen mit einem Gebläse zu kühlen, weil die Belastung so groß wird.
(Interview Werner Wittmann)
Diese Kombination an Problemen und Verhaltensänderungen in der Bevölkerung
lassen das Schützenfest in Neustadt gemächlich eingehen, trotz aller Überlegungen
der Schützengesellschaft, was zu tun sei.
„Wir haben uns Anfang der achtziger Jahre schon Gedanken gemacht: Was können wir
tun? Weil wir gemerkt haben, wir haben eigentlich zu wenig Besucher, damit wir das packen.
Wir haben es also immer auf die Grenze geschoben: Uns fehlt das Hinterland. (…) Die
Grenze war offen, und es wurde trotzdem weniger. Das letzte Schützenfest [in eigener
Regie], da haben wir fünftausend Mark dranfgelegt.“
(Interview Herbert Pilz)
Schließlich bleibt der Schützengesellschaft nichts anderes übrig, als nach heftiger
interner Diskussion mit 39 Ja-Stimmen und 9 Enthaltungen auf der Jahreshauptversammlung
1994 die Durchführung des Schützenfestes in der bekannten
traditionellen Weise aufzugeben. An seiner Stelle soll es in verkleinerter
Form beim neuen Schützenhaus in der Halskestraße gefeiert werden. Nach
diesem Beschluß scheint das Ende des Schützenfestes gekommen, die Kraft einer
viele Generationen umspannenden Tradition führt jedoch zu einer überraschenden
Intervention der Politik: Nach einigen Gesprächen mit Bürgermeisterin
Schneider-Böttcher soll ein letzter Versuch gestartet werden, das Schützenfest
auf dem Schützenplatz in der bisherigen Weise zu veranstalten. Noch
einmal gibt es einen Bieranstich durch den Zweiten Bürgermeister Leonhard
Weitz, die Schützen marschieren vom Festplatz zur Fahnenabholung ins Rathaus
und weiter zur Abholung des Schützenkönigs Peter Wittig. Lange läßt sich
das Schützenfest trotzdem nicht halten, es fehlt einfach der Zuspruch aus der
Bevölkerung.?®
Unter der Leitung von Klaus Goßler, der seit 1998 das Amt des 1. Schützenmeisters
ausübt, wird ein erneuter Anlauf genommen, wieder ein großes Schützenfest
zu wagen, diesmal wieder unter Einbeziehung eines Generalpächters,
der das Risiko für die Schützengesellschaft gering hält.
„In Neustadt war die 750-Jahr-Feier, und auf dem Marktplatz oben war ein großes Schaugeschäft.
Und dieses Schangeschäft hat der Herr Sturm aus Fürth am Berg organisiert, und
hat gefragt: ‚Wie ist es denn, wir könnten doch ein Schützenfest in Neustadt veranstalten?’
Da habe ich gesagt: ‚Kein Problem! Ich als Schützenmeister vermiete Ihnen den Platz. Sie
geben mir die Miete, was Sie mit den Schaustellern machen, ist Ihre Sache. Ich bekomme von
Ihnen fünftausend Mark, und sie nehmen die Miete von den Schanstellern.’
Das Schützenfest ist einwandfrei gelaufen. Wir haben fünftausend Mark bekommen, wir
hatten das Bier von der Genssen-Bran. Wir haben eine gute Einnahme gehabt!“
Nach dem Schützenfest kommt Herr Sturm nochmals zu Klaus Goßler.
„Er sagte zu mir danach: ‚Wir machen wieder eins.’
‚Kein Problem.’- 11 –
Das Jahr daranf sind die Schausteller gekommen: Die Leute sind ansgeblieben, es ist nicht
gelaufen. Am Freitag abends ist der erste Schausteller Nachts abgehanen. Mitten in der
Nacht. Am Samstag war fast keiner mehr oben. Die sind alle ab. Nur um die Platzwmiete
nicht zu bezahlen.
Mein Schatzmeister, der Lutz Wachsmuth und ich, wir haben gesagt: Wir gehen am Montag
früh um Acht hinaus und holen unser Geld!“
(Interview Klaus Goßler)
Das Schützenfest 1999.- 172 –
Das neue Schützenhaus in der Halskestraße
„Mut für Ein-Millionen-Mark Projekt einer bewundernswerten Führung.“
(Coburger Neue Presse, 7. Oktober 1983)
Der Zuspruch zum Schützenfest läßt langsam nach, das Schützenhaus kann die
notwendigen Reparatur- und Ausbaumaßnahmen über Saalvermietungen und
Veranstaltungen nicht mehr selbst erwirtschaften, trotz aller Bemühungen des
Vorstands und der Gesellschaftsmitglieder gerät die Privilegierte Schützengesellschaft
wieder in die Situation der Vorkriegszeit. Sie wird erdrückt vom anwachsenden
Schuldenberg, den sie ohne einschneidende Änderungen nicht abtragen
kann. Der Vorstand untersucht schonungslos den Zustand und die möglichen
Auswege aus der Zwangslage, bevor er den Gesellschaftsmitgliedern eine
Analyse vorlegt, die nur zwei Alternativen erlaubt:
“Selbst wenn wir ohne Gegenleistung von den heutigen Schniden befreit würden, kann die
Schützengesellschaft das Schützenhans nicht mehr erhalten.
Bei aller Würdigung und der allgemein in unserer Gesellschaft vorhandenen Ehrfurcht vor der
Leistung unserer Väter und Vorgänger im Schützenverein, kam daher die Schützengesellschaft
anläßlich ihrer außerordentlichen Mitghiederversammlung im Dezember 1979 zu
dem Schluß, daß unser Schützenhans verkauft werden müsse. Andernfalls steht die Priv.
Schützengesellschaft fast 450 Jahre nach ihrer Gründung vor der Notwendigkeit ihrer
Anflösung.”
Alle anderen Varianten, Renovierung, Umbau, Neubau auf dem Schützenplatz
etc. mußten verworfen werden. Der Druck der Fixkosten durch das Schützenhaus
ist zu groß, nachdem allein für die Renovierung des rechten Bauflügels
1973 Kredite aufgenommen werden mußten, die sich auf 232.000.- DM summieren,
abgesichert durch Hypotheken auf Haus und Grundstück.
“Im gleichen Zeitraum mußten dafür rd. DM 170.000,– Zinsen gezahlt werden”, im Jahr
also etwa 25.000.—DM. Zuzüglich Versicherungen, Straßenreinigung, Grundsteuer,
Reparaturen etc. führt, die Belastung durch das Schützenhaus im Haushaltsjahr
1980 zu Einnahmen aus Mieten und Platzgeld von 22.000.- DM gegenüber
Ausgaben von 38.000.- DM.
“Die Differenz von rd. DM 16.000,– stellen einen Verlust dar, der auch aus den erhöhten
Beiträgen nicht voll gedeckt werden konnte.”
Und damit ist erst der rechte Flügel des Gebäudes wieder instand gesetzt. Was
soll mit dem linken Flügel, dem Dach und der anstehenden Fassadenrenovierung
geschehen? Dafür und für die Renovierung des Schützensaales und der
Stützmauer sind ungefähr 600.000.- DM an Kosten zu erwarten.
“Ohne jedes Eigenkapital und ohne geringste Chance auf Zuschüsse” besteht keine Hoffnung,
auch in einem hergerichteten Schützenhaus mit erhöhten Mieten kostendeckend
zu wirtschaften.
„Wir hätten als Schützengesellschaft keinerlei Vorteile und müßten weiterhin unsere Beiträge
für die Erhaltung des Gebändes verwenden. Hinzu kommt die Tatsache, daß für Arbeiten- 173 –
anferhalb des Schießbetriebes wegen der damit verbundenen Hoffnungslosigkeit keine freiwilligen
Heifer mehr zur Verfügung stehen und auch einst spendenfreudige Mitglieder sich
immer mehr zurückziehen, da die eingehenden Spenden kaum noch zum Wohle der Gesellschaft,
sondern nur noch zur Erhaltung eines sanierungsbedürftigen Gebändes verwendet werden.”
Es bleibt also nur das Fazit: Verkaufen, so schmerzlich es auch ist, oder die
Privilegierte Schützengesellschaft auflösen.
Eine erste Überlegung des Stadtrates, einen Teil des Schützenplatzes durch die
Stadt ankaufen zu lassen, brächte der Gesellschaft keinerlei Erleichterung. Die
Einnahme wäre in kürzester Zeit in der ewigen Baustelle Schützenhaus versickert.
Der Vorstand wird beauftragt, die komplette Anlage mit Haus und
Grundstück zu verkaufen.
Das Angebot der Stadt, und längere Zeit auch das einzige Angebot überhaupt,
beläuft sich auf 600.000.- DM, verbunden mit der Möglichkeit, ein neues
Grundstück im Industriegebiet für 12,50 DM je Quadratmeter zu erhalten. Dieses
Angebot ist im Stadtrat keineswegs unumstritten, was auch den Schützen
klar ist.
“Bedenkt man die sehr knappe Entscheidung des Stadtrates, so müssen wir mit Sicherheit
davon ausgehen, daß eine Ablehnung seitens der Priv. Schützengesellschaft zu keinerlei besseren
Konditionen führen würde, während uns die Annahme dieses Angebotes die sichere
Chance bietet, den Fortbestand und die positive Entwicklung unserer geliebten Schützengesellschaft
für die Zukunft zu sichern. ?06
Leicht haben es sich die Stadträte nicht gemacht, wieso sollten sie auch ein
Haus kaufen, „das in vielen Teilen nicht mehr funktionsfähig ist.‘
“Bereits im vergangenen Jahr hatte das Thema wiederholt anf der Tagesordnung gestanden,
ohne daß es zu einer Einigung gekommen ist. Um das Gelände vor anderweitigem Verkauf
zu reiten, hat sich jetzt doch eine Mehrheit für den Ankauf im Stadtrat gefunden.”
Ausschlaggebend für die Zustimmung der SPD-Fraktion, die CSU bleibt bei
ihrer Ablehnung, ist ein neues Angebot eines Immobilienunternehmens, das auf
dem Grundstück des Schützenplatzes gerne Wohneinheiten errichten möchte.
In einer nichtöffentlichen Sitzung fällt der Beschluß, den Schützenplatz mit
12000 Quadratmeter Fläche, „nur gut 200 Meter vom Marktplatz‘, für die weitere
Stadtentwicklung zu sichern.
Als letzte Absicherung gegenüber kritischen Stimmen verfügt der Stadtrat, „der
Privilegierten Schützengesellschaft von 1533 sei zu eröffnen, daß die Stadt keinesfalls bereit
sei“, neben der üblichen 15%igen Förderung des neuen Schützenhauses, „noch
weitere Mittel zu gewähren, falls es finanzielle Schwierigkeiten bei der Durchführung des
neuen Banvorhabens eines Schießstätte im Bangebiet Südwest geben sollte.’
Mit dieser Entscheidung der Stadt Neustadt hat die Schützengesellschaft eine
erste Hürde überwunden. Jetzt muß der Vorstand noch die Zustimmung der eigenen
Mitglieder für das Ein-Millionen-Projekt erhalten. Allein die Bausumme
ist bei dem derzeitigen Schuldenstand der Gesellschaft erschreckend, aber, wie- 174 –
der Vorstand ausführlich erklärt, nur auf den ersten Blick. Der 1. Schützenmeister
Franz Neubauer und der Sportleiter Herbert Pilz analysieren nicht nur
die momentane Schuldenlage, sie entwerfen auch eine Finanzplanung für den
Neubau, der alle Risiken für die Schützengesellschaft aufdecken soll. Ganz
ohne Risiko wird es nicht gehen, dafür ist der Kostenplan wegen der schwierigen
Lage so knapp wie möglich gehalten. Der Vorstand ist aber überzeugt, daß
die Schützengesellschaft unter Annahme des städtischen Angebots wieder auf
gesunde Füße gestellt werden kann.
In einem umfangreichen Schreiben an alle Gesellschaftsmitglieder werben sie
am 3. Februar 1981 um Zustimmung.
“Anläßlich der Jahreshauptversammilung am 30.01.1981 hat der Vorstand der Priv. Schützengesellschaft
v. 1533 u.a. die finanzielle Lage der Gesellschaft dargelegt und den Antrag
gestellt, das Angebot der Stadt Neustadt} Chg. zu akzeptieren und das Schützenhaus einschließlich
Schützenplatz zu verkaufen, um die Schulden von zwischenzeitlich DM
230.000,– tilgen zu können und mit dem verbleibenden Eigenkapital an anderer Stelle eine
Schießstätte zu errichten. Die Hauptversammlung hat mit überwältigender Mehrheit diesem
Antrag im Grundsatz zugestimmt, jedoch mit der Auflage, daß noch einige offene Punkte vor
Vertragsabschluß zu klären sind. Mit diesem Schreiben will der Vorstand sowie der Finanzausschuss
unserer Gesellschaft um Verständnis für diese Maßnahme werben und auch Sie
bitten, dieses schwere Ziel zu unterstützen. Damit Sie dies in voller Überzengung tun und
sicher sein können, eine richtige Maßnahme zu unterstützen, erhalten Sie im Folgenden einen
zusammenfassenden Überblick der gegenwärtigen Situation.”
Die Kalkulation der beiden Ingenieure Herbert Pilz und Axel Martin geht von
einer Bausumme von 927.000.- DM aus. Davon entfallen auf das Gebäude
540.000,- DM, die Schießanlagen rund 150.000,- DM, die Außenanlagen wie
Wälle, Einfriedung rund 130.000,- DM.
Das Grundstück wird mit 95.000,- DM angesetzt, plus Anliegerkosten, aber
ohne Bauzuschüsse und Energieversorgung.
Damit kommt das Bauvorhaben auf insgesamt etwa 1.100.000,- DM.
“Dieser Betrag scheint zunächst ungeheuerlich groß zu sein und so mancher in unserer Gesellschaft
wird vor einem solchen Vorhaben zurückschrecken.”
Aber, so die Planer, rund 760.000,- DM aus dieser Summe sind zuschußfähig,
nämlich 15% von der Stadt Neustadt, 30% vom Land Bayern und 35% vom
Bund.
“Weitere DM 260.000,– bleiben uns nach Abzug unserer Schulden und einem Betrag von
DM 110.000,– zur Sicherung der Zwischenfinanzierung, so daß von der oben erwähnten
Summe bereits rd. DM 870.000,– als gesichert angesehen werden können.”
Es bleibt ein Rest von 230.000.- DM, mit dem Grundstückspreis von 95.000.-
DM, und den Planungskosten von 50.000.- DM. Hier greift das ehrenamtliche
Engagement der Gesellschaftsmitglieder:
“Gehen wir davon aus, daß die Planungskosten der Schützengesellschaft gespendet werden
(der entsprechende Personenkreis gehört der Schützengesellschaft an) und die Stadt sich bereit
-1775 –
erklären würde, uns das Grundstück anf Erbpacht zur Verfügung zu stellen, so bleibt ein
Rest von DM 85.000,– der durch Eigenleistung aufgebracht werden müßte.”
Diese 85.000.- DM wiederum wären abgedeckt bei einer Eigenleistung von
3400 Stunden, eine Stunde gerechnet mit 25.- DM, bei einer Bauzeit von vier
Jahren also 850 Stunden im Jahr.
“Setzen wir bei 200 Mitgliedern nur 50 an, die bereit sind aktiv mitzuarbeiten, so müßte jeder
davon 17 Stunden im Jahr oder 2 Samstage für den Fortbestand unserer Gesellschaft
opfern. Und hier stellt sich die Frage, wie stark unsere Gesellschaft tatsächlich ist und wie
‚groß ihr Bedürfnis, einen 450 Jahre alten traditionellen mit der Stadt Nenstadt verbundenen
Verein zu erhalten.
Der Vorstand bant auf den starken Zusammenhalt unserer Schützenfamilie und ist entschlossen,
die Chance, die sich durch das Angebot der Stadt Nenstadt bietet, zu nutzen.”
Mit dieser ausführlichen Darstellung und der genauen Kalkulation wirbt der
Vorstand um die Zustimmung der Gesellschaftsmitglieder. Über die rege Diskussion
und folgende Abstimmung in der Mitgliederversammlung am 31. Juli
1981 berichtet die Neue Presse Coburg:
“Schließlich stimmten in einer namentlichen Abstimmung 31 Mitglieder dem Antrag der
Vorstandschaft zu, drei lehnten ihn ab und zehn enthielten sich der Stimme. Der Antrag besagt,
daß die Hanptversammlung den Vorstand ermächtigt, der Stadt Nenstadt das Schützenhaus
samt Liegenschaft zu verkanfen, unter der Voraussetzung, daß die offenen Fragen
in befriedigender Weise gelöst werden können.
Sie stimmt anch dem Vorschlag der Vorstandschaft zu, ein neues Schützenhans zu bauen,
wenn sich nach eingehender Prüfung die errechneten und zugrunde liegenden Bankosten nicht
erhöhen.”
Das Grundstück wird mit Hilfe von Oberbürgermeister Ernst Bergmann in der
Halskestraße gefunden, und für 99 Jahre in Erbpacht an die Schützengesellschaft
vergeben.
Sportleiter Herbert Pilz wird von der Schützengesellschaft mit der Planung und
Bauleitung für das neue Schützenhaus beauftragt, ihm zur Seite ein Baubeirat
aus Schützenmitgliedern mit handwerklichem Fachwissen, in dem alle anstehenden
Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.
Das neue Schützenhaus, in dem es keine Gaststätte oder andere Veranstaltungsräume
mehr geben wird, soll erheblich kleiner werden als der überdimensionierte
alte Bau. Gedacht ist an einen Zweckbau, in dem die moderne Schießstände
und ausreichende Gesellschaftsräume untergebracht sind: 16 Schießstände
für Luftgewehr, ein größerer Aufenthaltsraum, ein Trainingsraum,
Umkleide- und Duschräume, ein Zirkelraum, ein Lagerraum, Toiletten, eine
Waffenkammer.
Nach dem Grobkonzept des Baubeirats fertigt Axel Martin die Baupläne an
und verschickt die Ausschreibungsunterlagen. Aus den eingehenden Angeboten
geht die Firma Seifert und Lehmann aus Meilschnitz als Sieger hervor.- 176 –
Der Bau des neuen Schützenhauses in der Halskestraße.- 177 –
Ki ren
3- 178 –
Endlich kann der Bau beginnen. Am 1. Juli 1983 erfolgt der erste Spatenstich
durch Oberbürgermeister Ernst Bergmann, der Bau des Gebäudes selbst beginnt
bereits am 12. August 1983.21
Schon am 6. Oktober, nach nicht einmal drei Monaten Bauzeit, kann bereits
Richtfest gefeiert werden. Es folgt der Innenausbau, und wie vom Vorstand erhofft
und in die Kalkulation aufgenommen, leisten die Schützen in zahllosen
freiwilligen Arbeitsstunden einen unverzichtbaren Anteil am Gelingen des Projekts.
Der innere Zusammenhalt der Schützengesellschaft wird jedoch durch die
langanhaltende schwere Arbeitsbelastung und den fehlenden Ausgleich durch
den Schießsport, der ja erst wieder im neuen Haus möglich sein wird, auf eine
harte Probe gestellt.
Trotz allem ist der damalige Bauleiter Herbert Pilz auch fünfundzwanzig Jahre
später noch davon überzeugt, daß ein ähnliches Projekt mit der Privilegierten
auch heute noch durchzuführen wäre, bei ordentlicher Vorbereitung und guter
Motivation.
Für die Außenanlagen gelingt es wieder, die amerikanische Armee zu gewinnen.
Pioniere der 3rd Infantry Division aus Würzburg schieben mit ihren schweren
Maschinen die Schutzwälle auf, und bringen so der Schützengesellschaft „enorme
Einsparungen“
Am Freitag, den 19. September 1986, 18 Uhr wird das neue Schützenhaus
in der Halskestraße nach 3-jähriger Bauzeit eingeweiht.- 179 –
Der Vorstand des Jahres 1982, der das Bauprojekt durchführen muß, setzt sich
zusammen aus!
- Schützenmeister
- Schützenmeister
“ Schatzmeister
Schriftführer
Sportleiter
Erweiterter Vorstand- Platzmeister
- Schatzmeister
Jungschützenmeister- Schriftführer
- Sportleiter
Schießkassier
Zirkelmeister
Standwart
Waffenwart
Damenleiterin- Jungschützenmeister
- Zirkelmeister
- Platzmeister
- Standwart
Deputationswart
Beiräte
Jugendsprecher
Franz Neubauer Jun.
Dietrich Eckstein
Franz Neubauer Sen.
Ernst Schneider
Herbert Pilz
Walter Sieburg
Gerhard Partes
Harald Hess
Olaf Schönheit
Peter Röttger
Hans Gerd Schilling
Ernst Witter
Helmut Bengen
Walter Heinzler
Birgit Suffa
Helmut Bengen
Harald Hess
Friedrich Förster
Werner Wittmann
Georg Korzyk
Erich Bernauer
Dr. Adolf Schilling
Stefan Koch.?!?
Auch wenn erst 1982 mit Birgit Suffa die erste Frauenwartin in der Privilegierten
Schützengesellschaft erwähnt wird, hat es früher bereits Damen als Mitglieder
gegeben. Bei der Meldung der Gesellschaft über den Mitgliederstand an
den Stadtverband für Leibesübungen in Neustadt werden am 15. April 1960
aufgeführt:
Mitglieder 139
Frauen 1.225
- 180 –
Scheibe von 1963
& 65 cm
Die Schützenhäuser anno 1851, 1910 und 1926
Königsscheibe 1963
Gestifiet von Ernst Witter
Gewonnen von Georg Bunzel
Gemalt von Albert Schubert.- 181 –
Der Vorstand 1983. v.l.: Dietrich Eckstein, Franz Neubauer jun.,
Franz Neubauer sen., Ernst Sommer, Ernst Schneider, Herbert Pilz.- 182 –
Scheibe von 1989
Königsscheibe
Das nene Schützenhaus
- Spatenstich am 9. Juli 1983 durch Oberbürgermeister Ernst Bergmann
Einweihung am 19. September 1986
Gegeben von Gerhard Langbein
Gewonnen von Jutta von Heimburg.
- 183 –
Hausmeister Walter Heinzler entdeckt im Februar 1985 den erste kleineren
Brand auf der Treppe des alten Schützenhauses, bei dem die untersten fünfzehn
Stufen der Treppe zerstört werden. Er beschließt, die Schützenscheiben,
die zu dieser Zeit noch alle im Alten Schützenhaus gelagert sind, sofort in das
Neue Schützenhaus umzuräumen. Mit einem kleinen LKW aus der Firma seine
Sohnes schafft er die Scheiben wenige Tage vor dem großen Brand in die noch
nicht ganz fertigen Räume des neuen Hauses. Die Akten und sonstigen Unterlagen,
die weiterhin in einem Metallschrank im Alten Schützenhaus gelagert
sind, und in den nächsten Tagen umgeräumt werden sollen, verbrennen jedoch
restlos. Die Ursache der Katastrophe ist Brandstiftung, die aufgeklärt werden
kann, der Schaden für die Überlieferung der Gesellschaftsgeschichte kann nicht
wieder gutgemacht werden.
(Interview Walter Heinzler)
Der Brand des alten Schützenhauses.- 184 –
Das alte Schützenhaus nach dem Brand 1983.
Gesellschaft oder Verein?
“Bis in die Siebziger-Jahre war im Schützenhaus, da war jeden Abend ein Verein oben, da
war der Liederkranz oben, da waren die Musikfreunde oben, der ADAC war oben, die hatten
alle ihr Vereinsheim oben, sie haben ihre Versammlungen oben gemacht. Zum Beispiel
der Liederkranz, wenn die Singstunden vorbei waren sind sie runter in die Wirtschaft. Am
Donnerstag (…), die Schützen, vor Zwei ist da Reiner fort.“
(Interview Ernst Witter)
Was die älteren Mitglieder der Schützengesellschaft heute vor allem vermissen,
ist die Geselligkeit, die in ihren Augen in den letzten Jahrzehnten sehr stark
nachgelassen hat. Lag das Verhältnis Schießen : Geselligkeit früher in etwa bei
30 : 70, handelt es sich heutzutage fast ausschließlich um die sportliche Aktivität.
Wer Samstags seine Schießübungen absolviert, kommt oft nicht einmal
mehr in die Gaststätte der Schützengesellschaft, der Weg führt direkt zu den
Schießständen, und danach direkt wieder hinaus. In der Erinnerung war das alte- 185 –
Schützenhaus ein belebter Treffpunkt, der etlichen Vereinen als Versammlungsort
diente, und auch für die Schützenbrüder war es selbstverständlich, daß
man sich Donnerstags einfindet.
Hauptschießen 1974.
Der Wandel im Selbstverständnis vieler Schützen geht nicht unbedingt auf die
Ablehnung der Geselligkeit zurück. Vermutlich haben sich die Formen der Geselligkeit
ebenfalls gewandelt. Was von den Älteren bei den Schützenfesten beobachtet
wurde, die Suche nach neuen, anderen Attraktionen, und die Möglichkeit,
in der modernen deutschen Gesellschaft unter einer Vielzahl von Sportarten
und Freizeitbeschäftigungen zu wählen, und den traditionellen Weg der
Schützen zu verlassen, setzt sich auch beim Umgang miteinander fort.
Dem nachlassenden Interesse in der Öffentlichkeit am Schießsport versucht die
Gesellschaft mit Veranstaltungen entgegenzusteueren, wie dem Tag der offenen
Tür, der die Faszination des Schießens wieder einem breiteren Publikum vorführen
soll.
1990 wird der Tag der offenen Tür am 22. September abgehalten, unter anderem
mit einem Flohmarkt, Trimm-Dich-Schießen, Demonstrationsvorführungen
mit Vorderladerwaffen (11°° – 12°° Uhr), Kleinkaliber-waffen (14°° – 15°°
Uhr) und Großkaliber Pistolen (15°° – 16° Uhn).2!*- 186 –
Eine dauerhafte Wende wird mit all diesen Bemühungen nicht erreicht, das Interesse
an den geselligen Veranstaltungen ist wie immer gering, der 1. Schützenmeister
Dietrich Eckstein ist von der geringen Anzahl der Besucher beim
Schützenball enttäuscht, die Mitglieder, die bereit sind, bei Wettkämpfen anzutreten,
nimmt ebenfalls ab.
Die Zukunft der Privilegierten Schützengesellschaft
„Wenn man so überlegt, in zehn, zwanzig Jahren, wie könnte die Schützengesellschaft dann
aussehen?“
„Leer.“
(Interview Jungschützenabteilung)
Trotz der ständig ansteigenden Mitgliederzahlen in den letzten fünfzig Jahren
fällt es der Privilegierten Schützengesellschaft schwer, ausreichend aktive Schützen
zusammenzubringen, um Mannschaften für die Wettkämpfe melden zu
können. Ein guter Teil der Mitglieder bleibt passiv, schießt höchstens zum eigenen
Vergnügen, und scheint sich auch sonst wenig für die Belange der Gesellschaft
zu interessieren. Der Nachwuchs sollte aus der Jungschützenabteilung
nachrücken, aber auch bei den Jungschützen zeigen sich Entwicklungen, auf die
von den Jugendtrainern und Gesellschaftsvorständen kaum Einfluß genommen
werden kann.
Die momentan aktive Jugendmannschaft besteht aus Christopher Ehrhardt (15
Jahre), Fabio Chimienti (15 Jahre), Sebastian Knoch (14 Jahre) und Luis Gehrlicher
(16 Jahre), die auf unterschiedlichen Wegen zur Schützengesellschaft gefunden
haben. Bei Christopher Ehrhardt ist es schon Familientradition, weshalb
er auch schon mit sieben Jahren in die Gesellschaft eingetreten ist:
„Bei mir kommt es durch den Opa, weil der dabei war, und die Oma, und mein Vater.“
Ganz ähnlich auch bei Luis Gehrlicher, seit September 2005 dabei, nur daß es
bei ihm das Umfeld der Familie war:
„Durch Bekannte eigentlich eher, und durch den Frank, unseren Trainer, weil seine Fran
mit meiner Mutter zusammenarbeitet, weil wir uns schon gekannt haben.“
Fabio Chimienti ist ungefähr seit der vierten Klasse dabei, Sebastian Knoch seit
dem Sommer 2007.
Trainiert werden sie vom 1. Jugendleiter Frank Röser und dem 2. Jugendleiter
Martin Brieger (23 Jahre), der selbst als Jugendlicher im Jahr 2000 nach Neustadt
gekommen ist.
„Ich bin nach Neustadt gekommen. Eigentlich Romme ich aus Wildenheid, weil in Wildenheid
gab es zu dieser Zeit keine Jugendmannschaft. (…) Da kamen dann später auch die Abwerbungsversuche,
aber ich habe abgelehnt.“
Als einer der wenigen damals aktiven Jugendlichen erwirbt er in einem Lehrgang
über zwei komplette Wochenenden die Jugendassistentenkarte, und wird
- Jugendleiter.
Die nötigen Kenntnisse als Trainer erwirbt man sich natürlich aufgrund der eigenen
Schießausbildung im Verein, daneben sind die Lehrgänge des Verbandes
sehr hilfreich, „da /ernt man wirklich sehr viel, … da haben wir einiges mitgenommen.“
(Frank Röser)
Bei der Besetzung der vorgesehenen Posten in der Jugendabteilung, 1. Jugendleiter,- Jugendleiter, Schriftführer, Jugendsprecher, Jugendsprecherin, Stell-
- 183 –
vertretender Jugendsprecher, Stellvertretende Jugendsprecherin, die alle von
den Jugendlichen selbst gewählt werden, wird es schon schwieriger. Wo sollen
die Kandidaten herkommen, wenn die Abteilung bald weniger aktive Mitglieder
hat als es Posten zu besetzen gibt? Und woran liegt es nun, daß der Schießsport
vergleichsweise wenig Kinder oder Jugendliche anzieht?
Ein Grund liegt sicherlich im hohen Alter, ab dem erst geschossen werden darf.
Natürlich steht es jedem und jeder frei, bereits mit sechs oder sieben Jahren in
eine Schützengesellschaft einzutreten, wie es bei Christopher der Fall war, zum
Schießen sind sie aber erst ab zwölf Jahren zugelassen. Nur in Ausnahmefällen,
„mit Ausnahmegenehmigung des Landratsamtes und ärztlichem Gutachten“ (Martin Brieger)
können sie bereits mit zehn Jahren beginnen.
Bei anderen Sportarten, wie Fußball, Handball, Laufen, Leichtathletik, beginnt
die aktive Laufbahn teilweise schon vor der Einschulung mit sechs oder sieben
Jahren. Das macht es schwierig für alle Schützenvereine, nicht nur für die Privilegierte.
„Das ist schwierig. Die Schützen haben ein relativ hohes Einstiegsalter. Bis die so weit sind,
sind sie meistens schon beim Fußball, Handball oder so. Und dann wollen sie nicht mehr
weg.“
(Martin Brieger)
Und wenn sie mit dem Schießen angefangen haben, wird ihre aktive Laufbahn
häufig durch die Aufnahme einer Lehre oder anderen Ausbildung wieder unterbrochen.
Auch 2. Jugendleiter Martin Brieger hat diese Erfahrung gemacht.
„Das habe ich auch gemerkt, während der Lehre war ich sehr selten oder eigentlich gar nicht
da.“
Neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits fünfzig Jahre früher haben Werner Wittmann
und Harald Heß dasselbe entweder durchgemacht oder doch beobachten
können, wobei der Grund für das Ausscheiden nicht immer nur die Arbeit oder
Schule ist:
„Dann kommt auch einmal die Phase, wo du nicht soviel davon wissen willst. Entweder du
kommst dann wieder zurück, oder du bist verloren.“
Auch die Tochter von Jugendleiter Frank Röser ist seit Beginn der Lehre im
Herbst 2007 nicht mehr aktiv bei den Schützen dabei.
In Neustadt haben sie versucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben
Schulen besucht, Tage der offenen Tür veranstaltet, Beiträge bei Radio 1 gesendet,
alles bisher ohne größere Resonanz. In der Vielfalt der Angebote, die
sich Kindern und Jugendlichen eröffnen, sind die Schützen scheinbar kaum
noch wahrzunehmen.
Vielleicht spielt neuerdings auch die Angst eine gewisse Rolle bei der Ablehnung
des Schießens, wenn Amokläufer und Schützengesellschaften in Verbindung
gebracht werden: „Schützen? Gefährlich! Waffen? Gefahrlich!“ (Martin Brieger)
Dabei sehen es die Jungschützen genau anders herum.
„Im Schützenverein lernt man erst damit umzugehen, und da weiß man auch wirklich, wie
man sich damit zu benehmen hat, mit einer Waffe.“
(Luis Gehrlicher)- 189 –
„Man lernt Disziplin mit der Waffe. Selbstdisziphin.“
(Christopher Ehrhardt)
So sind die vier Jungschützen mit ihren beiden Trainern im Augenblick die Zukunft
der Privilegierten Schützengesellschaft, und sie versuchen, das Beste aus
ihrer Situation zu machen. Dazu gehört auch, die nötige Mischung aus Ehrgeiz
und Freude in ihrem Sport nicht zu verlieren. Die Freude ist sicherlich vorhanden,
und das Besondere am Schießen ist gegenwärtig.
„Das ist ein ganz anderes Gefühl als wenn man Fußball spielt, ist klar, das ist ein ruhigerer
Sport als Fußball.“
(Christopher Ehrhardt)
Ein Sport, der die Konzentration fördert, der einen alleine vor der Scheibe läßt,
bei dem man Siegen und Verlieren lernen muß, und dafür auch alleine verantwortlich
ist. Das macht den Reiz des Schießens aus.
„Das einem keiner reinreden kann, das man für sich selbst verantwortlich ist und sein eigenes
Ding durchziehen kann. … Wenn man trifft, dann gibt es schon beinahe Glücksgefühle.“
(Luis Gehrlicher)
Und wenn man daneben schießt, kann es schon einmal zu erheblichen Wutausbrüchen
führen, aber insgesamt dominiert die Freude am Schießen.
„Wir sehen das nicht so verbissen. Wir sehen das eher so, es soll Spaß machen.“
(Frank Röser)
Auf dem jetzigen Leistungsniveau ist es auch noch vertretbar, daß sich die Jugendlichen
nicht nur auf eine Sportart konzentrieren, sondern je nach Neigung
zum Beispiel auch noch Handball spielen.
„Auf unserer Leistungsebene ist das noch nicht die Frage: Dies oder das.“
(Frank Röser)
Durch das mangelnde Interesse bei den Erwachsenen geht die Jugendmannschaft
schon öfter auf Rundenwettkämpfe, und tritt auch bei Schützenvereinen
an, von denen sie wissen, daß sie keine große Chance auf einen Sieg haben, „nm
Nervosität abzubanen, wenn man mal woanders schießt.“
Wenig beliebt ist der Schießstand der Jägersruh in Neustadt, der gewisse
Tücken aufweist, die man kenne sollte.
„Der schlimmste Stand ist immer noch Jägersruh. Da stößt du mit dem Kopfan , die schießen
unter dem Dach, das ist das Schlimme. Vor allem, der Boden ist halt uralt, wenn hinter dir
einer vorbeiläuft, und herausgeht oder hereinkommt, geht es bei dir auf und ab.“
(Martin Brieger)
Ansonsten tragen sie ihre Wettkämpfe meistens in der Umgebung aus, sie beteiligen
sich aber selbstverständlich auch an Herbst- und Gaumeisterschaften, und
beginnen ihre Ausrüstung den Erfordernissen des modernen Schießsports anzupassen.
Dazu gehört auch eine spezielle Schießkleidung.
„Wir fangen mit der Jacke an, das machen wir relativ zügig. Die bringt Stabilität in den
Oberkörper rein. Die Jacken, die sind vom Verein, da hat jeder seine. Den Handschuh be-- 190 –
sorgt jeder selbst. Was dann der nächste Schritt wäre, daß jeder selbst einen Anzug kauft,
den er nur für sich hat.“
(Frank Röser)
Vergleicht man das Sportschießen, wie es vor vierzig oder fünfzig Jahren durchgeführt
wurde, mit dem Sportschießen von heute, fällt vor allem das extrem angestiegene
Leistungsniveau auf. Ernst Witter kennt das frühere Schießen aus
seiner Jugend, und weiß, wie schr es sich verändert hat.
“Ich merke das bei den Ergebnissen beim Schießen, das ist also Wahnsinn, was hier für Eir-
‚gebnisse geschoßen werden.”
Auch die früher übliche Berechnung der Treffer und des Gesamtsiegers genügt
heute nicht mehr.
„In den höheren Klassen, die Schießen ja nicht mehr mit normalen Ringen, die schießen ja
schon auf Komma, weil sie sonst nicht mehr messen könnten, wer jetzt besser ist.“
(Martin Brieger)
Aber zumindest kann die moderne Technik dazu führen, daß man mehr Treffer
erzielt als man Schüsse abgegeben hat.
„Das ist ganz einfach zu erklären: Wenn man zum ersten Mal auf einem elektronischen
Stand steht, und hat die Schnüre nicht mehr vor sich, und dann einfach den Orientierungspunkt
nicht mehr hat, dann sind die Stände ziemlich eng, dann kann es halt mal passieren,
daß ich beim Nachbarn draufschieß. Bei ihm |Fabio Chimienti] war es halt so, daß
der Nachbar auf seine Scheibe geschoßen hat, immer bumm-bumm-bumm, (…) Aber das war
ja noch beim Einschießen.“
(Martin Brieger)
Zum alten Thema in der Privilegierten Schützengesellschaft, wie halten wir es
mit der Geselligkeit und wie mit dem Sport, fällt die Antwort einstimmig aus:
„Beides, würde ich sagen.“
Das Schießen hat sie zur Gesellschaft gebracht, aber ihre eigene Art der Geselligkeit
hält sie auch nach dem Schießen noch dort, „danach unterhalten wir uns oder
mache noch Spiele.“
Vom Bezirk werden Zeltlager organisiert, an denen sie sich beteiligt haben, und
grundsätzlich versucht die Jungschützenabteilung, sich an der Tradition der Privilegierten
zu orientieren.
„Das machen wir schon, das auch die Tradıtion ein bischen mit einfließt. Das gehört ja auch
zum Schützenwesen.“
(Frank Röser)
Alle Jungschützen haben eine Uniform, auch wenn sie nicht mehr unbedingt
wie angegossen sitzt, mit der sie Schützenfeste befreundeter Gesellschaften besuchen
(mit wenigen Ausnahmen, zu denen eine gewisse Distanz besteht:
„Coburg net!‘), treffen dort Freunde aus anderen Vereinen, sind eben auf ihre
Art gesellig.- 191 –
„Es ist schön, wenn man die mal trifft, und besucht mal andere Schützenfest.“
(Luis Gehrlicher und Christopher Ehrhardt)
Solange es in Sonneberg noch einen Schützenauszug gegeben hat, sind sie dort
immer mitgezogen, nur die Grenzen zwischen den Gauen und Bezirken in
Bayern und Thüringen erschweren trotz allem den regelmäßigen engeren Kontakt
zu den Thüringer Vereinen.
Was bleibt?
So hat die Privilegierte Schützengesellschaft Jahrhunderte wechselvoller Geschichte
gestaltet und überstanden. Jede Zeit hat ihre eigene Definition des
Schützen und seiner Gesellschaft gefunden, seit vielen Jahren, auch dies ein
Zeichen des Wandels, der Schützen und ihrer Gesellschaft.
Was bleibt nach 475 Jahren Privilegierte Schützengesellschaft 1533 in Neustadt.
Ganz sicher der Stolz auf die Tradition, das Bewußtsein ihrer Geschichte in der
Stadt. Es bleibt eine Bereicherung des eigenen Lebens, und vielleicht trägt die
Faszination des Schießsports und die innere Kraft der Privilegierten Schützengesellschaft
auch noch weitere Generationen. Sicher ist es nicht.- 12 –
Scheibe von 1851
Zur Erinnerung an die Feier des fünfzigjährigen Schützen-Jubiläums des activen Schützen
Herrn Peter Korn am 6ten Mai 1851. Gegeben von der Schützengesellschaft gewonnen
Herr Amtswundarzt Carl Uhlig.
Die Scheibe zeigt den Zustand des alten Hafenmarktes, heute Ernststrafse und zwar das
alte Korns-Haus das anstelle des späteren Uhrmacher-Schmidt-Hauses stand und das
Ferdinand Liebermann’sche Haus, an dessen Stelle später das Wirtshaus von Adolf Korn
war. Auch diese Häuser blieben von den großen Stadtbrand 1839 verschont.
Der Jubilar der schon im Jahr 1801 aktiver Schütze gewesen ist, war an seinen Jubiläumstag
bereits sehr gebrechlich, denn man musste ihn zu den Wagen, der ihn zum festlichen
Umzug zum Schützenhaus bringen sollte, fast tragen. Rührend ist die Besorgtheit
seiner wohl auch schon in den Siebzigern stehenden Frau um ihn. Vor dem Häuschen,
an dessen Tür zwei Doppelposten der Schützen standen, war die Schützengesellschaft in
Parade aufgestellt, die von einem Mann in pechschwarzen Bart kommandiert wurde. Es
war dies der Kaufmann und Schützenhauptmann Ferdinand Köhler, genannt „schwarz
Köhler“.
Diese Scheibe zeigt auch sehr deutlich die Trachten und Gestalten in jener Zeit.- 193 –
Scheibe von 1846
Gegeben von H. Foerster Ph. Schlick Mai 1846, gewonnen von Peter Eckardt 1846
Gemalt von E. Lorenz Reifsmann 1845
Diese Scheibe zeigt, nach Emil Herold, das Schießhaus im grünen Tal. Das Schiefhaus
am Hirtensteg ist anscheinend – vielleicht während der napoleonischen Kriege und
weil es an der Durchmarschstrafßse lag- anderen Zwecken zugeführt worden. Am 29,
August 1811 wandte sich die Schützengesellschaft an den Herzog mit der Bitte, ihre
wöchentlichen Scheiben-schießen im grünen Tal abhalten zu dürfen. Das wurde ihr
am 18. September 1811 auch vom Herzog erlaubt, jedoch unter der Voraussetzung, das
der Wildbestand des Muppberges nicht gestört werde.
Auf der Rückseite der Scheibe steht: 1. Schützenhaus am Gambertshügel 1846; gemalt
von
E. Lorenz Reifsmann 1846.- 194 –
Scheibe von 1906
Wohnhaus von Eduard Förster
Text: Wohnhaus des ehemaligen Schützenmitgliedes Eduard Förster
Erbaut im Jahr 1640
Der Schützengesellschaft gewidmet von Kaufmann A. G. Förster
Gewonnen von G. Herold
Gemalt von Max Derra
Abmessung: 50 x 60 cm- 195 –
Scheibe von 1907
Motiv: Das Haus von Schuster Heider, Bergleite
Zum 25 jährigen Jubiläum des aktiven Schützen Eduard Heider
Der Schützengesellschaft gewidmet vom Jubilar
Neustadt, den 30. Mai 1907
Gewonnen von Gottlieb Herold
Gemalt von Derra- 196 –
Scheibe von 1911
Zum 325 jährigen Jubiläum der Schützen-Gesellschaft Neustadt Herzogt. Coburg
Vom 13. – 16. Mai 1911 Gewidmet von dem aktiven Schützen Amtsrichter Dr. Riede,
gewonnen von Richard Oberender, gemalt von Zeichenlehrer Reinhold Reißmann
Die Scheibe zeigt das alte „Herzogliche Amtsgericht‘am Amtshof, heute Polizeistation.- 197 –
Scheibe von 1925
Motiv: Die Brenners Mühle
Gegeben von Gustav Fröber
Gewonnen von Ernst Blaurock
Gemalt von Reinh. Reifstmann- 198 –
Scheibe von 1925
Motiv: Ansicht der Stadt Neustadt um 1754
Auffahrt eines Fürsten zum Neustadter Vogelschießen.
Im Hintergrund das Schießhaus am Hirtensteg
Anlässlich der Weihe des umgebauten Schützenhauses der Privilegierten Schützengesellschaft
Neustadt bei Coburg in Jahre 1925 stiftete der Stadtrat der Stadt Neustadt bei
Coburg diese Einzugsscheibe.
Diese Scheibe ist eine Kopie einer viel älteren zerschundenen Scheibe.
Kopiert wurde diese Scheibe von dem Leiter der Industrieschule Fritz Ulrich.
Gewonnen wurde sie von Carl Hofmann
= 19 =
Scheibe 1925
Zur Schützenhausweihe der Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg
Gewidmet von Fritz Ulrich zu Pfingsten 1925, gewonnen von Paul Krieg
Die Scheibe zeigt das neu umgebaute Schützenhaus am Schützenplatz
Gemalt von Fritz Ulrich, Leiter der Industrieschule
Durchmesser: 70 cm- 200 –
Scheibe von 1926
Motiv: Schutzhütte mit Prinzregenten Turm
Hauptschießen 1926
Gegeben von Ernst Blaurock
Gewonnen von Berthold Martin
Gemalt von Reinh. Reifsmann
Abmessung: 60.x 50 cm- 201 –
Scheibe von 1930
Gegeben zum Hauptschießen 1930 von Chr. Hopf, gewonnen von Ernst Langbein (Trina).
Die Scheibe zeigt die 1602 erbaute mittelalterliche zweigewölbige Coburger Brücke.
1903 wurde sie als Verkehrshindernis abgebrochen und durch eine neue Brücke ersetzt.
Im rechten Gebäude ist heute die Frankenapotheke untergebracht.
Gemalt wurde die Scheibe von E. Knauer- 202 –
= €07 =
„Ing Appaı“ zivmgosuoddog uvm SnDF o1g2a4 SDCT „uogypg opuagn.ı uopnps
So wo o111z osfousisuag nz SHOT SOC uouun.ag op 10p uogoupg om uogangod
mog>3s1aa GEST punigippis uosfoad wop 109 sogapom Bungngy snPqNIXaL sppwage shop]
sppn p gay mu osfous 1odıngoy op u Inzsnpuozngas uop 1810Z aqlagas osalcı
“pls UazMg>S 10d11gpldup] ıom npy pupupaog Isnöny Lay pun 1orstow.1oyoapg dal
uupusfioy zU2407 7 uon JPWoD ’npy pupup4oz Isnöny uoa uouuomad
fogos
-10s09-uazngaS 4op uon U2I0829 ‚098T nf GT WD 1ogasız souungof utor] uozmgas
uoaı2D sop sunpnanf-uozingas uosııgplörzfunsofp (ro op un Sunaouung nz
098T UOA Sgqrayas
u,
zer g>
OK WRUNgE)“
Scheibe von 1955
Motiv: Ehrenmal am Markt
Ehrenscheibe 1955
Gestiftet von Richard Bunzel
Gewonnen von Fritz Witzel
Gemalt von Albert Schubert
Durchmesser: 60 cm- 204 –
Scheibe von 1963
Motiv: Tiroler Schützen
Ehrenscheibe
Text: Zum 430 Jubiläumsjahr besuchten Tiroler Schützen die Privilegierte Schützengesellschaft
von 1533
Gegeben von Neustadter Tageblatt
Gewonnen von Ernst Witter
Gemalt von Ernst Bauer
Abmessung: 60 x 60 cm- 205 –
/
EHRENSCHEIBE 1964
Scheibe von 1964
Motiv: Sächsische, Bayerische und Tiroler Soldaten
Ehrenscheibe 1964
Text: Zum Gedächtnis der tapferen Sachsen, den heldenmütigen bayerischen Kriegern
und den siegreichen Tiroler Landesverteidigern, die am 4. / 5. August 1809
in Südtirol – Sachsenklemme- gefallen sind.
Dem Fahnenträger Johann Michael Eckardt von der Neustadter Schützenkompanie der
an den Kämpfen teilgenommen gewidmet.
Gegeben von Gustav Eckardt ( Urenkel des Johann Michael Eckardt)
Gewonnen von Ernst Sommer
Gemalt von Ernst Bauer
Abmessung: 60. x 60 cm- 206 –
Scheibe von 1966
Motiv: Das Franken — Thüringer Gaswerk vor dem Abbruch
Königsscheibe der Jungschützen
Gegeben von Walter Freyer
Gewonnen von Werner Wittmann
Gemalt von Albert Schubert- 207 –
Scheibe von 1989
Motiv: Das neue Schützenhaus in der Halskestraße
. 1. Spatenstich am 9. Juli 1983 durch Oberbürgermeister Ernst Bergmann
Einweihung am 19. September 1986
Königsscheibe 1989
Gegeben von Gerhard Langbein
Gewonnen von Jutta von Heimburg- 208 –
Anhang
Die Schützenmeister der Privilegierten Schützengesellschaft von 1533
Unter Einbeziehung der Forschungen von Emil Herold
1727/1728 Schützenmeister: Joh. Christoph Baumann
1728/1729 Schützenmeister: Nicol Müller
1733/1734 Schützenmeister: Johann Christian Eichhorn
1735/1736 Schützenmeister: Johann Triebel
1743/1744 Schützenmeister: Johann Nikol Müller
1746/1747 Schützenmeister: Johann Christian Holzhey
1752/1753 Schützenmeister: Johann Georg Fischer
1768 Schützenmeister: Johann Christoph Müller
um 1815 Schützenmeister: Laurenz Förster
1819/1820 Schützenmeister: Johann Georg Eckardt
1820/1821 Schützenmeister: Georg Friedrich Köhler
1830 Schützenmeister: Philipp Bauer
1832 bis 1836 Schützenmeister: Peter Döll
1836/1837 Schützenmeister: Adam Knoch
1842 Schützenmeister: Ferdinand Tittel
1843 bis 1844 Schützenmeister: Georg Scheibe
1844 bis 1847 Schützenmeister: Peter Eckardt
1847 bis 1850 Schützenmeister: Emil Döll
1850 bis 1856/57 _Schützenmeister: Ehrhard Müller- 209 –
1856/57 bis 1867
1868 bis 1871
1872 bis 1874
1875 bis 1878
1883 bis 1889
1890
1890 bis 1892
1892 bis 1897
1897 bis 1903
1903 bis 1919
1919 bis 1923
1923 bis 1937
1934 bis 1940
1940 bis 1961
1962 bis 1967
1968 bis 1975
1976 bis 1986
1987
1988 bis 1991
1992 bis 1994
1995 bis 1997
ab 1998
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Schützenmeister:
Emil Döll
Arthur Florschütz
E. Siebert
Bernhard Finger
Gustav Schneider
Fritz Höfler
Ernst Süßenguth
Bernhard Bosecker
Kuno Knoch
Gustav Reinhardt
Julius Bosecker
- Schützenmeister (ab 1933 Schützendirektor)
Gesellschaftsführer:
Schützendirektor :
Oberschützenmeister:
Oberschützenmeister:
1.Schützenmeister:- Schützenmeister:
- Schützenmeister:
- Schützenmeister:
- Schützenmeister:
1.Schützenmeistgr, \
Hermann Steiner
Anton Rossa
Max Reinhardt
Ernst Sommer
Ernst Müller
Franz Nebauer jun.
Dieter von Heimburg
Dietrich Eckstein
Dieter Mirwald
Winfried Müller
Klaus Gossler
Die Schützenkönige
der Privilegierten Schützengesellschaft von 1533
1923
1924
1925
1926
1927/1928
1928/1929
1929/1930
1930/1931
1931/1932
1932/1933
1933/1934
1934/1935
1935/1936
1937/1938
1938/1939
1939/1941
1951/1952
1952/1953
1953/1954
1954/1955
1955/1956
1956/1957
1957/1958
1958/1959
1959/1960
1960/1961
1961/1962
1962/1963
1963/1964
1964/1965
1965/1966
1966/1967
1967/1968
1968/1969
1969/1970
1970/1971
1971/1972
Schützenkönig
Theo Hofmann
Christian Boller
Karl Müller
Georg Sauer
Ernst Langbein (Trina)
Georg Elsner
Ernst Langbein (Trina)
Franz Liebermann
Gustav Wenzel
Reinhard Schulz
Gustav Wenzel
Fritz Pechthold
Werner Wohlleben
Berthold Elsner
Hermann Witter
Max Reinhardt
Gerhard Limmer
Ernst Knoch
Georg Messner
Hermann Probst
Gerhard Limmer
Hans Zitzmann
Georg Bunzel
Werner Müller
Fritz Witzel
Gustav Wenzel
Hermann Simon
Ernst Witter
Georg Bunzel
Ernst Sommer
Joachim Sauerbrey
Franz Neubauer jun.
Ernst Müller
Edgar Fechner
Herbert Kupfer
Heinz Wicklein
Helmut Sperschneider
-21l =
Jungschützenkönig
Arno Bauer
Joachim Sauerbrey
Lutz Resch
Hasn Hermann Simon
Joachim Sauerbrey
Karl Heinz Bärschneider
Walter Freyer jun.
Hans Lindner
Werner Wittmann
1951/1952
1952/1953
1953/1954
1954/1955
1955/1956
1956/1957
1957/1958
1958/1959
1959/1960
1960/1961
1961/1962
1962/1963
1963/1964
1964/1965
1965/1966
1966/1967
1967/1968
1968/1969
1969/1970
1970/1971
1971/1972
1972/1973
1973/1974
1974/1975
1975/1976
1976/1977
1977/1978
1978/1979
1979/1980
1980/1981
1981/1982
1982/1983
1983/1984
1984/1985
1985/1986
1986/1987
1987/1988
1988/1989
1989/1990
1990/1991
1991/1992
Schützenkönig
Gerhard Limmer
Ernst Knoch
Georg Messner
Hermann Probst
Gerhard Limmer
Hans Zitzmann
Georg Bunzel
Werner Müller
Fritz Witzel
Gustav Wenzel
Hermann Simon
Ernst Witter
Georg Bunzel
Ernst Sommer
Joachim Sauerbrey
Franz Neubauer jun.
Ernst Müller
Edgar Fechner
Herbert Kupfer
Heinz Wicklein
Helmut Sperschneider
Ernst Sommer
Emmy Fechner
Harald Hess
Alfred Wenzel
Georg Motschmann
Ernst Schneider
Franz Neubauer jun.
Werner Pfitzer
Herbert Pilz
Harald Hess
Werner Sieburg
Franz Thoenissen
Lutz Resch
Thomas Müller
Walter Heinzler
Peter Marschneider
Gerhard Langbein
Jutta von Heimburg
Michael Grünewald
Brigitte Rönz
— 212 –
Jungschützenkönig
Joachim Sauerbrey
Lutz Resch
Hasn Hermann Simon
Joachim Sauerbrey
Karl Heinz Bärschneider
Walter Freyer jun.
Hans Lindner
Werner Wittmann
Georg Motschmann
Gernot Liebig
Ralf Bunzel
Horst Wittmann
Thomas Müller
Martin Krahl
Harald Renner
Michael Eckstein
Peter Heinzler
Detlef Dressel
Jutta Henrich
Alexa Henrich
Sylvia von Berg
Jutta Henrich
1992/1993
1993/1994
1994/1995
1995/1996
1996/1997
1997/1998
1998/1999
1999/2000
2000/2001
2001/2002
2002/2003
2003/2004
2004/2005
2005/2006
2006/2007
2007/2008
Schützenkönig
Günter Thoenissen
Peter Wittig
Albert Volk
Winfried Müller
Rolf Ehrsam
Erika Goßler
Rolf Knauer
Rainer Ehrhardt
Roswitha Greiner
Klaus Goßler
Andreas Schad
Peter Huller
Rainer Ehrhardt
Stefan Friedrich
Gabi Huller
Peter Huller
Jungschützenkönig
Andreas Schmidt
Natascha Mentzel
Hannes Luther
Stefan Nohynek
Katja Knauer
Alexandra Höhn
Thorsten Kaiser
Marco Kiesewetter
Alexandra Höhn
Georg Eckstein
Kai Wachsmann
Marco Kiesewetter
Tobias Müller
Christopher Ehrhardt
Jenny Röser
Luis Gerlicher
Die Ehrenmitglieder der Privilegierten Schützengesellschaft
Anton Eckardt wurde am —– zum Ehrenmitglied.
Max Oscar Arnold wurde 24. August 1916 zum Ehrenmitglied.
Gustav Reinhardt wurde 1919 nach Ausscheiden als 1. Schützenmeister zum
Ehrenschützenmeister ernannt.
Eduard Knauer wurde zum Ehrenschützenmeister ernannt.
Emil Herold wurde am 15. Juni 1925 zum Ehrenmitglied ernannt.
Bernhard Seifert wurde am 8. August 1934 zum Ehrenmitglied ernannt.
Hermann Emmerling wurde am 12. März 1942 aufgrund seiner treuen
Dienste und lange Mitgliedschaft zum Ehrenmitglied ernannt.
-213 –
Hermann Steiner wurde am 4. November 1948 zum Ehrendirektor ernannt.
Louis Lipfert wurde am 17. Juli 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Otto Töpfer wurde am 17.Juli 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Ernst Langbein wurde am 17. Juli 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Ernst Blaurock wurde am 17. Juli 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Carl Hofmann wurde am 17. Juli 1949 zum Ehrenmitglied ernannt.
Hans Koppmeyer wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Karl Nusspickel wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Gustav Fröber wurde am ———- zum Ehrenmitglied ernannt.
Dr. Paul Weppler wurde am ——- zum Ehrenmitglied ernannt.
Dr. Albert Anschütz wurde am ——– zum Ehrenmitglied ernannt.
Albert Faber wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Franz Schönfelder wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Max Knoch wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Johannes Wagner wurde 1958 zum Ehrenmitglied ernannt.
Gustav Wenzel wurde 1962 zum Ehrenmitglied ernannt.
Albert Seifert wurde 1963 zum Ehrenmitglied ernannt.
Albert Arnold wurde 1964 zum Ehrenmitglied ernannt.
Wilhelm Bär wurde 1965 zum Ehrenmitglied ernannt.
Max Reinhardt wurde am 22. Juli 1965 zum Ehrendirektor ernannt.
Christian Hofmann wurde am 22. Juli 1965 zum Ehrenschatzmeister ernannt.
Alfred Martin wurde am 22. Juli 1965 zum Ehrenmitglied ernannt.
Hermann Knorr wurde am 22. Juli 1965 zum Ehrenmitglied ernannt.
Ernst Sommer wurde am 25. Januar 1968 zum Ehrenoberschützenmeister
ernannt. Im April 1977 wurde E. Sommer zum Gau-Ehrenschützen ernannt.
Hans Lunz wurde am ——– zum Ehrenmitglied ernannt.
- 24-
Werner Wohlleben wurde am 26. Januar 1979 zum Ehrenmitglied ernannt.
Bruno Langbein wurde am ——— zum Ehrenmitglied ernannt.
Ernst Knoch wurde am 21. Januar 1983 zum Ehrenmitglied ernannt.
Walter Köhler wurde am 21. Januar 1983 zum Ehrenmitglied ernannt.
Franz Nebauer sen. wurde am 27. Januar 1984 zum Ehrenschatz-meister
ernannt. Am 27. März 1983 wurde er zum Gau-Ehrenschützen ernannt.
Ernst Schneider wurde am 27. Januar 1984 zum Ehrenschriftführer ernannt.
Frau Martha Sommer wurde am 18. April 2000 zum Ehrenmitglied ernannt.
Erwin Wenzel wurde am 15. März 2002 zum Ehrenmitglied ernannt.
Gerhard Limmer wurde am 15. März 2002 zum Ehrenmitglied ernannt.
(Chronik Herbert Pilz)- 215 –
Archive
Archiv der Privilegierten Schützengesellschaft Neustadt bei Coburg
= Archiv SchG
Stadtarchiv Neustadt
= StadtA NEC
Staatsarchiv Coburg
= StaatsA CO
Literatur
Bachmann, Harald:
Das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha in der Revolution von 1848/49.
Ein regionaler Versuch für einen demokratischen Anfang vor 150 Jahren.
In: Die Revolution von 1848/49 in Franken. Im Auftrag des Bezirks Oberfranken
herausgegeben von Günter Dippold und Ulrich Wirz.
- durchgesehene Auflage. Bayreuth 1999.
450 Jahre Privilegierte Schützengesellschaft v. 1533 Neustadt bei Coburg. Text
Hans Kaiser. Gestaltung Herbert Pilz.
Neustadt 1983.
Dering, Florian:
Volksbelustigungen. Eine bildreiche Kulturgeschichte von den Fahr-, Belustigungs-
und Geschicklichkeitsgeschäften der Schausteller vom 18. Jahrhundert
bis zur Gegenwart.
Nördlingen 1986.
Ewald, Wilhelm (Hg.):
Wir Schützen.
Duisburg 1938.
Fiedler, Siegfried:
Taktik und Strategie der Landsknechte 1500 — 1650.
Bonn 1985.
Graf, Michael (Hg.):
Der Schützenverein. Das große Praxishandbuch für die Vereinsführung.
Augsburg 1997.
- 216 –
Greiner, Albert:
Geschichte der Stadt und Pfarrei Neustadt (Herzogtum Coburg) von 1651 bis
zur Gegenwart.
Coburg 1911.
Habel, Hubertus:
Schützen im spätmittelalterlichen Coburg.
in: Coburg 1353. Stadt und Land Coburg im Spätmittelalter, S.283-293.
Hg. im Auftrag der Historischen Gesellschaft Coburg von Reinhard Butz und
Gert Melville.
(Schriftenreihe der Historischen Gesellschaft Coburg e.V. Band 17)
Coburg 2003.
Herold, Emil:
Die Neustädter Schützen und ihre Geschichte.
Neustadt bei Coburg 1925.
Klenke, Dietmar:
Zwischen nationalkriegerischem Gemeinschaftsideal und bürgerlich-ziviler Modernität.
Zum Vereinsnationalismus der Sänger, Schützen und Turner im Deutschen
Kaiserreich.
In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 45 (1994) S.207-223.
Michaelis, Hans-Thorald:
Schützengilden. Ursprung — Tradition — Entwicklung.
(Keysers kleine Kulturgeschichte).
München 1985.
Ortenburg, Georg:
Waffen der Landsknechte 1500 — 1650.
Bonn 1984.
Scheuerich, Helmut:
Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im zwanzigsten Jahrhundert. 2 Bde.
Neustadt bei Coburg 1986, 1989.
Thum, Horst:
Das Schutzhaftlager Hassenberg bei Neustadt (Coburg).
in: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hg.): Herrschaft und Gewalt. Frühe Konzentrationslager
1933-1939. (Geschichte der Konzentrationslager 1933-1945,
Band 2).
Berlin 2002. S.231-235.
-217 –
Tuchmann, Barbara:
Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert.
- A. München 1985.
Wette; Wolfram (Hg.):
Schule der Gewalt. Militarismus in Deutschland 1871 bis 1945.
Berlin 2005.
125 Jahre SPD Neustadt 1876-2001.
Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum des SPD-Ortsvereins Neustadt bei Coburg.
Hr. SPD-Ortsverein Neustadt.
Neustadt bei Coburg 2001.
Anmerkungen
1 Greiner, $.
? Ortenburg, S. 94
3 Tuchmann, S. 77
- Fiedler, S. 100
5 Michaelis, S.33
6 Fiedler, S. 110
” Habel, S. 289
8 450 Jahre, S. 5
9 Habel, S. 289
10 Herold, S. 17
!! Herold, S. 12
12 Herold, S. 11
13 Herold, S. 19
14 Herold, S. 10
15 Herold, S. 27
16 Herold, S. 28
17 Chronik Herbert Pilz
18 Chronik Herbert Pilz
19 Chronik Herbert Pilz
20 Chronik Herbert Pilz
21 Chronik Herbert Pilz
22 Chronik Herbert Pilz
23 Bachmann, S. ; am 6. März 1848
24 Bachmann, S. 119
25 Bachmann, S. 121
26 Bachmann, S. 123
27 Bachmann, S. 124
28 Bachmann, S. 125
29 Bachmann, S. 131- 213 –
30 Bachmann, $. 132
31 Provinzialblatt für Stadt und Amt Neustadt., No 5, 17. Juni 1848
32 Provinzialblatt für Stadt und Amt Neustadt, 28. Juni 1848
33 Chronik Herbert Pilz
3 StadtA NEC / Altaktei / 1039
35 StadtA NEC / Altaktei / 1039
36 StadtA NEC / Altaktei / 1039
37 StadtA NEC / Altaktei / 1039
38 StadtA NEC / Altaktei / 1039
® Rund um den Mupperg, Nr. 39, 22. März 1927StadtA NEC/ Altaktei/ 1039
41 Herold, S. 29
42 Herold, S.Rund um den Mupperg, 8. Februar 1927
4 Provinzialblatt, No 7, 24. Juni 1848
% Graf, S.71
46 Klenke, S. 207
47 Klenke, S. 207
48 Klenke, S. 214StaatsA CO/ NEC/ LA A 13238
50 StaatsA CO/ NEC/ LA A 13238
51 Archiv SchG 1954; 9. März 1954
32 StaatsA CO/Min D 2262
33 Archiv SchG 1914
54 Coburger Schützenscheiben, S. 162
5 StaatsA CO/ Spruchkammer NEC / St 41
56 Archiv SchG 1939
57 StaatsA CO/ Spruchkammer NEC/ St 41
58 StaatsA CO/ Spruchkammer NEC/ St 41
59 Rodach und Itzbote 23.8.1927
© Ewald, S.341
61 StaatsA CO/ Spruchkammer NEC/ St 41
%2 Archiv SchG 1925
% StaatsA CO/ Spruchkammer NEC/ St 41
64 StaatsA CO/ Spruchkammer NEC/ St 41
65 Kohnstam, Emil *19.07.1880 Fürth Ehefrau: Margarete geb. Grüner *06.03.1897
Mies in der CSR; Kaufmann; Wohnanschrift: Fürth, Jakobinerstraße 32; Emigration
1934 nach England, Gerrards Croß (www.home.arcor.de/kerstinwolf/fuerth.htm)
66 Archiv SchG 1935
67 Archiv SchG 1936
68 ArchivSchG 1936, 24. März
% Archiv SchG 1936, 30. April; die Brauerei hat einen Scheck der Schützengesellschaft
über 325,50 RM erhalten
70 Archiv SchG, 21. November 1936
71 Archiv SchG 1936
72 Archiv SchG 1938
73 Archiv SchG 1939
- 29 –
|
N
i
EEETEREEEEIN LEERE ee er Fe EATTAELEEEEELTEN
74 Archiv SchG 1939
75 Archiv SchG 1939
76 Archiv SchG 1937
77 Archiv SchG 1939
78 Dering, S.163ff
” Archiv SchG 18. Juni 1939
80 Archiv SchG 1936
8! Archiv SchG 19362 Archiv SchG 4. Februar 1938
3 Archiv SchG 1938
% Archiv SchG 19385 Archiv SchG; 13. Juli 1938
8 Archiv SchG; 13. Juli 1938
7 Archiv SchG; 17.September 1938
88 Archiv SchG; 18. Februar 1939
9 Archiv SchG 1889
9% Archiv SchG 1892; 20. Oktober 1892
91 Archiv SchG 1892; 21. Oktober 1892
92 Archiv SchG 1892; 31. Oktober 1892
93 Archiv SchG 19
9 Archiv SchG 1940
95 Archiv SchG 1940
9% Archiv SchG 1940
97 Archiv SchG 1940
98 Archiv SchG, 24.9.1940
9 Archiv SchG 1940
100 Archiv SchG 1940; 28. Dezember 1940
101 Archiv SchG 1940, 29. Dezember 1940
102 Archiv SchG 1941
103 Archiv SchG 1942
104 Archiv SchG/Protokollbuch 1940-1956
105 Scheuerich, 1. Bd., S. 155
106 Scheuerich, 1. Bd., S.
107 StaatsA CO / Spruchkammer NEC / St 41; 27. Juni 1947
108 Die Reichelbräu möchte am 12. Februar 1946 von Bankdirektor Nußpickel wissen,
an wen die Schützengesellschaft ihr Grundstück verkaufen möchte, da die Brauerei
Hauptgläubigerin der Schützengesellschaft ist. Antwort am 17. April 1946:
“Auf Ihr, an unseren Herrn Nußpickel, der sich leider noch in Gefangenschaft
befindet, gerichtetes Schreiben vom 12.2.46 teilen wir Ihnen heute mit, daß wir mit
einer Gewerkschaft zwecks Verkaufes unseres Anwesens in Verbindung stehen..”
109 Archiv SchG 1948
110 Archiv SchG 1948
I! Archiv SchG 1949
112 Archiv SchG 1945
113 Archiv SchG 1949
114 Archiv SchG 1950
115 Archiv SchG 1950
- 220 –
116 Archiv SchG 1950
117 Archiv SchG 1950
118 Archiv SchG 1952
119 Archiv SchG 1950
120 Archiv SchG 1951
121 Archiv SchG 1949
122 Weitramsdorf, S.355
123 Archiv 1954
124 Archiv SchG 1961
125 Archiv SchG 1951
126 Archiv SchG 1956
127 Archiv SchG 1956
128 Archiv SchG 1957
129 Archiv SchG 1955
130 Archiv SchG 1958
131 Archiv SchG 1956
132 Archiv SchG 1956
133 Archiv SchG; 25. Februar 1956
134 Archiv SchG 1955; Brief Bürgermeister Weppler 24. Juni 1955; Brief Privilegierte an
Schützengesellschaft Weidhausen 25. Juni 1955
135 Archiv SchG 1953
136 Archiv SchG 1950
137 Fiedler, S. 106
138 Archiv SchG 1952; Antwort Priv. 17. Februar 1952
1399 Archiv SchG 1955
14 Archiv SchG 1960
141 Archiv SchG 1957; 12. Mai 1957
1422 Archiv SchG 1957
143 Archiv SchG 1957; Brief Gronemann 15. Mai 1957
144 Archiv SchG 1957; Brief Gronemann 27. Mai 1957
145 Archiv SchG 1957; 21. Juni 1957
146 Archiv SchG 1957; 11. Juli 1957
147 Archiv SchG 1957; 14. November 1957
148 Archiv SchG 1958; Brief 14. Oktober 1958
19 Archiv SchG 1958; Schreiben an Oberlt. Thompson, Coburg, 31. Januar 1958
150 Archiv SchG 1959
151 Archiv SchG 1956
152 Archiv SchG 12. Mai 1955
1533 Archiv SchG 1957
154 Archiv SchG 1957
155 Archiv SchG 1958
156 Archiv SchG 1958; 26. Februar 1958
157 Archiv SchG 1958
158 Archiv SchG 1958; 11. April 1958
15% Archiv SchG 1958; 26. April 1958
!®0 Archiv SchG 1958; 29. April 1958
161 Archiv SchG 1956
-221 –
162 Archiv SchG 1957
163 Archiv SchG 1960
164 Archiv SchG 1961; Bericht zum Schützenfest
165 Archiv SchG 1961
166 Archiv SchG 1961
167 Archiv SchG 1958
168 Herold, S. 21
1699 Archiv SchG 1962
170 Archiv SchG 1949
I71 Archiv SchG 1954
172 Archiv SchG 1958
173 Archiv SchG 1950
174 Archiv SchG 1954; 30. Juni 1954
175 Archiv SchG; 19. August 1952
176 Archiv SchG 1954; 9. Dezember 1954
177 Archiv SchG 1952; 21. Oktober 1952
178 Archiv SchG 1957
179 Archiv SchG 1958; 5.Februar 1958
180 Archiv SchG 1960
181 Archiv SchG 1960; 10. Juni 1960
182 Archiv SchG 1959; 17. Juli 1959
183 Archiv SchG 1938
184 Archiv SchG 1951; 25. November 1951
185 Archiv SchG 1951; 3. Dezember 1951
186 Archiv SchG 1952; 7. Februar 1952
187 Dering, S. 142
188 Archiv SchG 1952
189 CNP; Artikel ohne Datum im Archiv SchG
190 Archiv SchG 1956; 8. Juni 1956
191 Archiv SchG 1960
192 Archiv SchG 1960; Endgültige Abrechnung Schützenfest 10. November 1960
193 Archiv SchG 1958 .
194 Archiv SchG 1958; Postkarte an Platzmeister Wilhelm Bär 15. Juni 1958
195 Archiv SchG 1958; 23. Juni 1958 _
196 Archiv SchG 1960; Brief an Bürgermeister Bergmann, 23. November 1960
197 Archiv SchG 1959; 18. August 1959
198 Archiv SchG 1959
19 Archiv SchG 1961
200 Archiv SchG 1961; 21. Februar 1961
201 Archiv SchG 1961; 24. Februar 1961
202 Archiv SchG 1958; 13. Juni 1958
203 Archiv SchG 1958; 14. Juni 1958 und 20. Juni 1958
204 Archiv SchG 1962
205 Archiv SchG 1994
206 Archiv SchG 1981
2077 CNP 13. Januar 1981
208 CNP 10. Januar 1981
-222 –
20% CNP 13. Januar 1981
210 Archiv SchG 1981
211 Archiv SchG 1983
212 Archiv SchG 1982
213 Archiv SchG 1960
214 Archiv SchG 1990- 223 –
Bee A Ten „u nn ne anni EEE a ne